Das Stadion, eine »karnevaleske Sonderwelt«

Der Sportwissenschaftler Robert Claus forscht zu Fanszenen, Hooligans und Männlichkeitsbildern – ein Gespräch zur Europameisterschaft.

Nahaufnahme eines kaputten Fußballs

Interview: Thomas Gesterkamp | EM-Special »rund & kantig«
Foto: Jonathan Schöps, photocase.de

 
»Fußball ist ein milliardenschweres Geschäft, zugleich gibt es eine tiefe Sehnsucht nach weniger Kommerz. Zuletzt zu besichtigen bei den Tennisbällen, die gegen den Einstieg von Finanzinvestoren in die Bundesliga auf die Plätze geworfen wurden …«

»In früheren Jahrzehnten war der Fußball weitaus weniger durch Erwartungen an gesellschaftliche Verantwortung geprägt. Im Rückblick traurig-berühmt wurde das Beispiel, dass die (west)deutsche Nationalmannschaft bei der WM 1978 in der Nähe eines Gefängnisses gastierte, in dem die argentinische Militärjunta Oppositionelle folterte – damals geriet das nicht zum Skandal. Den Protesten der vergangenen Jahre geht es vor allem um Teilhabe und eigene Wirkmächtigkeit, also um grundlegende Erfahrungen in einer funktionierenden Demokratie. Im kommerzialisierten Fußball machen die Fans ständig demütigende Erfahrungen der Nicht-Beteiligung, Sponsoreninteressen werden meist stärker gewichtet. Die Tennisbälle waren ein eskalierender Versuch, ihre Interessen massiv einzufordern. Hier unterscheiden sich die Fanszenen des Fußballs von Fankulturen in anderen gesellschaftlichen Bereichen: viele Ultras wollen die Spiele nicht nur spaßvoll konsumieren, sondern vor allem den eigenen Verein aktiv mitgestalten.«

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Der Fußball und sein koloniales Erbe

Eine aktuelle Veröffentlichung nutzt die Popularität des Fußballs und den Aufhänger eines großen Turniers, um über die wenig bearbeitete europäische Kolonialgeschichte aufzuklären.

Text: Thomas Gesterkamp | EM-Special »rund & kantig«
Foto: fabsn, photocase.de

 
Bananen flogen auf das Feld, von den Zuschauerrängen ertönten Affenlaute, als die ersten dunkelhäutigen Spieler in den europäischen Ligen auftauchten. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Funktionäre von Spitzenklubs wie auch Ehrenamtliche in Amateurvereinen engagieren sich gegen Rassismus. Kicker wie der schwarze Nationalverteidiger Antonio Rüdiger sind bei den Fans weitgehend akzeptiert, sie werden in der Regel nach ihrer Leistung und nicht nach ihrer Hautfarbe beurteilt. Aber es ist noch nicht so lange her, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Alexander Gauland öffentlich verlauten ließ, einen Jérôme Boateng wolle man lieber nicht zum Nachbarn haben. Dafür erntete er nicht nur von anderen Politikern, sondern immerhin auch in den Stadien heftigen Protest.
Der Sportjournalist Ronny Blaschke hat nun ein Buch – »Spielfeld der Herrenmenschen« – über das koloniale Erbe des Fußballs vorgelegt. Die massenwirksame Verbreitung dieser Sportart wäre, so die Kernthese des Autors, ohne die weltweite Präsenz der europäischen Mächte nicht möglich gewesen.

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»Bedrohung, Angst, Wut, Hoffnung«

Wie es rechte Parteien und Bewegungen schaffen, vor allem verunsicherte Männer über Affekte zu mobilisieren.

Kriegerdenkmal in Berlin

Text: Thomas Gesterkamp
Redaktion: Alexander Bentheim
Foto: derProjektor, photocase.de

 
Eine Untersuchung über »Affektive Strukturen der neuen Rechten« liegt von Birgit Sauer und Otto Penz vor (beide früher Lehrende an der Universität Wien). In ihrer gemeinsamen Forschungsarbeit suchen sie nach Erklärungen für den Erfolg autoritärer Parteien und Bewegungen in Deutschland und Österreich. Eher ungewöhnlich ist der wissenschaftliche Ansatz von Sauer und Penz, ökonomische und psychologische Analyse zusammenzubringen. Und sie untersuchen die »neoliberale Transformation« vor dem Hintergrund »sich verändernder Geschlechter- und Sexualitätsverhältnisse« – was das Buch interessant und lesenswert macht, auch wenn die Lektüre wegen des ausgeprägt akademischen Duktus manchmal mühsam ist.

