»Auch Opfer, selbstverständlich!«

Das bundesweite Männerhilfetelefon berät betroffene Männer zu Bewältigungs- und Handlungsmöglichkeiten nach Gewalterfahrungen.

Ausschnitt Gesicht alter Mann

Text: Thomas Gesterkamp
Redaktion: Alexander Bentheim
Foto: Ruben Jacob, photocase.de (Symbolbild)

 
Gewalt gegen Männer ist ein besonders heikles Thema in der geschlechterpolitischen Debatte. Antifeministische Maskulinisten greifen das Thema auf und stilisieren sich gern zum Opfer. Sie verharmlosen die Tatsache, dass im häuslichen Umfeld überwiegend Frauen die Leidtragenden sind. Umgekehrt war es lange ein Tabuthema, dass manche Männer ebenso gewaltbetroffen sein können. Ein Pilotprojekt in Ostwestfalen bietet ihnen seit knapp vier Jahren Hilfe an.

Zum Beitrag

»Leidenschaftlich und zielstrebig in der Sache, aber auch vorsichtig, mit Rücksicht und behutsam.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Karl-Heinz Michels, Ruderting

Leitfragen: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Fotos (Ipomea tricolor, Portrait): Karl-Heinz Michels

 
Seit 1982 beschäftige ich mich in Männergruppen, auf Männertreffen, in antisexistischen Arbeitskreisen, in Seminaren über Männergewalt und in Beiträgen für verschiedene Männerzeitungen mit dem Thema Männlichkeit. Einige Jahre habe ich sogar beruflich in der Jungen- und Männerarbeit mein Geld verdient. In diese Zeit fiel auch das Ende »unserer« letzten Männerbewegungs-Zeitung »Moritz«. 1998 und 1999 habe ich im Alleingang versucht, mit »Moritz II.«, »äM für eine neue Männerkultur« und ein namenloses drittes Heft die Tradition, die mit »HerrMann« in den 1980er Jahren in Berlin begonnen hatte, zu retten. Damit sehe ich mich als Randfigur in der professionellen Männerszene, zähle mich selbst aber auf jeden Fall zu den Veteranen des Widerstands gegen die Männerherrschaft.

Der erste Mann meines Lebens, mein Vater, erlebte mit 15 den Zusammenbruch des Nazi-Reichs, war Maurer, ernährte mit seiner Arbeit eine bald 7-köpfige Familie, geriet aber vor lauter Arbeit schnell an den Rand, war der Außenposten in einer Familie von Mutter, drei Jungs, zwei Mädchen. 1950er Jahre, Nachkriegszeit: Wir alle in einem halben Bauernhaus in 2 Zimmern, Küche, Plumpsklo und Badewanne in der Scheune, etwas abseits des Dorfes (Mutter Flüchtling). Es war eng, niemand hatte ein eigenes Bett oder einen eigenen Platz, allein war man nur auf dem Klo. Jeder hatte ab einem bestimmten Alter seine Aufgaben im Haushalt, Garten, Acker. Ein warmer Stall, viel Nähe, viel Gefühl, auch viel Streit, Prügel, Arbeit. Ich war mit meinem 18 Monate älteren Bruder zuständig für den kompletten Abwasch, die jüngeren Geschwister beaufsichtigen, den Kartoffelacker, die Tiere (zwei Schweine, ein Schaf, viele Gänse, Enten, Hühner, Puten, Kaninchen, Katzen), die Kartoffelschalen jeden Abend zum Nachbarn zu tragen, dort Milch, Zeitung und manchmal Tomaten holen.
Junge? Männlich? Zuhause waren wir »die Jungs«. Beim Fußball und Eishockey und auf dem Schulweg nur Jungs. Zuhause waren »die Jungs« zuständig, wenn die Mutter nicht konnte: Windeln wechseln, wunde Kinderpopos cremen, pudern, Milchflaschen temperieren und verfüttern, abwaschen, fegen, Blumen- und Gemüsebeete jäten, Bohnen schnippeln, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Kirschen, Pflaumen, Äpfel ernten und verarbeiten … Jungs schon! Mädchen waren fremde Wesen oder kleine Geschwister in Windeln.

