»Ein ganzer Mann ist bloß ein halber Mensch.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Thomas Scheskat, Göttingen

Zwei Männer mit Gesichtsbemalung
Interview und Redaktion: Alexander Bentheim
Fotos: stefan m., photocase.de | privat

 
Thomas, was war dein persönlicher, biografischer Zugang zu Jungen-, Männer- und Väterthemen? Und was dein politisch-thematischer?
Ich würde meine Antwort in drei Ebenen differenzieren, auch wenn sie alle eng miteinander zusammenhängen. Persönlich sind für mich Unterlegenheitserfahrungen als Junge wichtig gewesen, in Ringkämpfen oder Prügelauseinandersetzungen wusste ich mich nicht durchzusetzen, hatte davor auch immer Angst. Gleichaltrige oder auch Ältere habe ich oft als gemein und unfair erlebt, weil es um Herausforderungen und Angriffe ging, um Dominanz und Einschüchterung, was die Angreifenden wie als Beweis für ihre Stärke benutzt haben. Das hat mich geängstigt; erst später habe ich mir über diesen Zusammenhang viele Gedanken gemacht. Mit Angreifenden und um Überlegenheit Bemühten wollte ich mich also nie identifizieren, und das hatte auch viel mit meiner Familienerziehung zu tun, wo es eher um Fairness oder korrektes Benehmen ging, was ja grundsätzlich gut ist – nur auch mit der Schattenseite, zu brav zu sein und nicht wirklich Strategien gelernt zu haben, wie man sich trotzdem verteidigen und durchsetzen kann.
In diesen persönlichen Bereich gehören in der zweiten Ebene auch die Erfahrungen mit Freundinnen, die unter ihrem Frau-Sein irgendwie mehr leiden mussten als ich unter meinem Junge-Sein beziehungsweise Mann-Werden. Das ging los mit solchen »Phänomen« wie deren Periode oder Benachteiligungen in der Schule, wenn es etwa hieß, Mädchen seien halt nicht so gut in Mathematik. Das ist mir immer schmerzlich aufgefallen. Trotzdem wurde ich als Junge sozialisiert, das heißt, auch »reingeknetet« in dieses subjektive Gefühl, als Mann »natürlicherweise« irgendwie überlegen oder privilegiert zu sein. Im späteren Alter waren dann meine Freundinnen frauenbewegt-feministisch unterwegs, und ich bekam aus deren Umfeld ziemlich Gegenwind. Also Kritik und zum Teil auch Hohn und Spott für alles, was als mackerhaft oder, wie wir heute sagen würden, »toxisch männlich« empfunden wurde. So entstanden meine Motive, mich zu ändern, gerne anders sein zu wollen, so dass ich diesen Frauen gefalle oder sie mich mindestens akzeptieren; das war allerdings oft auch vergeblich. Aber es hatte einen Antrieb gesetzt, mich nach neuen Identifizierungsmöglichkeiten umzuschauen. Und die fand ich dann in Männergruppen durch die Begegnung mit Männern, die ebensolche Veränderungswünsche hatten.
Auf der dritten Ebene, die ich die größere politische-historische Wetterlage nennen würde, waren diverse Kriegsgeschichten sehr bedeutsam – mein Großvater, der im 2. Weltkrieg in Russland umgekommen war, mein Vater, der als Jugendlicher bei der FlaK dienen musste, dort lebensgefährlich unterwegs war und auch Klassenkameraden sterben sah. Dann seine eigene Jungmann-Geschichte, wie er sich aus diesen Kriegswirren rausbewegt und ins neue westdeutsche Nachkriegsleben hineingefunden hat. All das hat mich mitgeprägt, hatte einerseits Vorbildcharakter, enthielt aber auch Aspekte von einem negativem Vorbild, von dem ich mich abgrenzen wollte. Den 2. Weltkrieg habe ich grundsätzlich als Katastrophe erzählt bekommen, die sich nicht wiederholen möge. Dann folgten Konflikte, die ich schon mit dem eigenen Verstand wahrnehmen konnte, wie etwa der Vietnamkrieg. Und letztlich bin ich zu einer pazifistischen Einstellung gelangt, allerdings nicht im klassischen Sinne – weil ich entschieden hatte, ich könnte mich nicht auf eine radikalpazifistische »Seeleninsel« retten und anderen, ginge es um eine Landesverteidigung, die gewissensbelastende Drecksarbeit überlassen. Heute nenne ich pazifistisch, was sich auf die Ablehnung jeglichen Angriffskrieges beziehen würde, aber davon trennen würde ich eine Bereitschaft zur Verteidigung. Was mich noch geprägt hat, war die Ablehnung von Aufopferungswillen für eine vermeintlich größere Sache, so wie mein Großvater für seine Heimatliebe – die er besaß, ohne Nazi zu sein, und trotzdem freiwillig mit in den Krieg zog. Mein Vater wiederholte dies dann vom Muster her, als er in der Wirtschaft durchstartete und bei seinem Aufstieg seine Gesundheit opferte.

