Schlafanzüge für die Ewigkeit

Ein Bild mit zehn Geschwistern.

10 Geschwister im Schlafanzug

Text und Foto: Georg Schierling
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Die zehn (!) Kinder aus dem Hause Schierling, 1936, mein Vater ist Kind #7 in der Reihe. Alle haben ihren Schlafanzug an. Warum das Familienfoto in Schlafanzügen gemacht wurde – niemand kann sich an den Grund dafür erinnern. Es weiß auch niemand mehr, aus welchem Anlass das Foto der Kinder gemacht wurde. Immerhin wurde dafür extra ein Fotograf nach Hause geholt.
Die Mutter der zehn Kinder, meine Oma, hat das Foto immer in Ehren gehalten. Es hing in ihrem Wohnzimmer. Auch etliche der anderen Geschwister meines Vaters haben das Foto geliebt, denn es hing stets an prominenter Stelle in den jeweiligen Wohnungen. Zuletzt habe ich es 2024 gesehen in der Wohnung meines inzwischen 91-jährigen Onkels in den USA. Er ist Kind #8 und zusammen mit der Schwester, Kind #10, sind beide die letzten noch lebenden Geschwister.
Die drei großen Brüder waren als Soldaten im Krieg und kamen allesamt lebend zurück nach Hause, ein Wunder. Mein Vater ist gegen Kriegsende als vierter Sohn knapp an der Einziehung zum Volkssturm vorbeigekommen, weil er gerade eben noch etwas zu jung dafür war.
Dieses Foto ist das einzige überlieferte Foto aller Kinder. Es ist danach nie mehr gelungen, alle zehn Geschwister noch einmal zu einem Foto zusammenzubringen. Gerade deshalb war den Geschwistern das Bild von 1936 so wertvoll!


Mehr Bilder aus der Reihe »Bilder und ihre Geschichte« gibt’s im Archiv.

»Während mein Bruder sich betrank, schrieb ich.«

Was bestimmt unser Leben? Die Herkunft, die Klasse, dazu die Eltern und die Familie, in der wir aufwachsen, und dann das Umfeld – oder das, was wir daraus machen?

ein Mann am Fenster stützt seinen Kopf in die Hand

Text: Frank Keil
Foto: Andrea Piacquadio, pexels.com

 
Männerbuch der Woche, 45te KW. – Édouard Louis nähert sich in seinem nächsten autofiktionalen Roman »Der Absturz« mal wütend, mal emphatisch seinem älteren Bruder und seiner (eigenen) sozialen Herkunft.

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Nach dem Schock

Sich einzugestehen, dass man mit seinen Einschätzungen falsch lag, dass man das offensichtliche Unheil nicht hat kommen sehen, obwohl man es hätte erkennen können, ist ein großes Vermögen. Und auch eine Kunst.

Winterlandschaft mit Dörfern von oben

Text: Frank Keil
Foto: Денис Лобанов (Denis Lobanov), pexels.com

 
Männerbuch der Woche, 43te KW. – Der Historiker, Essayist und Osteuropa-Experte Karl Schlögel schaut in den beiden fulminanten Sammelbänden »Auf der Sandbank der Zeit« und »Entscheidung in Kiew – Ukrainische Lektionen« über die Ukraine und deren Geschichte und Gegenwart immer auch auf sich und wie er so lange unwissend auf dieses grundeuropäische Land geblickt hat.

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Zucker fürs Zockerhirn

Ein eindrücklicher Kinderroman über Armut, Mobbing und das tägliche Überleben in diesen Verhältnissen.

Hinterkopf einer Person vor dem laufenden Fernseher

Text: Ralf Ruhl
Foto: sör alex, photocase.de

 
Armut ist grausam. Das erfährt Jana tagtäglich. Schon, weil sich niemand in der Schule neben sie setzen will. Wie Armut das Familienleben mit Papa bestimmt und wie die clevere Zehnjährige einen Ausweg findet, das beschreibt Rachel van Kooij fast zärtlich in ihrem Kinderroman »Eher fällt der Mond vom Himmel«.