Diese laute und lebendige Kindheit ist mir trotz Armut eine schöne Erinnerung. Wäre da nicht am Rande dieser Vater, der Mann als Außenposten in diesem warmen Familienstall, einsam, unzugänglich, gewaltig, bedrohlich. Von daher wohl meine ersten Zweifel an Männern, Mannsein, Männlichkeit. Junge sein war selbstverständlich, hatte aber wenig mit dieser »Männlichkeit« zu tun, die Väter und Onkel damals vorlebten.

Dann die Jugend als kompletter Ausfall: Umzug aus dem warmen engen Stall in ein selbst gemauertes kleinbürgerliches Haus, jeder sein eigenes Bett, seinen Arbeitsplatz, rausgerissen aus der Dorfgemeinschaft der Kindheit. Die jüngste Schwester krank, behindert, dann mit 6 Jahren gestorben. In der Schule Außenseiter, Prolet, kein Bildungsbürger, Fußballer, sonst gar nichts. Wo sollte Jugend da stattfinden? Männlichkeit nur als Negativ des tobenden, brüllenden, schlagenden Vaters. Und im Begehren von unerreichbaren und fremden Mädchen. Bei der Bundeswehr noch schlimmer: Junge Männer, Prügel, Sauforgien und sexistische Sprüche pur. Ich setzte mich von diesen rohesten Formen von Männlichkeitsgebaren ab, war das Weichei, der Schwuli, der Gebildete, der Votzenlecker …. außer beim Fußball.

Mit diesem ausgesprochen negativen Männerbild geriet ich an der Uni in die Hoch-Zeit der Frauenbewegung: Frauen-WGs, Frauengruppen, Frauenhäuser, Frauenschutzräume gegen die Gewalt der Männer (ich hätte auch gerne so einen Schutzraum gehabt). Und: alle Männer sind potentiell Vergewaltiger, profitieren von der Unterdrückung der Frauen und vom Männer-Bonus – ich auch! Ich geriet in eine Welt, in der ich mich mit Frauen solidarisierte und von Männlichkeit immer weiter entfernte, ohne einen Ansatz für eine eigene andere männliche Identität zu finden. Und dann auch noch von Frauen beschuldigt, verlacht und ausgegrenzt wurde, Ina Deters Kampflied »Neue Männer braucht das Land« habe ich noch im Ohr.
Politisch und öffentlich überzeugter Antisexist, war ich privat und emotional als Mann kaum greifbar. Beziehungen mit Feministinnen mehr Schuld als Lust, nie von Dauer. Der klassische Softie?

Diese Leerstelle, wie ich denn sein könnte und sollte, der neue antisexistische Mann, eigentlich ein (negatives) schwarzes Loch, sehe ich heute in der Rückschau als Quelle für meine seit damals kontinuierliche Beschäftigung mit dem Thema Männer.

Abarbeiten dieser Agenda: Privat und ehrenamtlich in Männergruppen, kontinuierlich von 1982 bis 2002, seit 1985 bis 2012 fast jedes Jahr beim bundesweiten Männertreffen, 1985 bis ca. 1990 Arbeitskreis antisexistischer Männer, Beiträge in den Männerzeitungen »HerrMann«, »Informationsdienst antisexistischer Männer«, »Moritz«, »Switchboard«, Chronist und Fotograf auf den bundesweiten Männertreffen bis 2012, im Orga-Team des Männertreffens 1996 in Finsterau/Bayernwald. Beruflich Teamer bei antisexistischer Jungenarbeit in der HVHS Frille, Referent zum Thema Jungenarbeit in Bildungseinrichtungen, 1999 bis 2002 Einzelbetreuung von Jungen und jungen Männern in einem sozialtherapeutischen Jugendhilfeprojekt. Brotberuf Biolehrer, dort immer für die Sexualkunde zuständig, als Klassenlehrer stets an der Genderfrage orientiert. Ein anderes Männerbild vorleben.

