»Männer mögen es, wenn sie etwas härter dargestellt werden, als sie in Wirklichkeit sind.«

Die Close-Up-Portraits der Fotografin Ina Buskens

Portrait Mann Titel Ina

Interview: Alexander Bentheim
alle Fotos: Ina Buskens
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«, #18

Close-Up-Portraits, die »nah dran« oder »hautnah« fotografiert werden, brauchen Vertrauen auf beiden Seiten der Kamera, viel Vertrauen, manchmal überhaupt erst den Mut dazu. Und sie leben eben dadurch, wenn sie genau dies zeigen: Echtes, Einzigartiges, oft auch Privates, zuweilen Intimes. Ina gelingt genau dies: den Männern nahe zu kommen ohne aufdringlich zu sein, und die selbst vielleicht auch nicht zeigen würden, was sie in den Bildern nachdenklich oder auch verletzlich erscheinen lässt, wäre da nicht die Fotografin, die einen passenden Zugang offenbar gefunden hat. Sich einzulassen ist nicht selbstverständlich, aber eine Bereicherung für alle Seiten, wenn es gelingt, den Kreis des Vertrauens zu schließen.
Ina habe ich im September 2015 kennengelernt, und seitdem freue ich mich immer wieder über ihre neuen Portraits, die zugleich einer mir höchst angenehmen und vertrauten Bildsprache folgen. Nun war es endlich an der Zeit, ihr einige Fragen zu stellen.

Ina, wie bist du zur Fotografie gekommen?
Mit 50 habe ich mir meine erste »vernünftige« Kamera (Bridge) gekauft. Mich faszinierten Detailaufnahmen, Makros von Pflanzen, Tieren, Strukturen. Nach einiger Zeit merkte ich aber, dass mich diese Art zu fotografieren einsam machte. Ich war ständig alleine unterwegs, man war nicht wirklich begeistert davon, mit mir durch das Unterholz zu streifen und Ewigkeiten um einen Busch herumzuschleichen, nur um ein Bild einer Fliege einzufangen.
Durch eine Einladung zu einem Aktworkshop kam ich zur »Menschenfotografie«. Ich merkte damals, dass ich die Fähigkeit habe, recht zügig Kontakt zu meinem Gegenüber aufzunehmen. Ich komme sehr schnell mit Menschen auf eine Wellenlänge. Ich schaffte es während eines »Rudelshootings« bei dem »Model«, das einzige und ehrliche Lachen des ganzen Tages auf ihr Gesicht zu zaubern.
Erst 5 Jahre später habe ich dann die Leidenschaft zur Portraitfotografie entwickelt. Ich fotografiere vorwiegend Männer.

 
(Slideshow by click on pic)

 
Wo findest du die Männer, die du portraitierst?
Anfangs habe ich auf Facebook Männer kontaktiert, deren Gesichter mir zugesagt haben. Irgendwann kam dann auch Instagram dazu. In der Zwischenzeit hat sich da nicht sehr viel geändert. Ich hoffe immer noch, dass mit der Zeit die Mundpropaganda als Hauptfindungsquelle heraussticht.

Musst du die Männer zum Foto überreden, oder sind sie selbst schnell bereit dazu?
Männer sind einfacher zu händeln als Frauen. Zum größten Teil sind sie mit ihrem Aussehen zufrieden. Da meine Bilder durch meine Bearbeitung die Menschen nicht unbedingt jünger machen, kommen sie auch mit diesen Bearbeitungsergebnissen eher klar.

Deine Portraits zeigen die Männer meist im Halbdunkel, harte Kontraste spielen oft auch eine Rolle, ebenso schwarzweiß. Was bewegt dich, sie vorzugsweise in diesem Stil zu fotografieren?
Mir ist es wichtig, mich auf das Wesentliche zu beschränken. Eben auf das Gesicht des Models. So wenig Licht wie möglich und so viel wie nötig. Farben lenken m.E. vom Hauptmotiv ab. Deshalb sind 99 % meiner Bilder in SW gehalten. Übrigens habe ich das Gefühl, dass Männer es durchaus mögen, wenn sie etwas härter dargestellt werden, als sie in Wirklichkeit sind.