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»Auch Opfer, selbstverständlich!«

Das bundesweite Männerhilfetelefon berät betroffene Männer zu Bewältigungs- und Handlungsmöglichkeiten nach Gewalterfahrungen.

Ausschnitt Gesicht alter Mann

Text: Thomas Gesterkamp
Redaktion: Alexander Bentheim
Foto: Ruben Jacob, photocase.de (Symbolbild)

 
Gewalt gegen Männer ist ein besonders heikles Thema in der geschlechterpolitischen Debatte. Antifeministische Maskulinisten greifen das Thema auf und stilisieren sich gern zum Opfer. Sie verharmlosen die Tatsache, dass im häuslichen Umfeld überwiegend Frauen die Leidtragenden sind. Umgekehrt war es lange ein Tabuthema, dass manche Männer ebenso gewaltbetroffen sein können. Ein Pilotprojekt in Ostwestfalen bietet ihnen seit knapp vier Jahren Hilfe an.

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Ständiges Auf und Ab

Der Historiker Benno Gammerl erzählt die wechselhafte Geschichte von Homo- und Transsexuellen in Deutschland.

Wand mit Farbverläufen

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: Godjes, photocase.de

 
Im Januar 2023 standen bei der jährlichen Holocaust-Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages zum ersten Mal jene Opfer im Mittelpunkt, die von den Nationalsozialisten wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden. Dieser erinnerungspolitische Erfolg verdankt sich dem beharrlichen Insistieren queerer Bewegungen. Er musste gegen teils heftige Widerstände vor allem konservativer Abgeordneter durchgesetzt werden – und bedeutete einen weiteren Schritt, der zur gesellschaftlichen Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt und gender-nonkonformer Lebensweisen beigetragen hat …

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Erektion auf Rezept

Vor 25 Jahren wurde das Potenzmittel Viagra zugelassen, damals eine pharmazeutische Sensation. Medizin und Sexualtherapie streiten aber bis heute über die Wirksamkeit.

ein Mann macht eine Fingerbewegung für einen Größenvergleich

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: fabsn, photocase.de


Erektionsprobleme sind nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu. Den betroffenen Männern sind ihre Schwierigkeiten oft peinlich, sie reden darüber nicht mal mit engen Freunden. Stattdessen kaufen und schlucken sie heimlich potenzfördernde Mittel, oft ohne jede medizinische Beratung. Dieser rein pharmakologische Zugang war wissenschaftlich stets umstritten. Wichtiger als die Einnahme von Medikamenten sei die psychische Auseinandersetzung mit den eigenen Schwierigkeiten, kritisieren vor allem Sexualtherapeuten. Hinter der Kontroverse steckt auch die Rivalität der heilenden Professionen. Während die Medizin auf physiologische Befunde wie verengte Blutgefäße verweist, betont die Psychologie die vorrangige Rolle der Seele. Zum Wesen der Sexualität gehöre ihre Unkalkulierbarkeit, kein Mann könne die körperlichen Anzeichen von Erregung willkürlich hervorrufen.

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Verweigern ohne Musterung!

Junge Männer müssen über eine Beteiligung an bewaffneten Konflikten nicht mehr nachdenken, denn ihre Haltung zur Bundeswehr ist aus Sicht der staatlichen Behörden völlig ungeklärt. In Zeiten militärischer Eskalation birgt das Risiken. Denn die Wehrpflicht ist nur ausgesetzt und keineswegs abgeschafft.