Soweit aus meiner Biografie und zur Frage meiner Zugänge zu Jungen-, Männer-, Väterthemen. Meine Hauptthemen waren und sind jedoch Gewaltfreiheit, Ökologie und eine Alternative zu den vorgeschriebenen Lebenswegen unserer gewalttätigen Gesellschaft finden. Ein Kernzitat aus Karin Struck’s »Klassenliebe« (das erste »Frauenbuch«, das ich las) ist mir zu all dem noch wichtig und galt damals wie heute: »Ich denke, wenn das Verhältnis des Menschen zur Natur ein räuberisches ist, dann ist es auch das des Mannes zur Frau, und umgekehrt. Seit dem siebzehnten Jahrhundert spätestens ist das Verhältnis zur Natur ein total räuberisches, wohl historisch notwendig wie die Unterjochung des Proletariats. Ja? Und jetzt? Ist nicht schon längst der Zeitpunkt da, wo beide Unterjochungen anachronistisch sind?« (S.23).

Die Themen meiner »Männer«zeit waren (a) Männergewalt: gegen Kinder, Frauen, Homosexuelle, und (b) Sexismus = Diskriminierung, Benachteiligung, Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen, Mädchen und Weiblichkeit, inklusive eigener Positiv-/Negativ-Bilder von »Frau« und »weiblich«, d.h. eigene sexistische Vorurteile und Verhaltensweisen – deckt sich also ziemlich mit meiner Biographie.

Das Lager innerhalb der Männerbewegung, zu dem ich mich zählte und gezählt wurde: profilierter Antisexist mit offenem Ohr für Mythopoeten, Abgrenzung von Maskulinisten aller Art, Unterstützer des Feminismus. Anfangs war es die persönliche Betroffenheit, in Männergruppen, dann verstärktes Interesse an Öffentlichkeit, Diskurs und Profilierung einer antisexistischen männlichen Position; dabei Auseinandersetzung und Abgrenzung zu männerrechtlichen Positionen, Maskulinisten und anderen Versuchen, traditionelle Männerstereotypen wiederzubeleben und gegen die Frauenbewegung ins Spiel zu bringen.
Heute frage ich mich, ob angesichts der Komplexität und Vielfalt all meiner Beziehungen Geschlechtsidentität überhaupt noch von Bedeutung ist, und ob es nicht ein persönliches Moment gibt, sich daraus zu befreien und nur noch man selbst zu sein, mit weichen, harten, zweifelnden, lustvollen und selbstkritischen Anteilen.

Besondere Ereignisse in diesem Zusammenhang, die meinem Leben Sinn gegeben haben? Auf jeden Fall die Organisation und Durchführung des bundesweiten Männertreffens im O-Team 1996, männerpolitisch mein größtes Erfolgserlebnis. Und dann kommt schon meine Frau – jetzt im 35. Jahr meine Homebase für mein Leben als Mann?

Wichtig auch die Maueröffnung und Wiedervereinigung 1989/90 und die Erweiterung des bundesweiten Männerdiskurses durch »die ostdeutschen« Männer – endlich Männer, mit denen ich mich unbedenklich herzlich verstehe. Erst da wurde mir bewusst, wie stark auch in meinen (politischen) Männerbeziehungen mir der Klassismus immer schon Unbehagen beschert hat.

Eigenschaften, die mich in der Arbeit ausmachen? [1] »Verfolgt seine Ziele mit sanftem Ingrimm« (wie Holger Karl einmal bemerkte), kann aber auch hinschmeißen, wenn’s gar nicht passt. [2] Absolut zuverlässig, stur und treu. [3] Leidenschaftlich und zielstrebig in der Sache, aber auch vorsichtig, mit Rücksicht und behutsam. [4] Lange litt ich daran, dass ich mir meiner Männlichkeit nicht gewiss war. Heute schätze ich eher die Unsicherheiten als die Gewissheiten und genieße meine undefinierte Männlichkeit in der Schwebe über allen Normierungsversuchen.