Welche waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen, Männern, Vätern? Wie hat sich dein Engagement entwickelt, ggf. verändert?
Als zentral sehe ich meine Erlebnisse und Wahrnehmungen von allem, was ich »Konfliktunfähigkeit« nennen würde und was mit Kommunikationsunfähigkeit zu tun hat – also mit eigenen Gefühlsspannungen eben nicht umzugehen, und wie so auch Gewalt entsteht. Ich hatte, wie schon erwähnt, eigene Erlebnisse als Kind, also wusste ich, wie sich das anfühlt, Opfer von Bedrohung oder Schlägen zu sein. Ich konnte mich von daher immer gut in Frauen hineinversetzen, die in typische Gewaltverhältnisse zu Männern geraten – typisch verstanden sowohl als die private, häusliche Familiengewalt, als auch das Bedrohtsein durch anonyme Gewalt auf der Straße oder, wie uns heute wieder deutlicher vor Augen geführt wird, im Krieg. Gewaltverhältnisse waren für mich immer zentral für die Geschlechterfragen, auch weil ich einmal erleben musste, wie eine mir nahestehende Frau Opfer einer Vergewaltigung wurde, mit Folgen, die man sich daraus nicht wünscht.
Dadurch faszinierten mich Ansätze dazu, wie mit diesen Unfähigkeiten verändernd umgegangen werden könnte. Ich habe in meinem Buch über Aggression ein Erlebnis geschildert, wie eine Rockerbande ein Schulfest an meiner Schule überfiel, ich dort einen Angriff auf einen Mitschüler mit ansah, ich den Täter der Polizei zeigte und dann später von dieser Rockerbande bedroht wurde. Warum ich diese Gewalterfahrung hier erwähne: Weil ich später durch einen Zufall wieder einigen von denen gegenübertrat, als ein Vikar einer Kirchengemeinde, der bei uns in der Schule auch Religion unterrichtete, eine Begegnung von uns Gymnasialschülern mit sozialen Randgruppen organisierte. Und so trat ich zufällig wieder einigen aus dieser Bande gegenüber, die wahrscheinlich im Rahmen des Jugendstrafvollzugs eine soziale Maßnahme abolvierten. So erfuhr ich etwas über deren Familiengeschichten und es dämmerte mir, dass nichts von nichts kommt und Gewalt Wurzeln und Ursachen hat. Diese Verständigung darüber mit den ehemaligen Tätern, die mich zuvor bedroht hatten, war schlüsselhaft für meine spätere Laufbahn als Männerarbeiter und in der Psychotherapie.
Als meine persönliche Strategie habe ich die Körperpsychotherapie entdeckt und festgestellt, dass sie nach wie vor die wirksamste Methode ist, mit Menschen an Veränderungen zu arbeiten, d.h. sie zu Selbsterkenntnis und auch zur Lust an Selbstentwicklung anzuregen. All das braucht man, um zum Beispiel Gewalttäter dafür zu gewinnen, ihre Gewaltneigungen verändern zu wollen. Dies habe ich seit nunmehr 22 Jahren im Rahmen einer psychiatrischen Klinik mit Straftätern direkt erproben und weiter ausgestalten können.
Darüber hinaus engagierte ich mich im Verein »Woge – Wege ohne Gewalt«, eine Einrichtung zum Verantwortungstraining gegen häusliche Gewalt, die ich mitgegründet und deren Arbeit ich mit entwickelt habe. Häusliche Gewalttäter bekommen hier die Chance, durch ein Training von Strafverfolgung befreit zu werden. Dabei geht es auch um männliche Identität: womit identifizieren sich Männer? Was prägt ihr Selbstverständnis? Und wie entsteht daraus Schaden, körperlich und seelisch für sich selbst, und auch für ihre Beziehungen? Wenn diese Identifizierung bei jemandem sehr eng ist und er vieles andere – etwa das vermeintlich Weibliche und Kindliche – aus dem Menschsein ausklammert, nennt er dann das, was überbleibt, das Männliche. Dafür verwende ich die Formel: Was man traditionell den ganzen Mann nennt, ist höchstens ein halber Mensch. Es entsteht so die Frage: Will ich ein »ganzer Mann« sein oder will ich ein ganzer Mensch sein? Dies sind Widersprüche, die man fruchtbar aufgreifen und bis zu der Frage führen kann: Wer will ich sein, was in mir will ich zum Wachsen bringen, und wofür bin ich auch bereit einzustehen? Wenn dies mir die »Entwertung« einträgt, dann angeblich kein richtiger Mann zu sein, kann ich das dann mit Selbstvertrauen und neuer Stärke behaupten? Dazu haben für mich die Milieus beigetragen, in denen ich mich bewegt habe, früher studentisch, dann wie auch immer linksgrünliberal, wo man sich auch in seinen Blasen verkriechen kann. Zum Ausgleich habe ich mit den real existierenden Männermilieus dennoch reichlich Kontakt gehabt: im Handballverein, bei der Bundeswehr, bei der Waldarbeit (weil ich auch mal Forstwissenschaft studiert habe), und zuletzt während der Jahre mit psychisch kranken Straftätern. Das alles mündet für mich in die neuzeitliche Kategorisierung von »toxischer Männlichkeit«. Ich halte sehr viel von dieser Begriffsidee, wobei ich aber auch davor warne, sie zu leichtfertig zu verwenden. Es muss gut erklärt werden, weil selbstverständlich nicht Männer an sich toxisch sind, sondern deren Männlichkeitsstereotypen. So kam ich dazu, Arbeitsideen zu entwickeln, die man vielleicht »Strategien der Entgiftung« nennen könnte, die Entgiftung von Aggression. Für mich ist dies schlüsselhaft, um an sich zu arbeiten – wenn man die Aggression weiterfasst und nicht nur als den feindseligen Angriff begreift, sondern als alles, was mit einer Handlungsenergie »angefasst« wird, um es zu verändern oder zu beeinflussen. So wie es im Wortsinn des alten »aggredi« schlicht bedeutet: herangehen, nach vorne gehen. Und das, was wir klassischerweise als Aggression bezeichnen, das nennen wir in der Arbeit dann »vergiftete Aggression«, wenn es eben sich selbst, andere oder unsere Beziehungen beschädigt. Davor bleibt aber: jede Menge Zumutung, auch der Mut, sich anderen mit seinen berechtigten Anliegen und Positionierungen zuzumuten, und zugleich eine gute Abgrenzung zur Gewalt zu entwickeln. Das ist mein zentrales Arbeitsthema, verbunden mit der Idee, dass sich so auch »toxische Männlichkeit« mit Selbsterfahrungsstrategien entgiften lässt. In diesen skizzierten Schritten – Selbsterfahrung, Körperpsychotherapie, Männerarbeit, Aggressionsarbeit – stecken auch die Veränderungschancen in meiner Herangehensweise: Menschen, die mit ihrer Handlungsenergie und Kraft konfrontiert werden, können sich klar machen, was sie damit erwirken oder anrichten. Die meisten finden das spannend und sind, wenn sie durch dieses Themenportal der Aggression gehen, auf einmal wundersam bereit, sich mit viel mehr noch auseinanderzusetzen, eben weil sie auf einmal die Arbeit an sich selbst entdecken und Lust darauf bekommen.
Eine spannende Erweiterung der Aggressionsarbeit ergab sich auch in der Begegnungsarbeit zwischen Männern und Frauen: sich insbesondere über das Thema Aggression mit den diversen Positionen in der Gesellschaft und den verschiedenen psychischen Prägungen durch Geschlechterbilder auseinanderzusetzen – um dann in den Dialog und wieder zueinander zu finden.
Meinen Weg über die Stationen »Männerbüro Göttingen« (1986) und dann die Entwicklung der Männerjahresgruppen mit dem Konzept »Mannsein – eine einjährige Forschungsreise«, die ich fast 30 Jahre lang an verschiedenen Orten mit 400-500 Männern durchgeführt habe, möchte ich nicht missen; ich sehe immer noch mit großer Befriedigung, was ich hierbei mit anderen Männern teilen konnte.

Für dich nachhaltige gesellschaftliche oder historische Ereignisse – auch im Kontext deiner Arbeit?
Früh schon, noch als Kind, hat mich der Holocaust extrem berührt, ich erinnere meine Fassungslosigkeit, als Anfang der 1960er Jahre die ersten Auschwitzprozesse begannen, und »SPIEGEL«-Serien darüber mit Fotos von KZ-Szenen, Leichenbergen und vielem mehr erschienen. Das hat mich vollkommen fassungslos gemacht, aber auch einen schnellen Einblick in die Realitäten dieser Welt gegeben. Später hatte ich viele Begegnungen in und mit der DDR, weil ich dort eine Liebesbeziehung hatte und mit dieser Frau in der DDR meinen Sohn bekam. Das »Ereignis DDR« – als Kriegsfolge mit der Spaltung Deutschlands, mit so vielen Dramen und Inkonsequenzen auf allen Seiten – historische Trennlinien, die auch quer durch unsere Familie gingen, Beziehungen über Grenzen zu haben, zu halten und auch wieder scheitern zu sehen, das hat mich auch geprägt. Und wie schon erwähnt: Pazifismus als die Ablehnung von Angriffskriegen, und Feminismus als großes Feld des Kampfes von Frauen um Gleichberechtigung mit allen Erfolgen und auch Irrtümern und Irrwegen, das fand ich für mich extrem nachhaltig.
Für den Kontext meiner Arbeit sind die erwähnten persönlichen Erfahrungen ebenso wichtig, der Überfall der Rockerbande und die spätere Begegnung mit denen als Art »schicksalhaftem Geschenk«. Bedeutsam waren meine Ambivalenz beim Wehrdienst aus Gewissensgründen wegen der nicht zu delegierenden Kriegsdrecksarbeit an andere, aber auch die entwürdigenden Erfahrung beim Wehrdienst selbst, sodass ich nach dem Wehrdienst dann noch den Kriegsdienst verweigerte. Die genannten Gewalterfahrungen gegen Freundinnen oder Frauen, die ich kannte, waren ebenso prägend wie die Erfahrungen während der Körperpsychotherapie-Ausbildung, die viele tiefe, innere Einblicke in die eigene Seele, auch Selbstkritik, ermöglicht haben. Dazu zählten auch die Erfahrung mit Kampfübungen, Boxen und Ringen hauptsächlich, aber auch Tai-Chi als »tänzerische Kampfdisziplin«, und wie man sie benutzen kann, um daraus eine gesunde Selbstbehauptung unter Einbeziehung des Rechts des Gegenübers machen zu können. Dies einschließlich einer guten Eigenpositionierung, die einen nicht wehrlos macht, aber bei der man auch nicht zum toxischen Angreifer wird. Und nicht zuletzt alles, was ich als Vater erlebt habe, vom Miterleben zweier Geburten mit allen Dramen und Freuden, Kleinkindfürsorge, enge Verbundenheit, Symbiose, Gefühle, und Auseinandersetzung mit einem pubertierenden Jugendlichen, aus der die Notwendigkeit entstand, aus Liebe zum Kind auch Autorität zu bilden und auszuüben, was eine Menge Zumutung für beide Seiten beinhaltete. All das in gesellschaftlicher und persönlicher Wechselbeziehung waren wichtige Elemente für meine Arbeit. – (eine Fortsetzung des Interviews folgt in Kürze)