Interessieren dich auch die Biografien der Männer, die du fotografierst, oder reicht dir der bildliche Ausdruck von ihnen?
Mich interessiert die Biografie eines jeden Menschen. Ich bin eine gute Zuhörerin. Ein Shootingtermin dauert bei mir recht lange. Meistens treffe ich die Menschen vorher zum Gespräch. Das MUSS sein. Ich nehme mir Zeit für die Menschen. Nur wenn sie sich bei mir wohl fühlen und genügend Vertrauen zu mir gefasst haben, können meine Bilder entstehen. Also, man muss schon mit bis zu vier Stunden pro Shooting rechnen. Auf jeden Fall beim ersten Termin. Wenn man sich schon einige Male getroffen hat, kommt man natürlich schneller zum Thema 😉

Wo fotografierst du die Männer? Kannst du ein Studio nutzen?
Ich habe die Möglichkeit, in meinem kleinen Home-Studio zu fotografieren. Dort kenne ich das Licht, weiß was ich machen kann. Hin und wieder, aber sehr selten, fotografiere ich auch draußen, wobei ich da die Ergebnisse, die ich haben möchte, meistens nicht erreiche. Es gibt leider (oder zum Glück) wenige solche dunkle Ecken in unserer Welt 😉

Hast du einen Lieblingsmenschen, den du gern fotografierst?
Einen Lieblingsmenschen? Nein, das kann ich so nicht behaupten. Manche dieser Models sind in der Zwischenzeit richtig gute Freunde für mich geworden. Ich behaupte mal, die Portraitfotografie ist wie ein spannendes Buch zu lesen. Ich lese ein Buch auch gerne zweimal. Es muss aber schon extrem schwierig oder spannend sein, damit ich es ein drittes Mal in die Hand nehme. Dann lese ich lieber ein neues Buch und lasse mich auf die neue Geschichte ein. Beim ersten Shooting ist es sehr spannend zu sehen, zu welchen Ergebnissen man kommt. Spannend für beide. Beim zweiten Shooting weiß ich eigentlich schon ungefähr, welche Bilder, welche Lichtstimmungen ich einfangen will. Beim dritten ist es nur noch Inszenierung. Und das mag ich nicht.

Mit welchem Blick schaust du auf Männer, mit welchem auf Frauen – die du ja auch fotografierst? Was ist gleich, was ist anders für dich als Fotografin?
Wenn man fotografiert, vor allem Portraits und sehr oft Close-Ups wie ich es tue, kann man nicht mehr normal sehen. Immer ist im Hinterkopf der Gedanke, wie könnte ich diese Person fotografieren, wie kann ich die Züge dieses »Wesens« einfangen. Manche(r) Fotograf(in) findet es einfacher, Frauen zu fotografieren. Ich bin genau der gegensätzlichen Meinung. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Frauen auf Bildern so aussehen möchten, wie sie in Wirklichkeit sein möchten. Das ist bei Männern meistens nicht der Fall. Sie akzeptieren, wie sie aussehen. Manchmal kommt der Spruch: »Jetzt weiß ich, wie ich in 10-20 Jahren aussehen werde«. Von Zeit zu Zeit werden Bilder von mir als »Rohmaterial« behandelt. Ich tobe mich dann gerne daran aus. Diese Bilder haben dann allerdings mit der Realität nicht mehr sehr viel zu tun. Die Menschen sehen dann sehr viel älter, härter, eckiger und kantiger aus.

Möchtest du etwas erreichen mit deinen Bildern? Was?
Mit meinen Shootings bzw. meinen Bildern möchte ich einiges erreichen. Als erstes der persönliche Aspekt: Für mich ist die Fotografie eine Möglichkeit, wenn nicht sogar DIE Möglichkeit, mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen. Ich liebe es, mich zu unterhalten oder Unterhaltungen zu lauschen. Und sehr oft fällt mir nach einem Shooting auf, wie glücklich ich eigentlich sein sollte, bei den Schicksalen, die mir oft erzählt werden.
Und der andere Aspekt ist die Zufriedenheit des fotografierten Menschen. Sehr viele Menschen, die nicht »modelmäßig« vor der Kamera stehen, empfinden sich als nicht fotogen. Und genau das Gegenteil möchte ich beweisen. Ich möchte zeigen, dass jeder Mensch seine ureigene Schönheit hat. Wenn ich diese aufzeigen kann, dann hat sich für mich das Shooting »gelohnt«.

