Fußball wurde dort manchmal auch gespielt

Per Anhalter durch die junge Republik

Text und Foto: Georg Schierling
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Mein Vater ist kurz nach dem Krieg, etwa 1948, mit einem Freund zusammen durch Deutschland gereist, per Anhalter. Hier sitzt er am Seitenstreifen der Autobahn – und es war nichts los! Aus seinen Erzählungen weiß ich: Das väterliche Elternhaus stand in Duisburg ca. 100 Meter neben der heutigen A2. Die Jungs haben damals, während des Kriegs, auf dieser Autobahn Fußball gespielt. War schließlich eine schöne glatte Fläche. Es kam eh nur alle Viertelstunde mal ein Auto vorbei. Da ist man dann mal eben schnell zur Seite gegangen und hat danach weitergespielt.

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Schräge Brillen, blöde Blicke

Den ganzen Tag grast man eine Location nach der anderen ab und das beste Bild entsteht dann ganz woanders und spontan zum Schluss.

Vier Männer in einem Auto

Text und Foto: Markus Nicolini
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Ein Shooting mit befreundeten Kumpels, die gerade eine Rockband gegründet hatten und nun Bandfotos benötigten. Ich hatte mir entsprechend würdige Locations rausgesucht und wir machten uns wild entschlossen auf den Weg. Es war ein Heidenspaß und wir machten viele coole und witzige Fotos, aber das Bild wollte mir einfach nicht gelingen. Als wir zu vorgerückter Stunde wieder in unserem Heimatdorf ankamen, sagte ich nur: »Lass uns kurz nochmal auf einem Feldweg anhalten, ich hab noch eine letzte Idee! Quetscht euch doch alle vier mal auf den Rücksitz, zieht ne schräge Brille auf und guckt blöd aus der Wäsche.« Gesagt, getan, und – bäng! – ich hatte mein Bild! Die als Utensilie eingesetzte Whiskeyflasche wurde dann im Laufe des Abends bei einer Bildbesprechung entspannt und zufrieden vernichtet.
Ein Fototag, den ich nie vergessen werde. Mit der gleichen Band hatte ich ein paar Jahre später allerdings auch das traurigste und schlimmste Shooting, das man sich vorstellen kann, aber das ist eine andere Geschichte.

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In all den Weiten

Muss man alles aussprechen, alles benennen? Aber nein. Die Fotografie hat ihre eigenen Mittel und Möglichkeiten, der Welt auf den Grund zu gehen.

Text: Frank Keil
Foto: Tom Licht, Buchcover

 
Männerbuch der Woche, 36te KW. – Tom Licht erzählt mit gekonnt spröden Fotografien in »Der Vater, der Sohn und der Krieg« von einer doppelten Vatersuche in den Weiten Russlands und von einer Reise dorthin.

Zur Rezension

Vollendete Drehmomente

Kampf allein reicht nicht, es bedarf auch der Beherrschung von Körperkünsten

Text und Foto: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte« | EM-Special »rund & kantig«


Hier war es eine drohende Abseitsfalle, meine Kamera und ich hatten genau hingesehen. Die elegante Bremsung aus vollem Lauf samt hingebungsvoller Wende, die nächste Laufrichtung bereits im Blick, Oberkörper und anatomische Unterkonstruktion in formvollendeter Drehung … das zusammen ist hohe Kunst, kommt nicht so daher, will und soll trainiert sein. Auf dem Platz ist ja nicht nur Kampf, zählen nicht allein Taktiken und Tore, zu bewundern sind auch Spielwitz und Ballbeherrschung wie etwa bei Rene Higuita und Jay-Jay Okocha, aber auch bei der Freestylerin Aylen Yaren – und faszinieren und begeistern, weil man sich den so mitgeteilten Leidenschaften einfach nicht entziehen kann.



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Ballerspiele

Dumpfe Geräusche, freie Künste und das Klingeln in den fremden Kassen

Abdruck eines Fußballs auf einer Wand

Text und Foto: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte« | EM-Special »rund & kantig«


An der Wand der Turnhalle hinter der Schule am Walde bei uns gibt es gelegentlich seltsame Zeichen. Rätseln muss, wer nie einen feuchten Ball gegen eine Wand getreten hat und die Abdrücke aus Matsch und Dreck nicht kennt, die beim Aufprall entstehen – wobei der Winkel des Aufpralls eine variantenreiche Rolle für das Gesamtwerk spielt, denn er verursacht und hinterlässt nicht unmittelbar zu identifizierende Schlieren, Streifen, Muster, sondern eher abstrakte Kunst. Und ja, Ballerspiele, es knallt so (un)schön, oft dumpf, mal metallisch, aber immer vernehmbar. Auf dem richtigen Platz ist es meist das Aluminium, selten auch mal die Kniescheibe des eigenen Mitspielers.
Wer neben Spielplänen, -zeiten, -orten, -paarungen auch Interesse hat zu erfahren, was der ganze EM-Spaß eigentlich kostet (also weniger die UEFA, mehr die Steuerzahler*innen), ist mit einem Beitrag des Satiremagazins extra 3 bestens versorgt.