 

 
 
 
 
 
:: Thomas Scheskat, Pädagoge M.A., absolvierte eine körperpsychotherapeutische Ausbildung sowie Weiterbildungen in Tiefenpsychologie, Psychotherapie mit Sexualstraftätern und Dialektisch-Behavioraler Therapie (DBT/IBT). Er gründete 1986 das Männerbüro Göttingen und 1997 das Göttinger Institut für Männerbildung mit. Seit 35 Jahren arbeitet er freiberuflich mit körperorientierten Verfahren in Männer- und gemischtgeschlechtlichen Gruppen, in Einzel- und Paararbeit sowie in Beratung und Coaching. Seit 2002 ist er als Stations- und Gruppenleiter im psychologischen Dienst der forensisch-psychiatrischen Landesklinik Moringen in Niedersachsen tätig. Er war Mitgründer und Vorstand der Beratungsstelle Wege ohne Gewalt e.V. Göttingen – Verantwortungstraining für Täter:innen häuslicher Gewalt.

Moin Ralf!

Ein langjähriger Kollege und Freund mit fundierter Beratungs- und Schreibkompetenz ist nun auch offiziell im MännerWege-Team.

Text und Foto: Alexander Bentheim


Joa, das passt. Nach so vielen Jahren immer wieder inspirierender Zusammenarbeit war diese Entscheidung füreinander nun folgerichtig.
Ralf kann – nach der Mitgründung des Göttinger Männerbüros 1986 – auf eine lange Redaktionsgeschichte zurückschauen: seit 1995 beteiligt an der Zeitschrift »paps – Die Welt der Väter«, war er auch deren Chefredakteur seit 2001, was unter seiner Leitung eine wachsende Professionalisierung der Zeitschrift nach sich zog; er verantwortete später das Väter-Dossier in »spielen und lernen – Zeitschrift für Eltern und Kinder« und schrieb den im Rowohlt Verlag erschienenen Ratgeber »Kinder machen Männer stark – Vater werden, Vater sein«. Parallel engagierte er sich ab 2009 mit Karsten Knigge vom kidsgo-Verlag und weiteren Kollegen redaktionell und mit zahlreichen eigenen Beiträgen für das Portal »väterzeit.de« und schrieb neben väterthematischen Beiträgen auch über 200 Rezensionen für »Switchboard – Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit« und unser Portal »MännerWege« – vor allem zu Kinder- und Jugendbüchern mit dem Schwerpunkt Väter im Kinderbuch.
Darüber hinaus berichtet Ralf auch über Gesundheitsthemen, Schwerpunkt Männer und Familie, für das AOK-Forum für Politik, Praxis und Wissenschaft »G+G | Gesundheit und Gesellschaft«, engagiert sich seit vielen Jahren bei der AWO, Kreisverband Werra-Meißner, in der Paarberatung und Gruppenarbeit für gewalttätige Männer und ist seit einiger Zeit auch Berater im Team des Männerhilfetelefons.

Gegründet hatten Frank und ich dieses Portal 2015, weil wir nach dem Ende von Switchboard weiter Lust auf das Schreiben und Gestalten von Texten und Themen hatten. Umso mehr freuen wir uns, dass der langjährige Kollege nun auch offiziell ins Team kommt – willkommen, Ralf, und auf weitere gute Jahre miteinander!

»Wirksame Änderungen brauchen einen langen Atem und viel Geduld.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Uwe Sielert, Kiel

zwei Junge Männer am Strand

Interview: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Fotos: benicce, photocase.de | privat

 
Was war oder ist dein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen- und Männerthemen? Was dein politisch-thematischer Zugang?
Als Jugendlicher sozialisiert im Christlichen Verein junger Männer (CVJM – heute steht das »M« für Menschen) und als Student der Erziehungswissenschaft (1970-1974) kam ich während des Studiums angesichts der Beschäftigung mit kritischer Sozialisationstheorie gar nicht um die Geschlechterfrage herum. Ohnehin war ich fasziniert davon, zusammen mit Gleichgesinnten das theoretisch-analytische Handwerkszeug selbstreflexiv in gruppendynamischen Settings ausführlich auf die eigene Biografie zu beziehen. »Das Persönliche ist politisch und das Politische ist persönlich« lernten wir aus der feministischen Kritik am Patriarchat, die Notwendigkeit der solidarischen Veränderung (Bloch: »Ich bin, aber ich habe mich nicht, darum werden wir erst«) aus der marxistischen Philosophie, und die didaktische Umsetzung mit Hilfe der »dynamischen Balance von Ich – Gruppe – Thema im Globe« von Ruth Cohn aus der Themenzentrierten Interaktion (TZI). Soweit die Theorie und mein politisch-thematischer Zugang.
Im eigenen Gefühlsleben und Verhalten sah das dann nicht immer so gradlinig und klar aus. Der »stumme Zwang der Verhältnisse« produzierte zuhauf blinde Flecken im Bewusstsein des eigenen Männlichkeitsbilds und Geschlechterverhaltens. Das beobachtete Hin und Her der Selbstbilder der Jungen im Jugendzentrum zwischen »Hilfe, ich kann nicht« und »Ich bin der Größte« existierte auch bei uns Studierenden, ganz besonders bei mir, der den Kulturclash zwischen dem CVJM und dem polyamoren Marxismus eines damals kurze Zeit in Dortmund lehrenden Dieter Duhm (»Angst im Kapitalismus«) zu bewältigen versuchte. Immerhin wusste ich von Letzterem, dass auch er beim CVJM angefangen hatte, linker Aktivist und Hochschuldozent wurde, bevor er der akademischen Karriere den Rücken kehrte und ins experimentelle Weltverbesserungsmilieu eintauchte. Welt und Menschen mit jesuanischem Eifer verbessern wollte ich damals auch, nicht besonders revolutionär, eher in pädagogischer Theorie und Praxis, und mich dem »Marsch durch die Institutionen« anschließen. Nach einem Forschungsaufenthalt in den Niederlanden folgten kleinere alternative Projektgründungen und das Mittun an der beginnenden Jungen- und Männerarbeit: Vorhandenes zusammenstellen, systematisieren und vor allem in didaktischer Hinsicht weiterentwickeln.