Was macht dich glücklich in der Fotografie?
Glücklich macht mich der Moment, in dem die Menschen, die vorher ziemlich »klein« zu mir kamen, mit geradem Rücken und einem Lächeln im Gesicht mein Studio verlassen. Einfach gesagt: Es macht mich glücklich, Menschen glücklich machen zu dürfen oder es sogar zu können.

 
Ina Buskens, Jg. 1958, lebt und arbeitet in Duisburg. Ihre Bilder, von denen hier nur ein sehr kleiner Teil zu sehen ist, sind zu finden in ihren Accounts bei Facebook sowie bei Instagram. Wer sich von Ina fotografieren lassen möchte, darf gern Kontakt aufnehmen und die Konditionen erfragen.

Schatzsuche mit Goldsteinen

Ruphus Bo Wollberg über sein 3-Wochen-Praktikum im Spielhaus Wagrierweg, einer Niendorfer Einrichtung für Kinder mit einem Betreuungsangebot auch im Nachmittagsbereich

Bernstein im Sonnenlicht

Interview: Alexander Bentheim
Foto: Obivan, photocase.de

Ruphus, du hast dich im letzten Jahr für ein 3-Wochen-Schulpraktikum im Spielhaus Wagrierweg entschieden. Warum?
Ich fand es eine gute Idee, dass ich etwas mit Kindern mache, da ich mich auch vorher schon immer gefreut habe, wenn ich spielerisch mit Kindern zu tun hatte.

Was waren deine Aufgaben und Tätigkeiten?
Hauptsächlich habe ich auf die Kinder aufgepasst. Manchmal bin ich mit ihnen und Mitarbeiterinnen auch vom Spielhaus zu einem Spielplatz in der Nähe gegangen, ebenso habe ich ab und zu bei den Hausaufgaben oder beim Essen geholfen. Ich habe auch geschaut, dass es keine Streitigkeiten gibt, und wenn doch, dann habe ich schlichten geholfen.

Was hat dich am meisten beeindruckt während deiner Mitarbeit?
Am meisten hat mich tatsächlich beeindruckt, dass die Kinder – obwohl ja wirklich noch sehr jung – schon relativ gut als Team funktionierten. Also sie konnten schon recht gut miteinander interagieren, und sie haben sich zugehört. Klar, es gab hier und da mal ein paar Schwierigkeiten, aber insgesamt haben die sich gut miteinander verstanden.

Mit wie vielen Kindern hattest du zu tun und in welchem Alter waren diese?
Ich hatte quasi zwei Schichten am Tag, eine am Vormittag mit Kindergartenkindern, eine am Nachmittag mit Kindern auch im Grundschulalter. Ich hatte am Tag mit ca. 10 Kindern zu tun, die waren zwischen 3 und 6 Jahren, nachmittags auch bis 7 oder 8 Jahre alt.

Was hat dich überrascht, das du zuvor nicht gewusst hast?
Dass er deutlich anstrengender ist, der Job als Erzieher, als ich vorher gedacht habe.

Was hast du gelernt, wovon du sagst: das nehme ich mit aus diesen 3 Wochen?
Also wenn ich später Kinder haben sollte, dass ich auf jeden Fall Geduld aufbringe, weil vieles eben nicht einfach und schnell von der Hand geht.

Würdest du irgendetwas von dem, was du im Praktikum erlebt hast, noch verbessern oder auch anders machen
Ich würde gerne mehr Innenaktivitäten machen, aber das war jetzt wegen Corona wohl nicht möglich. Ich war eigentlich nur draußen mit den Kindern.