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Heldenreise über den Kniepsand

Fatih Akin hat die Kindheitserinnerungen von Hark Bohm überzeugend umgesetzt: AMRUM ist ein bewegender Film über die letzten Tage der NS-Diktatur in Nordfriesland, eine komplexe Jungenfreundschaft und eine verschlungene Heldenreise.

Text: Frank Keil
Foto: Gordon Timpen | bombero international GmbH & Co. KG | Rialto Film GmbH | Warner Bros. Entertainment GmbH

 
Morgen schon wird es aus dem Volksempfänger tönen: Der Führer ist tot! Ist gefallen in seinem unermüdlichen Kampf gegen den Bolschewismus. Bis zum letzten Atemzug habe er gerungen, doch es hat nicht geholfen. Nun muss das deutsche Volk ohne ihn auskommen; muss sehen, wie es klarkommt. Und während die einen sich für eine neue Zeit bereithalten, was immer sie auch bringen mag, packt die anderen eine Mischung aus brutalem Trotz und nicht mehr niederzuhaltender Verzweiflung.
Wir sind auf der nordfriesischen Insel Amrum, in stoischer Formation ziehen die alliierten Bomber ihrer Wege, lassen dann und wann noch eine Bombe ins Watt fallen, Ballast abwerfen, denn bald, so sieht es aus, ist es geschafft. Ihnen nach schauen Nanning und Hermann, beste Freunde sind sie, 12 Jahre jung und gerade damit beschäftigt, Kartoffeln zu stecken, statt in der Schule zu sein. Die Erde ist schwer und nass und kaum zu bändigen, der Frühling zeigt sich mürrisch und abweisend und gräulich …

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Kinder als Mitbetroffene im Männergewaltschutz

Eine neue Publikation der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz in Dresden stellt Projekte und Perspektiven in verschiedenen europäischen Ländern vor.

ängstlicher Junge am Fenster

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: Tanya Gorelova, pexels.com


Kinder erleben häusliche Gewalt zwischen Eltern oder anderen familiären Bezugspersonen direkt oder indirekt mit, sie sind damit Mitbetroffene und haben spezifische Unterstützungsbedarfe. Die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) hat aus diesem Grund Berichte von Fachakteur*innen aus Deutschland, Finnland, der Schweiz, Liechtenstein, den Niederlanden und Luxemburg zusammengetragen.
Die Publikation geht zunächst auf grundlegende Definitionen, Formen, Ursachen, Risiko- und Schutzfaktoren sowie Folgen von häuslicher Gewalt für Kinder ein. Sie liefert auch einen Überblick dazu, wie häufig und auf welche Weise Kinder von häuslicher Gewalt betroffen sind, wie häufig sie mit ihren Eltern in Schutzeinrichtungen unterkommen und welche rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland bestehen. Ergänzend werden Berichte und Beispiele aus den genannten europäischen Ländern präsentiert, die betroffenen Vätern und ihren Kindern in MSE Schutz und Ruhe sowie Beratung und Unterstützung bieten. Die Publikation beleuchtet dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den jeweiligen Hilfesystemen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass und wie Männer und ihre Kinder in den untersuchten Ländern von häuslicher Gewalt betroffen sind und Hilfsangebote in Anspruch nehmen, und dass Väter bisher nur selten gemeinsam mit ihren Kindern in eine Männerschutzeinrichtung (MSE) einziehen – ein deutlicher Unterschied zu den Strukturen im Frauengewaltschutz.