Welche waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen und Männern?
Mich beschäftigten [1] die Differenz und die Ähnlichkeiten zwischen dem »Prinzip Männlichkeit« und mir selbst wie auch anderen Männern, [2] Jungen- und Männersexualität, [3] die bisherige und weitergehende Entwicklung von Jungenarbeit mit ihren jeweils unterschiedlichen Akzenten (feministisch, antikapitalistisch, antisexistisch, reflektiert, gendersensibel …), und [4] vor allem die Frage, was den konkreten Jungen und Männern in den »Sozialisationsagenturen« (wie es damals kritisch-technizistisch hieß) didaktisch Hilfreiches angeboten werden kann. Seminare, Fortbildungen, Vorträge, Veröffentlichungen waren die Medien, die mir in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und Diplompädagog*innen zur Verfügung standen.

Wie hat sich dein Engagement für Jungen und Männer entwickelt, ggf. verändert?
Das Gender-Sternchen in der letzten Zeile deutet es schon an: Das Interesse an der Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Diskurse und vor allem die Einarbeitung in die Sexualwissenschaft und Spezialisierung auf Sexualpädagogik führten zur generellen Öffnung meines geschlechtsbewussten Blicks auf Jungen hin zu einer Sexual- und Genderpädagogik der Vielfalt. Meine Vision selbstbestimmterer, emanzipativer Menschen sah ich zunächst in der Erweiterung der Entwicklungsmöglichkeiten von Jungen innerhalb ihrer Geschlechtlichkeit und später in der Entdramatisierung der Geschlechtskategorie überhaupt. Es begann die Suche nach vielen anderen Identitätsankern und vor allem die Möglichkeit fluider Selbstdefinitionen, um aus der Tatsache, dass wir als Jungen und Männer (auch) »gemacht werden«, das »doing gender« zu vervielfältigen und pädagogisch zu begleiten.

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Schon immer war mir bewusst, dass Jungen und Männer Probleme machen und Probleme haben. Meine Probevorlesung für die Pädagogikprofessur in Kiel lautete beispielsweise »Halt suchen auf schwankendem Boden: Männlichkeit als soziales Problem«. Die erschreckenden Ausmaße männlicher Gewaltausübung waren schon immer unübersehbar, die Ausmaße sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen, die in Wellen öffentlich wurden, verstörten deutlich mein Blick auf Männlichkeit und alle bisherigen Theorien und Konzepte geschlechtsbewusster Arbeit. Mir wurde schlagartig bewusst, dass die kollektiven Traumata von Gewalterfahrungen und der aktuell immer noch ausgeübte »Missbrauch« von Kindern sowie sexuelle Grenzüberschreitungen aller Art heftig wirksam sind. Die eingeschlagenen Wege der Arbeit an männlicher Gewalt und ebenso vorhandener Bedürftigkeit wurden deshalb ja nicht hinfällig, kratzten aber nur oberflächlich am männlichen Sozialisationsmodus mit seinen toxischen Auswirkungen. Und dennoch blieb ich immer skeptisch gegenüber rein antisexistischen Programmen und einer Konzentration auf Gefahrenabwehr.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und/oder beruflichen Beziehungen?
Ich habe die Geburt meiner beiden Söhne und meiner Tochter als Vater sehr bewusst miterlebt und meine beruflichen Tätigkeiten boten mir potentiell viele Freiräume, eine entscheidende Wegstrecke mit ihnen gemeinsam zu gehen. Ich denke, dass mir das auch weitgehend gelungen ist, wenn ich die gegenwärtige Beziehung zu den erwachsenen Kindern richtig deute. Und dennoch machen mir gelegentliche Konflikte und Rückmeldungen deutlich, wie selten mir gelungen ist, die hohen Ansprüche des beruflichen Wissens über Jungen im persönlichen Alltag zu leben. Ich hätte im kontinuierlichen Kontakt viel mehr geben und bekommen können. Ganz besonders in der Trauer um meinen mit 30 Jahren tödlich verunglückten Sohn ist mir das schmerzlich zu Bewusstsein gekommen. Auch für mich gilt also: Wirksame Änderungen brauchen einen langen Atem und viel Geduld.

Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit und/oder Beziehungen zu anderen ausmachen?
Herausfordernd, selbstkritisch-ehrlich und eine bleibende Angst vor Zurückweisung.

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Jungen- und Männerthemen? Hast du Beispiele?
Im Anschluss an meinen Probevortrag zur »Männlichkeit als soziales Problem« beantragte der tonangebende, kurz vor der Pensionierung stehende Pädagoge des Instituts halb ironisch einen Männerbeauftragten für die Universität Kiel. Meine Seminare im Studium und in Fortbildungen bei diversen Trägern waren immer gut besucht und manche Männer versichern mir heute noch, wichtige Impulse für die eigene Person und Arbeit bekommen zu haben.

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Dichter und ausführlicher Kontakt auf einem gemeinsamen Weg: sich selbst und andere ganzheitlich spüren beim lustvollen Imaginieren, Streiten, Leiden, Arbeiten, Tanzen und Ruhen sowie auch einsame Geistesblitze und körperliches Ausgepowertsein.

Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Die Erarbeitung und Veröffentlichung meines ersten Buchs »Jungenarbeit« und die ausführlichen Diskussionen dazu mit meinen damaligen Student*innen und anderen bewegten Männern. Die Einführung des Themas »Jungen- und Männersexualität« bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und zusammen mit spannenden Aktivisten der Aids-Hilfe während meiner Mitarbeit an der personalkommunikativen HIV-Präventionskampagne. Und die Berücksichtigung des Gender-Themas bei allen sexualpädagogischen Weiterbildungen der Sexualpädagogik.

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Mit den Einrichtungen, die aus meinem sexualpädagogischen Engagement – immer im lustvollen Arbeitsprozess mit anderen – hervorgegangenen sind: dem Institut und der Gesellschaft für Sexualpädagogik und vielen vor allem ehemals, manchmal immer noch dort aktiven Freundinnen und Freunden. Stellvertretend für viele möchte ich meinen langjährigen Freund Frank Herrath hervorheben, mit dem ich viele Wegstrecken gemeinsam zurückgelegt habe. Viele meiner eigenen älteren Lehrer und Tutoren sind inzwischen leider verstorben. Nennen möchte ich auch hier stellvertretend nur meine langjährigen Freunde und inspirierenden Lehrer Konrad Pfaff und Siegfried Keil, die für mich sehr unterschiedliche Beispiele für positiv gelebte Männlichkeit waren: der eine theoretisch kreativ, expressiv und fröhliche Wissenschaft treibend, der andere achtsam, integrativ und langfristig gesellschaftlich engagiert.

Was hat die Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht hast?
Mich haben ihre Botschaften und Haltungen, ihr Biss beim Denken und Handeln angelockt und begeistert sowie die Einladung zum Mitmachen und die Bereitschaft, an einer gemeinsamen Mission wechselseitig inspirierend und wertschätzend zu arbeiten.

Hast du eine Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmotto?
Lange fand ich den Kanon albern, den mein Vater trotz schrecklicher Erfahrungen im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft in seiner christlichen Gemeindearbeit am liebsten mit anderen gesungen hat: »Der hat sein Leben am besten verbracht, der die meisten Menschen hat froh gemacht«. Doch inzwischen habe ich den Kern seiner Erfahrungen im Auf und Ab seines entbehrungsreichen Lebens nachvollzogen: sich in Resonanz mit anderen auf das Verbindende, Gelungene und Stärkende zu konzentrieren.