Fühltest du dich insgesamt wohl in der Einrichtung, mit den Kindern, mit der Anleitung?
Wohl auf jeden Fall, es war nur ein bisschen stressig und manchmal auch nervig, Kindern Dinge zu erklären, auch mehrfach, die halt erklärt werden müssen. Dass einige Kinder da manchmal etwas schwer von Begriff waren und nicht beim ersten Mal verstanden, was ich meine, das war schon anstrengend und auch zeitaufwändig.

Hast du noch ein Beispiel für ein Angebot, wo die Kinder richtig neugierig und begeistert waren?
Wir hatten mal die Aufgabe, einen »Piraten«-Tag mit den Kindern zu machen. Da hatten wir die Idee, wir sammeln große Steine, machen die sauber und malen die dann mit Goldfarbe an. Danach haben wir eine Schatzsuche gemacht und alle Kinder haben sofort gesagt: »Ja, da bin ich dabei!« Das war echt süß, wie alle gesucht haben auf dem Gelände, wo ein Goldstein versteckt sein könnte.

Würdest du die Arbeit anderen empfehlen? Und welche Voraussetzungen bräuchte jemand für diese Arbeit deiner Meinung nach?
Empfehlen würde ich auf jeden Fall, dass man geduldig ist und auch einiges tolerieren kann, weil die Kinder manchmal halt sehr zickig sein können. Aber wenn man damit klarkommt, würde ich diese Arbeit auf jeden Fall empfehlen.

»Man kann Kinder für das Aufräumen ein bisschen austricksen«

Martin Tolkmitt, 13, Schüler der Stadtteilschule Niendorf und Teilnehmer am Halbjahreskurs »Soziale Jungs vor Ort«, über seine Mitarbeit im Kinderhaus »Fliewatuut«.

2 Kinder spielen im Matsch

Interview: Alexander Bentheim
Foto: suze, photocase.de

Martin, was hat dich am meisten beeindruckt während deiner Mitarbeit?
Dass wir tatsächlich viel mit den Kindern gespielt und sie beschäftigt haben, was ich zuerst gar nicht als richtige Hilfe gesehen habe. Ich dachte, spielen bedeutet nicht so viel, aber doch, darüber kann man ja Vertrauen herstellen.

Mit wie vielen Kindern hattest du zu tun und in welchem Alter waren diese?
Das waren so bis zu 15-16 Kinder, im Alter von 2 bis 6 Jahre.

Was hat dich überrascht, das du zuvor nicht gewusst hast?
Dass ein Kind einfach zu weinen anfängt, nur weil es mich sieht. Also das war in einer Situation, wo wir fangen spielen wollten, und plötzlich weinte der Junge los. Vielleicht war ihm das zu plötzlich mit dem Spiel, obwohl ich mich schon bemüht hatte, nicht zu schnell zu sein. Aber nach kurzer Zeit war das vorbei. Ach ja, und dass manche Kinder richtig gewalttätig sein können, also dass sie Spielzeug nehmen und dich damit schlagen oder an deinen Klamotten ziehen. Dann habe ich zwar »Stop!« gesagt, aber so richtig zugehört hat wohl niemand. Erst als die Erzieherin dazu kam, haben sie aufgehört. Ich muss wohl etwas strenger werden. Oder konsequenter. Überhaupt mussten wir aber auch aufpassen, dass sie sich nicht verletzen, weil sie schon ein bisschen wild waren.

Was hast du gelernt, wovon du sagst: das nehme ich mit aus dieser Zeit?
Dass man mit den Kindern nicht sofort losspielen kann, sondern warten muss, bis sie zu dir kommen. Ich wollte eine Verbindung herstellen zu einem Kind, aber das war etwas schwierig, weil ich ja neu war und unbekannt für das Kind. Da muss man erstmal etwas anderes machen und warten, bis sie zu dir kommen und dann kannst du fragen: »Na, willst spielen?« Man muss sich halt langsam kennenlernen.