Die Veröffentlichung versteht sich als Ergänzung zur etablierten Expertise des Frauengewaltschutzes und verdeutlicht, dass Kinder, die Gewalt im häuslichen Umfeld erleben, eigene Unterstützungsangebote zur Verarbeitung des Erlebten benötigen. Auch Väter brauchen Hilfen, um ihre Rolle als präsente und verantwortungsvolle Bezugsperson zu gestalten. Zudem wird kritisch beleuchtet, wie stereotype Vorstellungen von Geschlechterrollen in Institutionen – etwa Polizei oder Jugendämtern – Entscheidungen beeinflussen können, die gravierende Folgen für Kinder haben. Daher richtet sich die Publikation insbesondere an Fachkräfte des Gewaltschutzes, an Beratungsstellen für Betroffene von häuslicher Gewalt und deren Kinder, und an Mitarbeiter*innen der ministerialen und Verwaltungsebene. Ziel ist nicht nur, die Bedarfe und Bedürfnisse betroffener Kinder sichtbar zu machen und zu zeigen, wie Kinder in MSE Unterstützung erfahren, sondern auch empfehlend auf bestehende Entwicklungspotenziale hinzuweisen, etwa geschlechtergerechte Sensibilisierungsmaßnahmen für mit dem Thema befasste Berufsgruppen.

Zur Publikation »Kinder als Mitbetroffene im Männergewaltschutz«, die von Jana Peters und Clemens Göhler erarbeitet und im September 2025 als Nummer 7 der BFKM-Publikationsreihe veröffentlicht wurde.

Durch die Schichten des Schweigens

Wenn etwas vorbei ist, beginnt bald etwas Neues. Das weiß man, auch wenn es nicht hilft, denn alles braucht seine Zeit.

Eine Frau und ein Mann gehen im Lichtkegel einer beschatteten Straße

Text: Frank Keil
Foto: N.O.B., photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 40te KW. – Sehr behutsam verknüpft Sylvain Prudhomme in seinem fabelhaften Roman »Der Junge im Taxi« eine Familiensuche mit dem Ende einer Liebe.

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Beste Freunde

Ein Kurzurlaub mit dem Rad.

zwei Männer mit Fahrrädern am Fluss

Text und Fotos: Georg Schierling
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Mein Vater mit seinem Freund, 1953, unterwegs auf einer mehrtägigen Radtour mit Kochgeschirr und Zelt, hier zur Erfrischung am Fluss, ob Rhein oder Mosel, Hauptsache Abkühlung. Nach dem Bad hatten die beiden offensichtlich einigen Spaß, sie machten sich verrückte Frisuren, vielleicht hatten sie schon etwas vom Rockabilly gehört, der sich ab etwa Mitte der 1950er Jahre als jugendkultureller Sound und Style etablierte. Vielleicht aber auch nicht, ich erinnere mich, dass das nicht so das »Ding« meines Vaters war. Die Freundschaft aber, eine Verbindung aus der Jugendzeit, hat lange Jahre gehalten.


zwei Männer beim Badespaß


Mehr Bilder aus der Reihe »Bilder und ihre Geschichte« gibt’s im Archiv.

»Und überall Affen«

Irgendwann kommt das Ende. Ist nicht mehr abzuhalten. Und was ist zu sehen und womöglich zu erkennen, was einen bis zuletzt trägt, tröstet oder schlicht beschäftigt?

Text: Frank Keil
Foto: Tina Ruisinger

 
Männerbuch der Woche, 35te KW. – Tina Ruisinger zeigt uns in ihrem Bilderband »Lebensbilder – Fotografie in der Palliative Care«, wie einem eigene Fotografien dabei helfen können, den bevorstehenden Tod zu begleiten, vielleicht ihn zu gestalten und für sich Abschied zu nehmen.

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Seele auf Halbmast

So wunderbar seitenstarke Bücher sein können … manchmal braucht es nur ein Bündel Seiten und man taucht anhaltend ein in eine komplex-illustrierte Welt.

Hand und Bein eines Mannes

Text: Frank Keil
Foto: Rein Van Oyen, photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 33te KW. – Édouard Louis erzählt in »Wer hat meinen Vater umgebracht« unfassbar genau, zupackend und produktiv von einer Sohn-Vater-Hass-Liebe.

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