Jetzt sehe ich in der Rückschau, wie aus dem harten antisexistischen Widerstandskämpfer gegen das Patriarchat ein gemütlicher alter Herr geworden ist. Jetzt glaube ich, dass ich bin, wie ich bin und kann mich über diese Geschlechter-Schubladen auch mal lustig machen. Dass ich männlich bin, spielt nur selten eine bewusste Rolle – ich halte mich nicht gern in einer Schublade auf. Und kaufe lieber mit meiner Frau Schuhe und Kleidung für sie – die Männerabteilungen sind dagegen so langweilig.
Ich habe es heuer geschafft, 1 von 9 Erdnüssen zum Keimen zu bringen, geerntet habe ich 5 Nüsse. Also keine Karriere als Erdnussbauer in Sicht.
Das bundesweite Männertreffen ist neben meiner SoLaWi / Solidarische Landwirtschaft die einzige Institution, der ich mich verbunden fühle.

Was die Männer ausgemacht hat, mit denen ich gerne zusammen war und zusammengearbeitet habe? Sie sind/waren für mich attraktiv, nahbar und leidenschaftlich an ihrer Sache. Und meine Lebensphilosophie: Ich bin geboren, das ist ein Geschenk, hier so zu sein, wie ich gerade bin.

In der Männerbewegung habe ich mich immer wieder gegen Professionalisierung und Gewerblichkeit abgegrenzt und gewehrt, weil ich alles als mein persönliches, idealistisches und privates Engagement betrieben habe und mich dann vereinnahmt und ausgenutzt fühlte. Negativbeispiel ist der Streit der Hamburger »MgM«-Männer mit »Jedermann« in Heidelberg – »Männer gegen MännerGewalt« als geschützter Markenname? Und die vielen Gespräche, wo es beim Netzwerken dann auch immer um Einkommensperspektiven, Gelder, Fördertöpfe ging. Naja, ich habe mich gottseidank ausklinken können, allerdings mit Verlusten.

Was mir in der Männersache eher Steine in den Weg gelegt hat? Dass wir sehr sehr unterschiedlichen Kulturen, Klassen, usw. entstammen und noch größere Interessenunterschiede haben – Männlichkeit ist eben doch keine per se einigende Idee. Und das ganze Gerede von Identität, Authentizität, Geltungssucht, das unsere Beziehungsfantasien hegemonialisiert. Da lerne ich umdenken.

Was mich antreibt? Nichts mehr. Ich bin Rentner und Pensionär und arbeite nur noch an selbstgewählten und »eigenen« Projekten, also ohne Antreiber und nicht mehr als Getriebener. Liebster Lohn für meine Arbeit sind gelungene herzliche Beziehungen.

Welches Projekt ich noch gerne umsetzen möchte? Mein Blumenbuch veröffentlichen und ein Blumenmuseum einrichten.

Und eine nicht gestellte Frage, die ich aber dennoch gerne beantworten möchte? Ja: Was war (bisher) meine größte Torheit im Feld von Männer- und Jungenarbeit? Zu glauben, es gäbe eine männliche Identität, nach der zu suchen und darüber zu streiten sich lohnte.
 
 

 
 
 
 
 
 
:: Karl-Heinz Michels, geb. 1952 im Emsland, verheiratet, keine Kinder. Berufe: Lehrer, SozialPädagoge, Fotograf, Schreiber, Rentner, Pensionär. Spezielles Interesse: Kulturgeschichte heimischer Blütenpflanzen. Und Erich Kästner’s »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es«

Männer und Trauma

Ursachen, Reaktionen, Beispiele und weitere Informationen des Arbeitskreis MännerGesundheit Hamburg

Mann hinter verregneter Glasscheibe
Texte: Frank Omland, Sigurd Sedelies, Dr. Wolfgang John, Detlef Gause, Alexander Bentheim
Foto: Z2sam, photocase.de (Symbolbild)

 
Alle Menschen können traumatische Erlebnisse erfahren haben. Das öffentliche Bewusstsein zum Thema »Männer und Traumata« ist aber eher gering ausgeprägt. Das gilt auch für viele Männer persönlich: Sie wissen oft nicht, ob sie ihren Wahrnehmungen und Empfindungen trauen können und wie sie belastende Erlebnisse bewerten dürfen.

In der anhängenden Dokumentation haben wir zentrale Erkenntnisse zu Ursachen und Reaktionsweisen von Männern auf ein Trauma zusammengestellt, erläutern Traumata anhand von Fallbeispielen und informieren über Hilfeangebote. Unsere Erkenntnisse sollen betroffene Männer und deren Angehörige bei der Suche nach Wegen aus schwierigen Situationen unterstützen. Wir hoffen, dass das gelingt.