Würdest du etwas verbessern wollen oder anders machen?
Ja, vielleicht nicht so sehr nur mit den Kindern spielen, sondern ihnen auch beibringen, nicht so wild zu sein. Was ich aber nicht geschafft habe … vielleicht bin ich ja zu nett und wollte keinen »bösen« Eindruck vermitteln. Und ich hätte gern noch etwas mehr Anleitung gehabt, was wir mit den Kindern machen sollen. Am Anfang hab ich viel gefragt, was wir mit denen machen, aber da gab es nicht so viele Antworten. Wir sollten wohl selbst herausfinden, was wir alles machen können.

Fühltest du dich insgesamt wohl in der Einrichtung, mit den Kindern?
Zuerst war es ungewohnt, weil ich vorher noch nie – also als schon etwas Älterer – in einer Kita war. Da habe ich so viele Kinder gesehen und wusste nicht genau, was ich mit denen nun machen soll. Es war alles neu, aber mit der Zeit habe ich mich schon wohlgefühlt und es war dann alles einfacher.

Hast du ein Beispiel für ein Spielangebot, bei dem die Kinder richtig neugierig oder begeistert waren?
Neugierig weiß ich jetzt nicht so, aber die haben oft Fangen gespielt mit uns, und sie haben damit auch angefangen, und Bela – mit dem zusammen ich im Kinderhaus war – und ich haben dann halt mitgemacht. Dann haben sie uns erwischt, aber wir sind auch wieder rausgekommen und dann gab es viel Geschrei. Da war dann natürlich viel Begeisterung und Spaß dabei.

Würdest du diese Arbeit anderen Jungs empfehlen? Und welche Voraussetzungen bräuchte jemand deiner Meinung nach dafür?
Man braucht auf jeden Fall Geduld. Am Anfang war es ja so, dass wir darauf warten mussten, dass die Kinder auf uns zukommen, nicht umgekehrt. Und man braucht etwas Mut, mit ihnen zu sprechen, weil man ja bei dem Altersunterschied nicht gleich weiß, wie man sie ansprechen kann, vor allem wenn man keine kleinen Geschwister hat. Und man sollte nicht schnell reizbar sein oder wütend werden, nicht alles persönlich nehmen, weil man ja auch ein Vorbild sein soll. Das brauchte uns auch nicht gesagt werden, denn das haben wir schon selbst schnell gemerkt, dass man sich vorbildlicher verhalten muss.

Gab es Kinder, mit denen du mehr anfangen konntest als mit anderen?
Am Anfang fand ich manche aggressiver und manche netter. Aber eigentlich waren sie alle ganz lieb, wenn wir sie dann besser gekannt haben. Über das gemeinsame Spielen mochten wir dann alle gleich gern.

Gibt es noch etwas, das du erwähnenswert findest?
Man kann die Kinder für das Aufräumen, was ja niemand gerne macht, austricksen: indem man sagt, dass es ein Spiel ist, und wer mehr aufräumt, der gewinnt. Dann kann man einfach dabeistehen und die Kinder räumen schon alles auf. Bela hat jüngere Geschwister und daher weiß er, wie man das richtig ansprechen kann, so mit einem leicht kindlichen »Dialekt« 🙂

»Kontinuität erleben und damit Selbstvertrauen für das Leben entwickeln«

Christian Herzog über seine Arbeit mit Jungs im Hamburger Stadtteil Bramfeld und warum er gerne auch mit jugendlichen Honorarkräften zusammenarbeitet.

drei Jugendliche sitzen vor einem Holzhaus

Interview: Alexander Bentheim
Foto: møt, photocase.de

Christian, du leitest seit Dezember 2018 die SGA Bramfeld. Was sind deine Kernanliegen in der Arbeit mit Jungen und Jungengruppen?
Ganz niedrigschwellig ausgedrückt: dass die Jungen lernen, ihre Interessen auszudrücken, auszuhandeln und Kompromisse zu finden. Und dass sie mich als Erwachsenen kennenlernen, den sie so nicht in ihren gewohnten Kontexten Familie und Schule haben, und mit dem sie auch anders als oft üblich reden und umgehen können.

