Der wenig erforschte Diskurs

Mit Männlichkeiten haben sich die Gender Studies bislang nur am Rande beschäftigt. Sylka Scholz, Soziologin an der Uni Jena, hat jetzt ein Grundlagenwerk zu dem weithin unterbelichteten Thema vorgelegt.

Mann hält seine Hand ans Ohr

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: Andrea Piacquado, pexels.com

 
Bücher über Männer und männliche Emanzipation sind im Vergleich zur viel umfangreicheren feministischen Literatur nach wie vor eine subkulturelle Angelegenheit. In Buchhandlungen oder Bibliotheken werden sie nur am Rande präsentiert, und wenn, dann meist nur in geringem Umfang. (…) Seminare und Vorlesungen zu Themen wie Rollenstereotype oder sexuelle Orientierung an den Hochschulen sind sehr beliebt – und häufig überfüllt. Diese Erfahrung hat auch Sylka Scholz gemacht. Die Soziologin an der Universität Jena, die wie andere Dozentinnen oft nur »nebenbei« Veranstaltungen zu Gender-Themen anbieten kann, hat gerade ein materialreiches Grundlagenwerk zur Männlichkeitsforschung vorgelegt. Es richtet sich, als Lehrbuch konzipiert, vorrangig an Studierende, liefert aber zudem anregende Details zur Geschichte eines bisher weitgehend unterbelichteten Fachgebiets. Scholz benennt und analysiert Schlüsselbegriffe wie hegemoniale Männlichkeit, männlicher Habitus und männliche Sozialisation. Sie liefert einen Überblick über die wichtigsten Bereiche der Konstruktion von Männlichkeiten wie Erwerbsarbeit, Vaterschaft, Paarbeziehung, Migration und Rechtspopulismus; auch neuere alternative Ansätze wie Queer- und Transtheorien hat sie eingearbeitet. (…)

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Später ist es irgendwann zu spät

Es kommt nicht drauf an, den Gipfel zu bezwingen, sondern zu wissen, wann man umkehren muss.

zwei Männer vor einem Haus

Text und Foto: Tom Focke
Schwerpunkt »Endlichkeiten«


Also mein Leben ist eine Uhr, oder ein Kuchen. Geviertelt. Das letzte Viertel bricht an. Vielleicht wird es das Schönste nach der Jugend. Als Atheist glaube ich im Gegensatz zu Udo Lindenberg nicht daran, dass es hinter‘m Horizont weitergeht; im Radio läuft ein Podcast »Der Tod gehört zum Leben«.

Nach 40 Jahren Selbständigkeit als Tischlermeister fahre ich noch Senioren zur Tagespflege – es ist ein guter Abschluss, gerade zum Thema Endlichkeit. Da ich so ziemlich alle Gebrechen an Bord habe, überlege ich gerade, was besser ist, Schlaganfall oder Demenz. Ich entscheide mich für Schlaganfall, sollte es soweit sein, denn dann kann ich noch mit Leuten plaudern, wenn alles gut geht, so wie oben im Bild mit Genosse Scharfenberg, früher VoPo, dann Westcop und jetzt im betreuten Wohnen. Dafür erzähle ich ihm von den Grenztruppen der DDR, wo ich als Kurier mal eine Bild-Zeitung nach Berlin fahren musste. War ja schließlich ein Grenzdurchbruch und faxen konnte man nicht. Mit Demenz wird‘s schwierig mit der Konversation, die ich so liebe.

Ja, nach fünf Kindern, mehreren Häusern und einigen Turbulenzen werden meine eher rückständigen Tugenden Demut und Geduld noch etwas weiterentwickelt, denn die Endlichkeit nun täglich vor Augen und zuvor jahrzehntelang verdrängt, fühle ich mich jetzt gewappnet für die Dinge, die da noch kommen. Gute Freunde und Freundinnen haben mittlerweile Krebs – was auch ich meinem sudeten-wolgadeutschen Körper über die Jahre angeboten habe, war schon fahrlässig. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen bei jeder Zigarette – mit so viel mühsam errungener Erkenntnis und Lebenslust wäre es jetzt echt blöd, vor der Ziellinie zu sterben. Aber Helmut Schmidt ist mein Argument: alles kann, nichts muss.