Die Informationen unseres Arbeitskreis MännerGesundheit Hamburg (2003-2019) wurden für die Dokumentation im Herbst 2023 sowie für die Website aktualisiert.

Projekt »Männerschuppen« gegen Einsamkeit im Alter

Einladung der Stiftung Männergesundheit zur 2. Online-Konferenz am 04.12.23

zwei Männer auf einer Bank hinter einem alten Baum

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: inuit, photocase.de

 
Im Juni 2023 veranstaltete die Stiftung Männergesundheit erfolgreich eine Konferenz über »Männerschuppen« in Deutschland, einem Projekt, das dazu beiträgt, Einsamkeit zu überwinden und das Wohlbefinden vor allem älterer Männer zu steigern, etwa nach Eintreten des Altersruhestandes. Ziel ist, die Initiative »Men’s Sheds« zu unterstützen, die nach Erfahrungen vieler anderer Länder einen ausgesprochenen gesundheitsfördernden Aspekt hat. Angesichts des positiven Feedbacks und des regen Interesses an diesem Thema gibt es nun eine Fortsetzung, und zwar in einer 2. Online-Konferenz am Montag, 04.12.23, von 14-17 Uhr.

Auf dem Programm stehen – unter Leitung von Prof. Doris Bardehle, Koordinatorin des wissenschaftlichen Beirates der Stiftung – Impulsvorträge und Diskussionen zu verschiedenen Schwerpunkten und Fragen im Zusammenhang mit der Gründung und dem Betrieb von »Männerschuppen«, darunter: Wie gründe ich einen »Männerschuppen«? Wie kann man aus befristeten Projekten einen dauerhaften »Männerschuppen« profilieren? Welche Möglichkeiten bieten Mehrgenerationenhäuser zur Gründung von »Männerschuppen«? Wie können Männernetzwerke, Seniorenbüros, Krankenkassen, Abgeordnete, Kirchen, Fachgesellschaften, Hochschulen »Männerschuppen« unterstützen? Wie sollte die Gesundheitsförderung integriert werden und können gesundheitsfördernde Effekte bemessen werden?

Die Registrierung ist kostenfrei und erfolgt per eMail. Alle weiteren Infos, ein Flyer, das Programm und die Anmeldemöglichkeit gibt es hier.

»Aus dem Tagebuch eines Blindgängers«

Jürgen Flegers »Schmunzelgeschichten aus dem lichtleeren Raum« als Verständigungsangebot für sehende Menschen.

Text: Alexander Bentheim
Foto: ozzuboy, photocase.de

 
Für sehende Menschen ist es oft ein Rätsel: Wie kann man ohne Augenlicht überleben? »Ganz gut!«, findet Jürgen Fleger, »hilfreich ist allerdings, wenn man genügend Erfahrungen sammeln konnte und ein paar Tricks und Kniffe gelernt hat«.
Jürgen Fleger ist seit gut 30 Jahren komplett blind und weiß, wovon er spricht. Denn er ist schon recht viel herumgekommen in der Welt. Alleine, oder in Begleitung seiner Blindenführhunde, hat er fast alle Länder Europas bereist, war auch in Indien, Nord- und Südamerika. Und hat von überall her »wirklich erlebte« Anekdoten mitgebracht, in denen er kurzweilig und mit Humor beschreibt, was einem blinden Menschen passieren kann, wenn er offenen Ohres durch’s Leben geht. Er beschreibt Erlebnisse, in denen es mal lustig und mal schon einigermaßen gefährlich zuging. Dabei erklärt er anschaulich, wo die Probleme für blinde Menschen liegen können und macht sehenden Menschen Lust, nochmal über ihre bisherigen Strategien für Hilfsangebote nachzudenken. Jürgen Fleger nimmt mit in seine unsichtbare Welt und gibt praktische Tipps, wie jede*r blinde Menschen im Alltag gut unterstützen kann.