Mit wie vielen Jungen hattest du bislang zu tun und in welchem Alter waren oder sind sie?
Angefangen habe ich mit 16 Jungen, und so viele waren es eigentlich auch immer, jedoch hab‘ ich recht bald zwei kleinere Gruppen aus ihnen gebildet. Dann hat es sich herumgesprochen, was wir in den Gruppentreffen machen, und dadurch haben auch andere Jungen die Einrichtung hier kennengelernt. Mit etwa 25 Jungen und Jugendlichen stehe ich seit Beginn im Kontakt, vereinzelt sind mittlerweile auch Mädchen dabei. Die Jungs waren zwischen 11 und 13 Jahre alt, jetzt sind sie zwischen 14 und 16. Die ersten Gruppen werden demnächst enden, und wenn ich eine neue Gruppe anfange, sind sie wieder 11-13 Jahre alt. Für die dann Ehemaligen werde ich aber noch ein Angebot für einmal im Monat stricken, den »Langen Freitag«, der ihnen ermöglicht, noch herzukommen. Weil, die sind es einfach gewohnt, sich nach der Schule hier Brötchen abzuholen, die ich vom Bäcker bekomme, und das wird weiterhin Bestandteil meines Angebots sein.

Kommen sie alle hier aus dem Stadtteil?
Die meisten Jungs gehen hier auf die »Dorfplatzschule« und wohnen in Bramfeld, teils auch in Farmsen. Mein Ansatz ist ein lebensweltlicher Ansatz: sobald die Jungs mit Bramfeld zu tun haben in irgendeiner Weise, ist die SGA offen für sie. Ich kriege auch Anfragen vom Jugendamt, ob ich mich um einzelne Fälle kümmern kann, und auch das mache ich. Diese Jungs gehören dann zwar nicht zu den Gruppen, aber ich war auch schon mal bei einem Familienrat dabei, weil ein Jugendlicher auf mich aufmerksam wurde und mich darum bat, dazu zu kommen.

Dann bist du mittlerweile so etwas wie ein Bezugspunkt für manche Jungs …
Also eigentlich bin ich hier so eine Art Anlaufstelle. Und mitbedingt oder auch verstärkt durch Corona habe ich mittlerweile auch einen sehr engen Kontakt zu bestimmten Schulen, ich stehe in einem guten Austausch zu den Vertrauenslehrer*innen auch von Farmsener Schulen.

Zu den Jungs, die bei dir als Honorarkräfte arbeiten können: Welche Aufgaben und Tätigkeiten vergibst du an sie, was erwartest du von ihnen, was können sie lernen?
Ich bin immer auf der Suche nach männlichen Jugendlichen oder jungerwachsenen Männern, so ab 17 Jahre aufwärts, die Interesse daran haben, sich in einem sozialen Beruf auszuprobieren. Auch dafür ist die SGA da, dass Interessierte die Gruppentreffen mit mir gestalten oder Ferienprogramme mit vorbereiten oder Ausflüge mitmachen und Aktionen planen. Ich nehme immer gerne Honorarkräfte mit ins Boot, im letzten Jahr hatte ich vier, gerne auch mit den Kompetenzen, die sie mitbringen. Einer ist z.B. handwerklich sehr begabt, der andere spielt Eishockey, und danach baue ich die Angebote auch gerne auf oder die Ausflüge. Ich achte dabei sehr darauf, dass sie das im geschützten Rahmen machen, dass ich immer dabei bin und dass ich das Meiste der Vorbereitungen übernehme. Sie sollen sich ausprobieren können und ich stehe hinter ihnen und halte ihnen den Rücken frei. Übrigens auch die, die gerne etwas vermitteln oder beibringen möchten, können sich im Rahmen eines Lernförderprogramms ebenso bei mir melden. Ich bin in der glücklichen Lage, dafür extra Fördermittel zu haben.

Was hat dich am meisten beeindruckt während deiner Anleitungen?
Die Zuverlässigkeit. Und die innere Verbindung in deren Arbeit mit den Jungs zu meiner Arbeit. Ja, auch das Durchstehen von Frustmomenten, und tatsächlich manchmal auch die Souveränität, mit der die jungen Honorarkräfte alles angehen, das hat mir echt gut gefallen.