Wo siehst du Brüche in deinen beruflichen oder freundschaftlichen Beziehungen?
Im persönlichen Liebesleben gab es einige davon, weil die Spannung zwischen dem eigenen Begehren und der persönlichen Weiterentwicklung oft in Konflikt geriet mit dem ebenso geschätzten Festhalten am Erreichten, einschließlich versprochener Beziehungstreue. Beruflich waren es weniger Brüche als Widerstände bei der gesellschaftlichen Resonanz meines sexualpädagogischen Engagements.

Wodurch wurden diese verursacht?
Die Herausforderung konservativ-dogmatischer Gruppierungen durch meine Dekonstruktion heteronormativer Lebensvorstellungen und das Eintreten für das Recht auf altersangemessene Sexualität von Anfang an führte zu gelegentlichen persönlichen Anfeindungen, die mir manche schlaflose Nacht beschieden haben.

Wo liegen für dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit Jungen- und Männerthemen?
Aus der feministische Szene spürte und spüre ich immer noch Misstrauen gegenüber einer positiven Sexualkultur, die sich nicht allein auf Gefahrenabwehr beschränkt, sondern das Recht von Jungen und Männern auf sexuelle Bildung einschließt. Da nutzen keine empirischen Hinweise auf den Mangel an sexualpädagogischer Arbeit mit Jungen als sinnvolle Gewaltprävention. Als auch der Missbrauch von Jungen in pädagogischen Organisationen bekannt wurde, wurde die Tatsache allein, dass ich mich pädagogisch mit Jungenarbeit beschäftigt habe, von einer böswilligen Journalistin in den Kontext der Missbrauchsdiskussion gestellt.

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deinem Engagement an?
Ich glaube trotz aller Skepsis gegenüber wissenschaftlicher Arbeit, dass es auch beim Genderthema darauf ankommt, »die Sachen zu klären und die Menschen zu stärken«. Beides tut allen gut, unabhängig von geschlechtlicher Selbstdefinition oder gesellschaftlicher Zuschreibung. Und inzwischen habe sogar ich (der Zurückweisung immer noch gern aus dem Weg geht) gelernt, in wichtigen Konflikten Position zu beziehen und auch schmerzliche Widerstände auszuhalten.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest?
Selbstreflexiv zu erkunden, warum die Jungen- und Männerthemen in den letzten Jahren nicht mehr so sehr im Fokus meiner persönlichen und wissenschaftlichen Neugier gestanden haben. Die Beantwortung dieser Fragen war ein Anfang dazu.

Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Mit mir und meinem Leben «im Reinen sein«, wie es so schön heißt. Rückblicke auf Aufarbeitungen sind dazu ein gangbarer Weg.

Eine nicht gestellte Frage, die du aber dennoch gerne beantworten möchtest?
Nö – aber danke für die vielen Impulse!

 
 

 
 
 
 
:: Uwe Sielert, Jg. 1949, emeritierter Professor für Sozialpädagogik am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Diplom, Promotion und Habilitation in Erziehungswissenschaft. Diplom in Themenzentrierter Interaktion nach Ruth Cohn bei WILL International. Berufliche Stationen: Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Dortmund, Gastdozent an der Vrije Universiteit Amsterdam, Mitarbeiter der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln, seit 1992 Professor für Sozialpädagogik am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Forschungs- und Lehrschwerpunkte mit einschlägigen Veröffentlichungen in den Bereichen sozialpädagogische Aus- und Fortbildungsdidaktik, Sexualerziehung und Geschlechterpädagogik sowie Pädagogik der Vielfalt. Schwerpunkt im Masterstudiengang Pädagogik »Diversity and Management in Education«. Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Sexualpädagogik. – Kontakt: www.uwe-sielert.de.

»Wege und Möglichkeiten erkunden, wie Vaterschaft auch unter widrigen Umständen gelingen kann.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Hans-Georg Nelles, Düsseldorf

Interview: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Fotos: Ahmed Akacha, pexels.com | privat

 
Was war oder ist dein persönlich-biografischer Zugang zur Väterthematik? Was dein politisch-thematischer Zugang?
Ich habe drei Zugänge zur »Väterthematik«. Der erste sind meine persönlichen Erfahrungen und Auseinandersetzung mit meinem Vater und meinem Großvater mütterlicherseits und der Entschluss, zumindest zu versuchen, es »besser« zu machen. Der zweite Zugang war dann meine eigene Vaterschaft. Ich wollte auf jeden Fall Vater werden; da es unerwartet schnell »geklappt« hat, bin ich dann mit 27 Jahren, mitten im Studium, zum ersten Mal Vater geworden. Der dritte Zugang war dann eine interne Stellenausschreibung meines damaligen Arbeitgebers, es wurde ein Mann für das Projekt »situationsgerechte und passgenaue Qualifizierung für Mütter und Väter im Erziehungsurlaub« gesucht. Ich habe die Stelle bekommen und konnte die »Mütterzentrierung« dieses Themas Stück für Stück irritieren und bin heute einer der »Dienstältesten« in diesem Feld.

Was waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Vätern?
1997 und in den Jahren unmittelbar danach ging es zunächst darum, in Unternehmen und Gesellschaft Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Väter mehr wollen als Ernährer zu sein. Während die erste Männer-Studie von Helge Pross aus dem Jahr 1978 noch belegte, dass alles in traditioneller Butter ist, machte die sieben Jahre später durchgeführte Brigitte-Studie »Der Mann« schon deutlich, dass sich zumindest ein Teil der Männer und Väter auf den Weg gemacht hatte. Davon zeugt auch »Das Väterbuch« aus dem Jahr 1982. Aber trotz dieses, auch durch die Einführung des Erziehungsurlaubs im Jahr 1979 beflügelten ersten Aufbruchs der Väter hat es noch weitere 20 Jahre gedauert, bis die Diskussion im Mainstream angekommen ist. Ich habe aber den Eindruck, dass – ähnlich wie in einer KiTa, in der jedes Jahr die gleichen Themen neu diskutiert werden – auch das Bewusstsein und vor allem die Haltungen zur Bedeutung von Vätern und Vaterschaft nur langsam durchsickert und immer wieder neu begründet werden muss.

Wie hat sich dein Engagement für Väter entwickelt, ggf. verändert?
Mein Engagement in diesem Themenfeld hat sich im Laufe der Zeit von der unmittelbaren Arbeit mit Vätern in den verschiedensten Zusammenhängen hin zu einer »Lobby- und Beratungsarbeit« für Väterthemen entwickelt. Als Referent in der Geschäftsstelle der LAG Väterarbeit NRW und in der Koordination des Verbundprojekts »Jugendliche Väter im Blick« stehen außerdem Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung im Vordergrund.