Zur Geschichte

»Du machst mir Angst!«

Neues Video der Männerberatung der AWO Werra-Meißner und des Institut NoMos im YouTube-Kanal »Täterberatung Häusliche Gewalt«

Clown mit Maske im Halbdunkel

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: Alexander Bentheim

 
Angst kennt jeder. Niemand will sie spüren. Weil sie mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein verbunden ist. Werden diese Gefühle ersetzt und überlagert mit Aggression und Gewalt, lösen sie Verunsicherung und genau diese Ängste aus bei jenen, die man liebt oder die einem sonst wichtig sind: Partner*in, Kinder, Angehörige.
Ralf Ruhl, Männerberater der AWO im Werra-Meißner-Kreis, und Robert Moos, Täter*innenberater beim Institut NoMos, zeigen in ihrem neuen Video:
_ welche Wirkung Angst auf die körperliche, seelische und soziale Gesundheit hat,
_ welche psychischen und sozialen Ursachen hinter angstauslösendem Verhalten stecken,
_ wie man* einen Weg aus diesem schmerzhaften Kreislauf finden kann.

NEU: »Du machst mir Angst!« (6’18“)

Die weiteren Videos als Einzelbeiträge:
:: Empathie – So lernst du Mitgefühl (4’54“)
:: Du hast es in der Hand – Vorstellung des Tutorials (4’30“)
:: Dein Krisenthermometer (4’04“)
:: Wut, Kränkung, Provokation (4’13“)
:: Dein Notfallplan (3’25“)
:: Bilanz und Konsequenzen der Tat (6’56“)
:: Gewaltspirale und Kreislauf der Liebe (6’40“)
:: Kinder und Häusliche Gewalt (5’23“)
:: Häusliche Gewalt und Kinder – Experte Manuel Schwab (7’09“)
:: Verhalten entsteht im Kopf (3’45“)
:: So gelingt Kommunikation (6’32“)
:: Wenn die Polizei kommt (7’25“)
:: Paardynamik (7’55)

Zum Videokanal Täterberatung Häusliche Gewalt mit allen Beiträgen

Verletzte Helden

Über Depressionen als zunehmendes Männerproblem und ihre Behandlungsmöglichkeiten.

Ein Mann versteckt sich hinter einem Kissen an einer Wand

Text: Ralf Ruhl
Foto: Andreas Siegel, photocase.de

Männer verbergen eine Depression oft hinter Schweigen oder Aggression. Sie wollen sie nicht wahrhaben, sind aber besonders gefährdet, insbesondere in Hinsicht auf soziale Isolation, Sucht und Suizid. Dr. med. Jens-Michael Wüstel zeigt in seinem Buch männerspezifische Auswege und Bewältigungsstrategien.

Zur Rezension

Erektion auf Rezept

Vor 25 Jahren wurde das Potenzmittel Viagra zugelassen, damals eine pharmazeutische Sensation. Medizin und Sexualtherapie streiten aber bis heute über die Wirksamkeit.

ein Mann macht eine Fingerbewegung für einen Größenvergleich

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: fabsn, photocase.de


Erektionsprobleme sind nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu. Den betroffenen Männern sind ihre Schwierigkeiten oft peinlich, sie reden darüber nicht mal mit engen Freunden. Stattdessen kaufen und schlucken sie heimlich potenzfördernde Mittel, oft ohne jede medizinische Beratung. Dieser rein pharmakologische Zugang war wissenschaftlich stets umstritten. Wichtiger als die Einnahme von Medikamenten sei die psychische Auseinandersetzung mit den eigenen Schwierigkeiten, kritisieren vor allem Sexualtherapeuten. Hinter der Kontroverse steckt auch die Rivalität der heilenden Professionen. Während die Medizin auf physiologische Befunde wie verengte Blutgefäße verweist, betont die Psychologie die vorrangige Rolle der Seele. Zum Wesen der Sexualität gehöre ihre Unkalkulierbarkeit, kein Mann könne die körperlichen Anzeichen von Erregung willkürlich hervorrufen.

Zum Beitrag

Tage wieder dieser eine hier

In guten wie in schlechten Tagen will man füreinander da sein, das sagt man so. Aber was, wenn es so weit ist, dass der andere einen existentiell braucht?