Was hat dich überrascht, wovon du zuvor nicht gewusst hast? Bei den Jungen und bei dir selbst?
Wenn ich mich zum Beispiel ad hoc mal um einen einzelnen Jungen kümmern musste, auch rausziehen musste, und meine Honorarjungs mir dann den Rücken frei gehalten haben. Ich hatte mal die Polizei hier, weil einer der Gruppenjungs beim Klauen erwischt wurde, und ich musste mich von jetzt auf gleich darum kümmern. Da konnte ich den Gruppenprozess meinen Honorarjungs einfach vertrauensvoll übergeben und sie haben das übernommen und richtig gut gemanagt.

Hast du ein Beispiel für eine Maßnahme oder ein Ereignis, wo deine Anleiter-Jungs richtig neugierig und begeistert waren?
Ja, wenn wir Ausflüge gemacht haben, vor allem, wenn wir übers Wochenende weggefahren sind. Das hat für die Honorarkräfte einen ähnlichen Effekt wie für die Jungs, für die das eigentliche Angebot ist. Nämlich: raus aus dem Kontext, rein in etwas Fremdes, sich da dann organisieren und gucken, wie funktioniert etwas, wie machen wir es.

Was sollten deine Honorarjungs »drauf« haben, wenn sie ihre Mitarbeit hier beenden?
Sie sollten unterscheiden können zwischen ihren eigenen Interessen und denen der Jugendlichen, sollten wissen: was ist mein Thema, und was ist das Thema der Jungs in der Gruppe. Und ja, ich möchte auch gern, dass sie über die Zeit immer mehr Verantwortung übernommen haben.

Was würdest du verbessern oder auch anders machen, wenn du die Möglichkeit dazu hättest – z.B. zeitlich oder von den Rahmenbedingungen her?
Ich würde gern mehr Honorarmittel zur Verfügung haben, um einen gewissen Puffer bei den Einsatzmöglichkeiten und auch für überraschenden Notwendigkeiten zu haben. Und ich fände das auch dafür schön, dass die Honorarkräfte nicht nur montags kommen, sondern auch mal unter der Woche, damit sie etwas mehr vom Gruppengeschehen mitkriegen und nicht so viel berichten muss, was angefallen ist. Und ja, auch strukturell mehr Möglichkeiten zu haben, denn die Gruppentreffen hängen an meiner Person, und da mal abgeben zu können, wenn ich z.B. krank bin, das wäre schon entlastend, damit die Verbindlichkeit für die Gruppenjungs weiterläuft. Das ist wahrscheinlich utopisch, aber das wäre ein Wunsch.

Welche Voraussetzungen bräuchte jemand – deiner Meinung nach – um diese Arbeit zu machen, die du machst?
Selbstmotivation. Du musst dich motivieren, aber auch hinterfragen können. Das kommt daher, dass ich kein Team und keinen Kollegen habe. Ich muss hier einfach machen, wenn es weitergehen soll und ich etwas erreichen will; sich einfach gemütlich einrichten geht nicht. Hilfreich ist dabei sehr, dass ich einen tollen Chef habe, der mir vertraut. Und eine Kollegin in einem anderen Haus der Jugend habe ich für den kollegialen Austausch, aber so einzelkämpferisch braucht es auch ein hohes Maß an Selbstdisziplin.

Was wäre dir noch wichtig noch zu sagen?
Ich komme ja aus der Offenen Arbeit, finde es aber sehr spannend zu erleben, was in den nun quasi selbst »geschlossenen« Gruppen dann an Prozessen – im geschützten Rahmen – alles möglich ist. Als ich damit angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass das so gut funktioniert und wie erfüllend diese Arbeit sein kann. Und ich denke, auch für die Honorarkräfte mit sagen zu können: wie wichtig es ist für die Jungs, hier Kontinuität zu erleben und damit Vertrauen und Selbstvertrauen für ihr Leben zu entwickeln. Und für die Honorarkräfte, ebenso wie für die »Gruppenjungs«: es geht immer um Möglichkeitsräume, wo sie erleben, wie wirkungsmächtig ihr Tun in diesem Räumen sein kann.

Christians Angebot für Jugendliche, die sich für eine Mitarbeit interessieren, findet ihr hier.