Ich bin jedoch auch vorbereitet, Patientenverfügung, etwas Rente und frei im Kopf, freue ich mich auf die nächsten 10 Jahre und ziehe nach MV. Vier Wohnungen und eine Scheune bieten genug Möglichkeiten für MännerWG, FeWo, Werkstatt oder Pflegefachkraft. »Oben fit und unten dicht – mehr wünsch‘ ich mir für‘s Alter nicht«? Mal schauen was wird … Es kommt nicht drauf an, den Gipfel zu bezwingen, sondern zu wissen, wann man umkehren muss. Zweite Scheidung läuft 🙂

Am Ende nur Endlichkeiten?

War das schon alles? Hatten wir nicht so viel vor in unserem Leben? Also noch mal in die Hände spucken und den Turbo starten, oder vielmehr auf die Bremse treten und lockerlassen? Oder beides parallel?

vier Männer stehen vor einem Sternenhimmel

Text: Frank Keil und Alexander Bentheim
Foto: Kendall Hoopes, pexels.com

 
Seit zehn Jahren gibt es die MännerWege jetzt online; eine lange Zeit seit dem Juni 2015. Unser Jubiläum können wir nur nicht mehr in unseren langjährigen Redaktionsräumen begehen, Eigenbedarf und eine fehlende Feuerleiter waren offizielle Stichworte, und so hat die Vertreibung aus unserem kleinen Paradies in der Hamburger Schanze vor einigen Monaten das Nachdenken über Endlichkeiten angestoßen.
Endlichkeiten sind mal traurige Endgültigkeiten, mal schmerzhafte Zäsuren, manchmal aber auch verheißungsvolle Neuanfänge oder gar die Erfüllung sehnsüchtiger Erwartungen – es gibt viele Betrachtungen. In unserem Fall: nein, wir denken nicht ans Aufhören, wie schon gemutmaßt wurde. Eher ist es ein Innehalten, um frischen Impulsen und neuen Pfaden die Fenster zu öffnen. So lässt sich ja auch jubilieren.

Wir haben unsere Autoren und Autorinnen daher auch um je ihre Betrachtungen zum weiten Feld der »Endlichkeiten« gebeten, in die sich, was nicht verwundert, auch einige Unendlichkeiten mischten. Ob in Gedichtform, als abstrakte Analyse oder intime Lebensbeichte – alles war möglich und erwünscht. Nun entlassen wir die Beiträge nach und nach in die Welt, auf dass sie ihre Resonanzen finden mögen.

Was erwartet euch? Ein Mann hat zu seinem Song gefunden. Demenz oder Schlaganfall, fragt ein anderer, während wieder einer den Gürtel seines Regenmantels fester zieht. Der nächste findet Bilder zum Abschied nehmen; in Grußweite steht ein Fahrrad. Noch einer schreibt Tagebuch und liest vor allem darin! Und ein Fotograf hört auf zu fotografieren, spricht aber über gute Zeiten. Darum geht es, und um noch viel mehr.

Wir wünschen eine anregende Lektüre und gute Gedanken!

 
In diesem Themenschwerpunkt bisher erschienen:
:: Georg Paaßen, Mein leben ist endlich
:: Bernhard Stier, Nachdenken über die »Endlichkeit«
:: Marc Melcher, Love me Gender
:: Georg Schierling, Die Endlichkeit im Bild
:: Christoph Rommel, Werner und die Angst vor dem Tod
:: Ralf Ruhl, Endlichkeit, 1
:: Ralf Ruhl, Endlichkeit, 2
:: Ralf Ruhl, Endlichkeit, 3
:: Ralf Ruhl, Endlichkeit, 4
:: Ralf Ruhl, Endlichkeit, 5
:: Tom Focke, Später ist es irgendwann zu spät
:: Martin Verlinden, Momente der Leichtfüßigkeit

»Bei einem Frauenarzt war ich noch nie.«

Wer ist der Gute, wer entsprechend der Böse? So gerne wüssten wir das manchmal. Um uns daran zu halten. Und nun kommt Andreas Maier mit einem neuen Roman um die Ecke.

Ein Mann schaut aus einem Fenster

Text: Frank Keil
Foto: Tigerlilli, photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 22te KW. – Der heimatambivalente Hesse Andreas Maier fragt in »Der Teufel«, dem nächsten Roman seiner »Ortsumgehung-Serie«, (nicht nur) fernseh-schauend nach dem Gut und Böse (und nicht nur) der Bonner Republik.