Beine von zwei älteren Menschen

Text: Frank Keil
Foto: pontchen, photocase.de

Männerbuch der Woche, 14te KW. – Die große Helga Schubert gibt in ihrem bewegenden Stundenbuch »Der heutige Tag« vielfältige Auskünfte über ihr Leben als nicht nur ihren Mann pflegende Schriftstellerin.

Zur Rezension

»Herr Süfke, wieso arbeiten Sie in Teilzeit?«

Interviews, die ein bisschen sind wie Achterbahn-Fahren: eine perverse Freude beim ersten Mal, aber auf Dauer wird einem schlecht davon.

Achterbahn

Text: Björn Süfke
Foto: pepipepper, photocase.de

Telefonanruf Journalist*in: »Herr Süfke, darf ich Sie ganz direkt fragen: Wieso arbeiten Sie in Teilzeit?«
Ich: »Weil wir drei Kinder haben.«
Journalist*in: »Ja, ich weiß … ich meinte natürlich: Was ist Ihre Motivation, in Teilzeit zu arbeiten?«
Ich: »Naja, würde ich Vollzeit arbeiten, wären ja die Kinder alleine zuhause …«
Journalist*in: »Nein … also: Ja, sicher! Aber ich meine eher Ihre ganz persönliche, ganz emotionale Motivation?«
Ich: »Ah, Emotionen, das ist gut, das gefällt mir. Warten Sie … Ich schätze, dass ich einfach Angst habe, dass das Jugendamt käme, wenn ich die Kinder alleine zuhause ließe. Außerdem widerspräche das meinem Anspruch an …«
Journalist*in (unterbricht): »Nein, das ist klar, natürlich können die nicht alleine zuhause bleiben … ich meinte: Warum haben Sie entschieden, die Kinder mit ihrer Frau 50/50 zu betreuen?«
Ich: »Äh … weil das unsere gemeinsamen Kinder sind.«
Journalist*in: »Ja, verstehe ich … mich interessieren Ihre Gründe, warum Sie überhaupt …«
Ich (unterbreche): »Ach so, Sie meinen meine Gründe, warum ich überhaupt Vater werden wollte. Ja, das ist tatsächlich mal eine spannende Frage: Warum macht man das? Also, ich im Speziellen … Nun, ich schätze, bei mir war es vor allem …«
Journalist*in (unterbricht): »Ja, das stimmt, das wäre tatsächlich interessant, aber meine Redaktion möchte einen Artikel speziell über Teilzeit bei Vätern und dafür müsste ich wissen, wieso Sie persönlich sich dafür entschieden haben?«
Ich: »Entschieden? Was meinen Sie mit entschieden? Als meine Frau und ich zusammengezogen sind, haben wir doch auch nicht entschieden, die Miete zu teilen. Eine Entscheidung wäre es, die Miete vollständig allein zu übernehmen, vor allem bei diesen Miet …«
Journalist*in (unterbricht): »Okay, vergessen Sie mal den Begriff entscheiden! Unsere Zeitung möchte Ihnen einen Preis verleihen Aktiver Vater des Monats und dafür bräuchte ich ein paar Worte zu Ihrer Entscheidung … also, Ihrer … äh …«
Ich: »Ein Preis? Für mich? Das ist ja großartig, dann könnte ich das so machen wie Marlon Brando damals bei den Oscars … Ich schicke dann einfach eine alleinerziehende Mutter mit 4 Kindern und 3-Zimmer-Wohnung, die auch Teilzeit arbeitet, die kann dann den Teilzeit-Preis in meinem Namen entgegennehmen … Hallo? Sind Sie noch da?«

Boah, einfach aufgelegt … vielleicht hätte ich das mit Marlon Brando nicht sagen sollen …

Meine Frau: »Wer war denn dran?«
Ich: »Ach, es wollte wieder jemand wissen, warum ich Teilzeit arbeite.«
Meine Frau: »Mein Güte, dass diese Snobs sich nicht vorstellen können, dass wir dein Gehalt einfach brauchen.«

Björn Süfke lebt in Bielefeld und arbeitet als Männertherapeut und Autor. Infos zu Büchern, Vorträgen und mehr finden sich auf seiner Website. News zu seiner Arbeit gibt es auch auf seinem Instagram-Profil.