Mann brüllt einen Lautsprecher an

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: thetank, photocase.de

Für fast zwei Generationen – die zwischen Ende der 1930er bis Anfang der 1990er Jahre geborenen männlichen Jugendlichen – war es ein fester Bestandteil ihrer Biografie: kurz vor dem 18. Geburtstag meldete sich die Obrigkeit, ein behördliches Schreiben flatterte ins Elternhaus. »Sie haben sich zur Tauglichkeitsprüfung im Kreiswehrersatzamt einzufinden.« Wer es nicht schaffte, mit Hilfe ärztlicher Atteste ausgemustert zu werden, stand vor einer schwierigen persönlichen Entscheidung: Gehe ich zum »Bund« oder verweigere ich und mache stattdessen Zivildienst? Ein Rückblick und ein Ausblick, aus aktuellen Gründen …

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Für Selbstfürsorge nur bedingt sensibel

Der fünfte Männergesundheitsbericht liefert aktuelle Daten, im Schwerpunkt diesmal zur Situation junger Männer. Manche Ergebnisse bleiben sorgenvoll, andere sind durchaus ermutigend.

Junger Mann sitzt nachts auf einer Wiese

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: Thosa Photo, photocase.de

Die spezifischen physischen und psychischen Probleme von Männern sind erst seit relativ kurzer Zeit Gegenstand gründlicher empirischer Forschung. Dabei stellen die rigiden Erwartungen an das angeblich »starke Geschlecht« schon lange ein erhöhtes Risiko für das allgemeine Wohlbefinden dar. Während sich Ansätze einer weiblichen Perspektive auf die Medizin schon vor der Jahrtausendwende etablierten, entwickelte sich erst mit erheblicher Verzögerung ein männliches Pendant. Nun hat die regierungsunabhängige, von Spenden finanzierte Stiftung Männergesundheit ihren bereits fünften »Männergesundheitsbericht« herausgegeben.
Die aktuelle Expertise behandelt das Thema »Junge Männer und ihre Gesundheit«. Im Zentrum der neuen Untersuchung steht eine umfangreiche Datenerhebung durch das Münchner Forschungsinstitut Kantar Public. Das wissenschaftliche Team befragte auf repräsentativer Basis über 2.000 junge Männer zwischen 16 und 28 Jahren; vergleichend wurden auch über 1.000 Frauen in diesem Alter interviewt. Als zentrale Erkenntnis konstatiert der Bericht, dass »Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsverhalten und Gesundheitsstatus der jungen Männer mit ihrer jeweiligen Vorstellung von der männlichen Geschlechtsrolle verbunden ist« (…)

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Ein Pionier der Sexualwissenschaft

Magnus Hirschfeld, seine »Theorie der Zwischenstufen« und das Berliner Institut für Sexualwissenschaft.

zwei junge Männer lehnen an einer Brücke

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: bilderberge, photocase.de

Das neue »Selbstbestimmungsgesetz« der Ampelkoalition verbessert die Rechte von Transpersonen. Dazu beigetragen haben die umfangreichen Queer-Debatten um die Vielfalt sexueller Orientierungen in den letzten Jahrzehnten. Theoretisch vorweggenommen hat diese früh der Arzt Magnus Hirschfeld. Schon im deutschen Kaiserreich entwickelte er seine »Theorie der Zwischenstufen« – und gründete dann in der Weimarer Republik das Institut für Sexualwissenschaft in Berlin, das von den Nationalsozialisten zerschlagen wurde. Der Medizinhistoriker Rainer Herrn erzählt die Geschichte dieser wegweisenden Einrichtung.

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»Der fehlende Zugang zu den eigenen Gefühlen ist in vielen Fällen die Ursache.«

Was kostet ungesundes männliches Verhalten?

Modellfiguren zwischen Geldscheinen

Interview: Thomas Gesterkamp
Foto: C-PROMO.de, photocase.de

Ein Gespräch mit dem Wirtschaftswissenschaftler und Männerberater Boris von Heesen anlässlich seines jüngst erschienenen Buches, in welchem er sich auf die Dokumentation von (öffentlich zugänglichen) Zahlen konzentriert. Nach seiner vorsichtigen Schätzung verursacht ungesundes männliches Verhalten Jahr für Jahr gesellschaftliche Kosten von über sechzig Milliarden Euro. Vor allem bei den Themen Gewalt, Sucht und Straßenverkehr dominieren Männer die negativen Statistiken.

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