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Das nachhaltigste Ereignis war die Ankündigung von Renate Schmidt im Herbst 2004, in der nächsten Legislatur einen »Vätermonat« nach schwedischem Vorbild einführen zu wollen. Nach der NRW-Wahl 2005 kam alles anders, und nach einer vorgezogenen Bundestagswahl brachte Ursula von der Leyen als neue Familienministerin zwei Partnermonate ins Spiel und die gesellschaftliche Diskussion in Sachen Väter entwickelts eine bis dahin ungeahnte Dynamik, die uns »Väterarbeitern« einen kräftigen Rückenwind und nach der Einführung des Elterngeldes zum 1. Januar 2007 auch eine große mediale Aufmerksamkeit bescherte.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und/oder beruflichen Beziehungen?
Männer können ja angeblich nicht reden, erst recht nicht über ihre Gefühle, so die landläufige Zuschreibung. Im Rahmen meines ersten Väterprojektes habe ich in verschiedenen NRW-Unternehmen Väterrunden organisiert. Väter aus diversen Branchen kamen in einer verlängerten Mittagspause zusammen und haben über Herausforderungen ihrer Vaterschaft gesprochen. Am Ende der 90 Minuten, die wie im Fluge vergingen, waren alle jedes Mal erstaunt, dass Mann – obwohl sich alle vorher nicht kannten und es nichts (Alkoholisches) zu trinken gab – so intensiv ins Gespräch gekommen ist und auch über Sorgen, Nöte und Schwächen geredet hat.

Drei Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit oder Beziehungen zu anderen ausmachen?
Ausdauer, Optimismus und Kooperationsbereitschaft.

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Väterthemen? Hast du Beispiele?
Wenn ein Vater – auch gegen eigene Zweifel und/oder Widerstände aus dem familiären oder betrieblichen Umfeld – sich die (Eltern)Zeit nimmt, die er haben möchte, und gestärkt durch die eigenen Erfahrungen auch andere (werdende) Väter in seinem Umfeld dazu inspiriert und ermutigt.

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Dass ich eigene Erfahrungen und Erkenntnisse weitergeben kann und durch die Arbeit mit den Vätern permanent dazulerne und auch selber in Frage gestellt werde. Das gilt insbesondere auch in der Beziehung zu meinen Kindern und den Enkel*innen.

Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Da fallen mir zuerst die drei thematischen Netzwerke ein, die ich mit engagierten Kollegen gegründet habe: 2005 das Väter-Experten-Netz VEND-eV. Gemeinsam mit Eberhard Schäfer und Martin Rosowski haben wir dann 2007 angefangen, Partner und potenzielle Mitglieder für ein Bundesforum Männer zusammenzubringen; im November 2010 gab es dann die offizielle Gründung. Das dritte Netzwerk ist die schon genannte LAG Väterarbeit NRW, die wir gemeinsam mit 22 Organisationen nach zwei Jahren Vorarbeit im Januar 2016 gründeten.

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Außer den bereits genannten Netzwerken und Personen ist für meine Arbeit mit Vätern Harald Seehausen aus Frankfurt besonders wichtig, er beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit Väterarbeit und mit dem Aktionsforum Männer und Leben haben wir im Zeitraum 2005 bis 2016 sechs Impulstagungen in Frankfurt organisiert. Ein weiterer Kollege, den ich über die Arbeit in der Fachgruppe Väter des Bundesforum Männer kennen und schätzen gelernt habe, ist Holger Strenz aus Dresden. Er hat mir Zugänge zu den Anliegen und Sichtweisen von Vätern in den »neuen« Bundesländern eröffnet.

Was hat die Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht hast?
Diese Kollegen hatten ebenfalls Interesse daran, Anliegen von Vätern voranzubringen, Väter zu ermutigen und sie bei ihrem Vatersein zu unterstützen – und weniger daran, sich damit selbst zu profilieren und in den Vordergrund zu stellen.

Hast du eine Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmotto?
Es ist immer besser, mehr als zwei Möglichkeiten zu haben.

Wo liegen für dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit Väterthemen?
Die größten Widerstände sehe ich für mich in einer nach wie vor »mütterzentrierten« Familienpolitik, die die Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern nicht sieht oder sogar leugnet. Dies fängt bei der Anerkennung der Vaterschaft an und hört bei der Erwerbsobliegenheit beim Unterhalt noch lange nicht auf.
Dieser «Mindset« erschwert es Vätern (und Müttern), gleichberechtigte und geschlechtergerechte Vaterschaft nicht nur zu wollen, sondern auch zu leben.

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deiner Arbeit an?
Mein (fast) unerschütterlicher Optimismus und die Erfolge, die ich im Rückblick auf über 25 Jahre doch beschreiben kann.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest? Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Mit meinen gut 66 Jahren bin ich ja schon in der »Verlängerung«, um die laufenden Projekte gemeinsam mit den Kollegen gut abzuschließen. Ich kann mir gut vorstellen, im Anschluss daran gemeinsam mit Vätern in und aus prekären Lebenslagen in einem Projekt Wege und Möglichkeiten zu erkunden, wie Vaterschaft auch unter widrigen Umständen gelingen kann. Und ja, zufrieden bin ich, wenn paritätische Elternzeiten als Katalysator für eine gleichmäßige Aufteilung von Mental Load und Financial Load wirken, Care und Erwerbsarbeit also geschlechtergerecht aufgeteilt sind bzw. aufgeteilt werden können.

 
 

 
 
 
 
 
:: Hans-Georg Nelles, Vater von drei erwachsenen Kindern und vier Enkelkindern, ist Sozialwissen¬schaftler, Erwachsenenbildner und systemischer Organisationsberater. Seit 1998 ist er beruflich im Themenfeld »Vereinbarkeit von Beruf und Familie« engagiert. Seit 2008 als Organisationsberater und Autor mit Väter & Karriere freiberuflich und ab Juli 2018 auch als Väterexperte für den SKM Bundesverband e.V. und als Vorsitzender der LAG Väterarbeit NRW tätig. Außerdem ist er Autor des Vaeter.Blog und twittert unter @Vaeter.

»Immer wieder berührende Momente im Miterleben von Lernprozessen bei den Jugendlichen.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Christian Sieling, Dietzenbach b. Frankfurt/M.

Mann erzeugt Feuerkreis vor Publikum in der Nacht

Interview: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Fotos: Nena2112, photocase.de | Alexander Bentheim

 
Was war oder ist dein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen-, Männer- und Väterthemen? Was dein politisch-thematischer Zugang?
Über den Zivildienst und persönliche Beziehungen wurde ich zunächst Krankenpfleger und arbeitete in diesem Feld 17 Jahre. Schon in der Ausbildung ca. 1988 initiierte ich eine regionale Krankenpflegeschüler*innen-Selbstorganisation und darin eine Gruppe »Männer in der Krankenpflege“ (dazu gibt es sogar noch ein damals getipptes kurzes Papier mit geschlechtsbezogenen Reflexionen).
Politisch bin ich v.a. seit meiner Darmstädter Zeit ab 1987 in der außerparlamentarischen Linken aktiv, temporär auch in der damaligen »Sonntagsgruppe Darmstadt« mit einer seit 1993 arbeitenden Männerteilgruppe dieser ca. 15-köpfigen politischen Aktivgruppe. Mit drei Männern dieser Gruppe nahm ich 1993 erstmals am Bundesweiten Männertreffen im nahen Bessunger Forst teil, was mich von den Ideen und Erfahrungen her bis heute begleitet.