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Papa steht in der Zeitung

Dort der übermächtige Staat, hier der schützende Familien- und Freundeskreis: Bot in der DDR tatsächlich das Private einen verlässlichen Rückzugsraum?

Text: Frank Keil
Foto: carlitos, photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 21te KW. – Der große Erzähler Christoph Hein schickt in seinem fulminanten Roman »Das Narrenschiff« eine illustre Gruppe Sozialismus-Gläubiger auf eine deutsche Reise.

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Der junge Mann und der alte Schwede

Eine Liebe im Abendlicht.

junger Mann umarmt am Elbstrand einen Felsbrocken

Text und Foto: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Arne war zu Besuch in Hamburg. Arne ist mein mittlerweile erwachsenes Patenkind. Und Arne ist Boulderer. Klettert gerne auf alles, was Kanten, Ecken, Vorsprünge und Nischen hat, damit die Hand Grip und der Fuß Halt hat. Am Hamburger Elbstrand bei Oevelgönne liegt ein großer Granitstein, der alte Schwede, eine echte Herausforderung für alle, die es mit ihm aufnehmen wollen!
Eher zufällig kamen wir dort vorbei, Arnes Augen leuchteten und er checkte den Schweden von allen Seiten nach möglichen Aufstiegspunkten. Ohne aber passende Schuhe, Magnesium und zu schon vorgerückter Stunde blieb es bei einer Umarmung. Vielleicht gibt es mal ein Wiedersehen der beiden.



Mehr aus der Reihe »Bilder und ihre Geschichte« gibt’s im Archiv.

Blutgruppe Null

Männer und Frauen – schwierig, weil oft von Machtausübung und Machtmissbrauch geprägt. Das ist schon lange so und scheint sich hartnäckig zu halten. Oder ließe sich doch etwas ändern?

junger Mann und junge Frau

Text: Frank Keil
Foto: _gennadi, photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 19te KW. – Die Schriftstellerin Mareike Fallwickl schreibt der Theatermacherin Jorinde Dröse einen so emotionalen wie wütenden Brief. Entstanden ist daraus die Flugschrift »Liebe Jorinde oder Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen«.

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Bundesverband Männertrauer

Eine bestehende Lücke schließen, um trauernde Männer in unserer Gesellschaft besser zu unterstützen.

Mann sitzt am unteren Ende einer Treppe

Text: Martin Kreuels
Foto: sol-b, photocase.de

 
Wann, wenn nicht jetzt?!? In einer Welt, in der autoritäre Männer die Weltordnung neu und laut zu sortieren versuchen, gibt es auch eine stille, schnell zu überhörende Seite. Eine Bewegung ist es nicht, eher eine Wandlung, eine Veränderung, die sich dafür interessiert, was in uns Männern geschieht, wo wir vielleicht Schwächen haben, warum es uns manchmal nicht gut geht. Das Besondere: Diese Männer fangen an, es endlich und vernehmbar auch zu äußern …

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Hauptsache lesen

So viele Bücher wollen gelesen werden. Und dann gibt es auch noch Bücher über Bücher.

Ein Mann sitzt auf einer Bank in der U-Bahn und liest

Text: Frank Keil
Foto: Vincent M.A. Janssen, pexels.com

 
Männerbuch der Woche, 17te KW. – Der Schriftsteller und nun bald ehemalige Leiter des Hamburger Literaturhauses Rainer Moritz bietet mit »Mögen Sie Madame Bovary?« (mehr als) eine kurzweilige wie kluge und auch sehr praktische Liste lesenswerter Bücher und immer auch ihrer Autoren und AutorInnen.

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Judas auf dem Lande

Und dann steht man da und ein Leben geht zu Ende. Was war vorher? Und wie ist es zu dem gekommen, was nun ist?

Ein Bauer wendet Heu

Text: Frank Keil
Foto: cw-design, photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 16te KW. – Der deutsch-niederländische Autor Willi Achten lässt in seinem neuen und tieftraurigen Roman »Die Einmaligkeit des Lebens« zwei Brüder miteinander leben, während um sie herum die Welt abgebaggert wird.

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