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Taubenauflauf

Jugendliche Mutproben in Krakau

Text und Foto: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Reise nach Krakau, Juni 2009. Viele neue Eindrücke gibt es. Zum Beispiel machen Kinder mit Schildern Werbung auf den Straßen, für die örtlichen Restaurants. Oder in den Straßenbahnen wird gleich Platz gemacht für die älteren Menschen, keine Diskussion, kein Danke. Es gibt auch kaum Alkohol in der Öffentlichkeit zu sehen, Männer tragen vor allem Bürstenhaarschnitt und viele Frauen ab 50 sind am Krückstock unterwegs.
Auf dem Hauptmarkt mit den Krakauer Tuchhallen gibt es unendlich viele Tauben. Die Jungs machen sich einen Spaß daraus, mit einem Becher Getreide möglichst viele Tauben anlocken und gleichzeitig auf Arm und Kopf balancieren zu können. In diesem Geflatter und Chaos – keine Taube gönnt der anderen etwas – sind manche kaum mehr zu sehen, einer schaffte es auf acht Vögel gleichzeitig. Skurrile Mutprobe, aber vergleichsweise ungefährlich, man könnte den Becher ja fallenlassen.



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Jugend forscht!

Neugier geweckt. Studium der Chemie oder Wasserwirtschaft folgt später.

Text und Foto: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Spaziergang mit Freunden durch Hamburg-Altona, Sommer 2007, die Kamera liegt locker in der Hand. Wir biegen um eine Ecke, vor uns diese Szene. Jetzt nicht lange zögern, das kenne ich schon, Kamera hoch, kein Justieren von Brennweite oder Belichtungszeit, einfach auslösen, vielleicht habe ich Glück. Der Junge ist auch nicht sofort erkennbar, und das ist gut so.
Eine Sekunde später ist die Szene vorbei. Der Vater hatte den Jungen gerufen, der sich erhob, umdrehte und ihm nachlief. Der Fotograf hinterher.
»Darf dieses Bild veröffentlicht werden?« Der Vater runzelt die Stirn, das sei doch kein richtiges Foto, da sei doch nichts zu erkennen (er hat offenbar andere Vorstellungen von einem interessanten Bild), murmelt dann ein »Okay«. Er sei jedoch in Eile, ein Geschäft schließe gleich, Adressen können also nicht mehr getauscht werden. Ich bleibe zurück mit einem Foto, das zu einem meiner Lieblingsbilder werden wird.



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Neugieriges Spielen mit Images

Eine fotografische Inszenierung zur »Kunst der Verwandlung«

Porträt eines Menschen hälftig als Frau und als Mann

Text: Alexander Bentheim (»Bilder und ihre Geschichte«)
MakeUp: Ursula Schäfer
Model: Manfred »Doci« Flucht
Foto: Andreas Kleve


Eine Visagistin wird inspiriert von der Fotoserie eines Wochenmagazins, ein Künstlerfreund bietet sich als Model an, ein Fotograf ist ebenfalls bald gefunden. Die Haare werden gelegt, der Bart hälftig rasiert, der Lippenstift angesetzt, der Kajal aufgetragen – eine Verwandlung auf kurze Zeit, die nicht nur optisch eine Spur hinterlässt. »Das hat etwas mit mir gemacht«, sagt das Model, »vor allem neugierig – und meine weibliche Seite hat mich angenehm an meine Tante erinnert«.
Das Bild hängt als Plakat im Laden der Visagistin, das Model wird erkannt und interessiert angesprochen, es gibt durchweg positive Resonanzen. Erst zwei Tage später geht es zurück in den ursprünglichen Look. Aber das Foto bleibt, und mit diesem die Chance, sich mit eigenen Impulsen beim Betrachten des Bildes zu beschäftigen.



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»Er sah grauenvoll aus«

Manchmal hat man Glück und entdeckt ein Buch von zeitloser Prägnanz wie Schönheit. Und kann nun immer wieder eintauchen in eine eigene Welt, die so verstört wie betört.

Kind als Engel verkleidet vor einem Lost Place

Text: Frank Keil
Foto: Gundula Schulze Eldowy

Männerbuch der Woche, 19te KW. – Die Fotografin Gundula Schulze Eldowy nähert sich in ihren Berliner Geschichten »Am fortgewehten Ort« den Tiefen des Lebens. Eine Entdeckung.

Zur Rezension

Eine Frage der Perspektive

Der kleine Kasten am Rande des großen Tempelsaals

Text und Foto: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Wie man das manchmal so macht in fremden Städten, selbst als kirchenferner Mensch: man schaut in eine solche, z.B. um kühlenden Schutz vor der Sommerhitze zu finden, um sich einigen leise anerkennenden »Ooohs« und »Aaahs« hinzugeben oder um einen Moment die Stille von der Hektik der Stadt zu genießen. Auf dem kurzen Weg durch den Saal dann ein kleiner schwarzer Blechkasten in einem Seitengang, etwas unscheinbar, sein Hals viel zu eng, da passen vielleicht wenige kleine Münzen auf einmal hindurch, Scheine sicher nur gut vorgefaltete. Und warum ist der Kasten so schwarz, dass man ihn zwischen dem vielen Prunk und Gold als hässlich und fast schon selbst beschämt wahrnimmt? Frühe Gerechtigkeitsimpulse werden wach, Fragmente vom Schein und Sein alles Religiösen und Weltlichen verdichten sich auf einer mehr als nur kurzen Achterbahn durch Hirn und Herz, wilde Aktionsideen blitzen auf, aber mir fehlen gerade kommentierende Mittel für eine anhaftend sichtbare Bemerkung. Und nach Passau komme ich so schnell nicht wieder.



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