Welche waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen, Männern und Vätern? Wie hat sich dein Engagement entwickelt, ggf. verändert?
1993 begann ich auch in der wohl ziemlich einmaligen Männerkreistanzgruppe der VHS Darmstadt mitzutanzen, bis heute, jetzt mit Dreierteam aus Teilnehmern, die das Erbe unseres 2021 verstorbenen Tanzlehrers Philipp Mitterle weiterführen. Außerdem begann ich 1993 an der Uni Frankfurt Pädagogik auf Diplom zu studieren, faktisch aber gleich Gender Studies, v.a. im Fachbereich Soziologie. 1995 begann ich dann auch ein über Jahre zusammengewürfeltes Halbjahrespraktikum mit geschlechtsbezogener Arbeit für verschiedene regionale Jugendbildungswerke, meist in geschlechterreflektierten Schulprojekten. Während eines Unistreikes bildeten wir eine 7-köpfige AG »autonomes Tutorium kritische Männerforschung«; persönlich halten wir den Kontakt bis heute. Mein Diplom 1999 war dann eine (nicht veröffentlichte) kritische Auseinandersetzung mit den sexualpädagogischen Diskursen der Jungenarbeit, die ich im Rückgriff auf die Theorien von Michel Foucault kritisch betrachtete.

Gibt es für dich ein nachhaltiges gesellschaftliches/historisches Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Nein. Oder viele, je nachdem. Für mich wichtig ist meine mit jeweiligen Ereignissen verwobene persönlich-politische Entwicklung, das ist in Kürze nicht beschreibbar.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten oder beruflichen Beziehungen?
Seit August 2000 bin ich Vater, erst von einem Sohn, ab 2009 auch von einer Tochter. Anders als ich es bei meinem Vater als selbstständigem Dachdecker und Vater ab 1963 erlebt habe (ich erinnere z.B. Vater, Onkel und andere erwachsene Männer in den 60ern nur weit vorlaufend vor uns Kindern mit den Müttern), wollte ich dagegen immer auch nah und selbstverständlich begleitend im Alltag bei meinen Kindern sein. Daher habe ich meinen Beruf auf halbtags beschränkt und hatte bis zur Pubertät auch sehr viel gemeinsame Zeit mit meinen Kindern.

Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit und/oder Beziehungen zu anderen ausmachen?
Eigenschaften zu benennen finde ich generell nicht offen genug, als kontaktfreudig könnte ich mich aber immer bezeichnen.

Hast du eine Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmotto?
Mein grundlegendes Lebensmotto verdanke ich wohl meiner sehr katholischen Mutter: »Liebe Deinen Nächsten!«. Dazu möchte ich meine Mitmenschen in Begegnungen kennen und verstehen lernen und da sein, wenn ich gebraucht werde und etwas beitragen kann. Lange musste ich aus politischen Reflexionen heraus Abstand zur (Herrschaftsinstitution) Kirche nehmen, seit einigen Jahren fühle ich mich meinem in der Kindheit gewachsenen Glauben wieder sehr verbunden, auch wieder bei Besuchen in Kirchen und Klöstern – da gab es übrigens die ersten vorsichtigen Wiederannäherungen bei den morgendlichen Workshops »Taizé-Lieder singen« im Rahmen der Bundesweiten Männertreffen.

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deiner Arbeit an?
Eine grundlegende Motivation liegt wohl in meinem Mut zur Selbstheilung, auch wenn mich als Dachdeckersohn z.B. extreme Höhenangst begleitet. In Kindheit und Jugend habe ich manche Ohnmachtserlebnisse mit bzw. durch andere Jungs durchleben müssen, als Kind auch in Krankenhäusern, damals gab es nur sehr eingeschränkte, nicht mal tägliche Besuchszeiten. In der abgesicherten beruflichen Rolle brauche ich eigentlich nicht übermäßig viel Mut, wie es Außenstehende hinsichtlich meiner Zielgruppen manchmal vermuten, aber schon ein zuversichtliches, selbstbewusstes, angstfreies und offenes Zugehen auf Menschen und ein klares Angebot zur (Arbeits)Beziehung. Wenn dann erfolgreich wertschätzende Resonanz kommt, hat das letztlich auch viel geheilt (und da habe ich übrigens auch einige Kollegen in der Jungenarbeit mit ähnlichen Erfahrungen in ihrer Jugendzeit kennen gelernt).
Und schließlich ganz zentral ist, vermutlich auf christlichen Fundament, mein Sehnen nach einer gerechteren Welt, auch für zukünftiges Leben, und auch aus dem Schmerz heraus beim Betrachten jetziger und geschichtlicher Ungerechtigkeiten und Zerstörungen. Als entscheidende Entwicklungsschritte sehe ich dabei das radikale, selbstreflexive Öffnen und Engagieren für lebbare Vielfalt – auch eben in politisch, fachlichen Diskursen, weg von den damals jugendlichen Kämpfen für das vermeintlich klar identifizierte »Gute« (was in den 90er Jahren der westdeutschen Linken für mich im Nachhinein erschreckend viel ideologische Begrenztheit, auch männlich-patriarchale bedeutet).

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Jungen-, Männer- und Väterthemen? Hast du Beispiele?
Meine Jugendbildungsarbeit, die sich auf Beziehungsarbeit stützt, wirkt m.E. wegen punktueller und zeitlich befristeter Impulse und Projekte über dann nachhaltig in Erinnerung bleibende Lernerlebnisse an außerschulischen Lernorten. Das sind z.B. das »Blindenmuseum«, besondere Ausstellungen, Reisen … die selbst explizit Geschlechterthemen als Impulse anbieten können, aber nicht müssen, auf jeden Fall in der Gruppe aber geschlechtsbezogen reflektiert werden. Daneben wirkt das Sich-umeinander-kümmern in der Gruppe und mein Part der Fürsorge für das Rahmenprogramm einschließlich Organisation, An- und Abreise, Verpflegung, Unterkunft … bei aller Hinführung zu selbsttätigen Lernerlebnissen darf dies als Basiserfahrung nicht unterschätzt werden, nicht zuletzt auch in Verantwortung und angemessener Offenheit für ein gutes Wieder-voneinander-Abschied-nehmen.

Wo siehst du Brüche in deinen beruflichen oder freundschaftlichen Beziehungen? Wodurch wurden diese verursacht?
Ehrlich gesagt habe ich sehr große Privilegien in meiner Arbeit im Jugendbildungswerk, als einer in sich geschlossenen kleinen Einheit in der Kreisjugendförderung, denn bis heute können wir unsere Projekte zu dritt auf zwei Vollzeitstellen selbst gestalten und durchführen. Nicht einen einzigen Arbeitsauftrag zum reinen Abarbeiten habe ich bis jetzt von der Leitung erhalten. Allenfalls das Budget ist für manche Teilvorhaben zu begrenzt – bezogen auf meine Projekte stehen nur ca. 7.000 bis 8.000 Euro Veranstaltungsmittel bei ca. 40-50 Veranstaltungseinheiten pro Jahr zur Verfügung. Und das kooperierende System Schule passt nicht immer zu meinen Projekten, lässt mich aber in der Regel gerne selbstverantwortlich machen, insbesondere mit den als »problematisch« angesehenen Jungs. Viel Anerkennung erinnere ich da, und eigentlich keine wirklich blockierenden Widerstände.

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Neben der fachlichen Wertschätzung von erfahrenen Kolleg*innen, die mir ebenso wichtig ist wie die elementaren Kooperationen in der kommunalen Jugendbildungsarbeit auf Landkreisebene (welche zentral von Wertschätzung und Verlässlichkeit leben), gibt es für mich immer wieder berührende Momente im Miterleben von Lernprozessen bei den Jugendlichen.
Besondere Erlebnisse waren für mich, auch ganz persönlich, sechs jährliche Geschichtswochenendreisen mit der Jungengruppe eines Jugendraumes. Diese kam zunächst mit dem eigenen Anliegen, ein KZ zu besichtigen, was dann zu Fahrten nach Buchenwald, Verdun, Leipzig, Bremerhaven, Berlin und auch in den Geburtsort meines verstorbenen Vaters nach Bischofferode im Eichsfeld führte, mit jeweils vielen geschichtsbezogenen und persönlichen Erlebnissen. Und genauso hatte ich auch unvergessliche Erlebnisse mit Jungengruppen in den Tagen, als meine Mutter 2018 starb, von der mich erreichenden Todesnachricht mitten im Projekt bis zum Austausch über Trauererlebnisse während der Gruppenarbeit.

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen? Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Das immer wieder berührende Feedback der Jungen. Ein besonderes Beispiel, das mich im Frühjahr tief durchatmen ließ und welches ich nicht vergessen werde: ein Junge, 8. Jahrgang Gesamtschule, verblieb mit zunächst Widerständen beim Wochenschulprojekt »Soziale Jungs«. »Wir sind die, die kein Sozialpraktikum hinbekommen haben«, sagte er, und der Direktor merkte an: »Ich hoffe, Sie überleben die Jungs«. Mein Ansatz war jedoch: »Was heißt für uns überhaupt sozial?«. Immer startend mit einem gemeinsamen Frühstück und morgendlichen offenem Tischgespräch: dass die Nutella plötzlich verschwunden war, kam hier respektvoll und auf Augenhöhe »auch auf den Tisch« – ebenso wie dann ein Besuch im Blindenmuseum, das gemeinsame Schauen der Filme »Masel Tov Cocktail« und »Ziemlich beste Freunde« mit gegenseitiger Assistenzübung »Cola anreichen«. Nach dem Abschied am Freitagmittag im Raum im 1. Stock rief mich der Junge aus der 8. Klasse unten vom Schulhof aus der sich entfernenden Gruppe heraus noch mal ans Fenster: »Herr Sieling, Herr Sieling … es war so geil, wir haben so viel gelernt, Herr Sieling, ich habe von Ihnen gelernt, wie man mit Menschen umgeht – ich rufe Sie mal in zwei Jahren an.« Das hat mich sehr berührt.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest? Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Was ich mir mit Blick auf meinen Abschied von beruflicher Arbeit und letztlich vom Leben wünsche: den Abschied annehmen und Danke sagen können für all das geschenkte Leben, und das direkt den Menschen oder in nachfühlenden erinnernden Gedanken und im Gebet.
Konkret, auch um den Kreis beruflicher Tätigkeit zu schließen, ein Praktikum in einem Hospiz in der Pflege, vielleicht wenn ich 65 bin. Sterbebegleitung in der Pflege war für mich eine gleichermaßen umfassende und tiefgreifende Tätigkeit, denn begonnen habe ich nach der Krankenpflege-Ausbildung damals bewusst auf der AIDS-Station der Frankfurter Uniklinik. In meinen Rentenzeiten kann ich mir ein Ehrenamt im Hospiz-Bereich durchaus vorstellen, zum Lernen, Annehmen und Geben. Dann würde ich auch ein Abschiedsjahr 2029/30 im Jugendbildungswerk planen, vielleicht mit einem Fachtag, den ich zum Thema »Abschied in der Arbeit mit Jugendlichen« anbiete. Und noch viele bundesweite Männertreffen, Kreistänze, meine Kinder ins Leben gehen sehen, zuversichtlich sein bis zum 80. Geburtstag und gerne auch darüber hinaus …

 
 

 
 
 
 
 
:: Christian Sieling, ich bin Jg. 1963 und wohne in Frankfurt/M. zusammen mit meiner Familie und Hund seit 16 Jahren. Ich arbeite seit 2000 als Jugendbildungsreferent für das kommunale Jugendbildungswerk des Kreises Offenbach mit dem auch damals so ausgeschriebenen Schwerpunkt »Jungenarbeit und Geschlechterseminare« auf meinerseits gewollter 0,5-Teilzeitstelle. Seit 2000 mache ich auch mit bei der informellen »Fachgruppe Jungen*arbeit Hessen«, die seit ca. 2009 einen jährlichen Fachtag anbietet.

»Männer sind durch das Patriarchat nicht unterdrückt, aber beschädigt.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Michael Kimmel, New York

Interview und Übersetzungen: Alexander Bentheim und Marc Gärtner (to the original in english)
Fotos: en.joy.it, photocase.de | privat

 
Wenn es eine Erkenntnis gibt, die meine Arbeit mit Männern und Jungen in den letzten vier Jahrzehnten bestimmt hat, dann ist es diese: Ich habe gelernt, Männer und Jungen nicht dort anzusprechen, wo ich denke, dass sie sein sollten, sondern dort, wo sie sind.

Zu Beginn meines Weges als feministischer Aktivist und Forscher war ich wütend auf Männer. Zumindest habe ich das gedacht. Ich war gegen patriarchalische Herrschaft, gegen Gewalt gegen Frauen und für die Rechte der Frauen. Und ich glaubte, dass es die Männer waren, die die Frauen unterdrückten.

Als sich meine Arbeit vertiefte und weiterentwickelte, kam ich zu der Überzeugung, dass nicht einzelne Männer das Problem sind, sondern ein institutionelles, soziales, politisches und ideologisches System, das die anhaltende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern rechtfertigt. Dieses System, nennen wir es »Patriarchat« oder ganz allgemein »Ungleichheit der Geschlechter«, mag Frauen unterdrücken, aber es umgarnt auch Männer und ermutigt uns zu glauben, dass Ungleichheit irgendwie »natürlich« oder gerechtfertigt sei.

Betrachten wir die Analogie zu »Rasse«. Einzelne weiße Menschen mögen rassistisch sein oder auch nicht, aber Rassismus als System ist nicht einfach eine Reihe von Einstellungen. Es wäre naiv zu glauben, dass, wenn jeder Weiße oder jeder Mann irgendwie eine ausreichende Therapie machen würde, diese Einstellungen verschwinden würden und die Rassen oder Geschlechter endlich Gleichheit erfahren würden. Nein, die Ungleichheit ist tief in unseren Institutionen verankert und unterliegt nicht dem Willen des Einzelnen, »auszusteigen«.

Männer sind durch das Patriarchat geschädigt. Nicht unterdrückt, wohlgemerkt. Aber beschädigt. Wir können nicht wissen, wie es wäre, die Welt ohne diese Brille der Rassen- oder Geschlechterungleichheit zu sehen. Und insofern stehen wir Männer vor der Wahl: Wir können weiterleben, blind für die Folgen dieser Ungleichheiten, oder wir können sie erkennen und uns an die Seite derer stellen, die ausgegrenzt sind.

Meine Arbeit hat eine Wendung hin zu Mitgefühl und Verständnis für einzelne Männer und Jungen genommen, mit den Kämpfen, die sie auf der Suche nach einer authentischen, ethischen und geerdeten Identität haben.

Um es klar zu sagen: So wie der politischen Analyse der Ungleichheit die Körperlichkeit der gelebten Erfahrung fehlt, führt die Annäherung an Männer und Jungen mit Mitgefühl und Verständnis ohne diese politische Analyse zu einer Art unverdienter Vergebung, einem Verzicht darauf, Männer in diese Analyse einzubeziehen, die nicht nur die Privilegien der Ungleichheit, sondern auch die Kosten untersucht. Nicht als falsche Äquivalenz, sondern als ein Gefühl dafür, dass das Patriarchat uns allen schadet, auch wenn es einige von uns gegenüber anderen belohnt.

Die Betrachtung von Männern durch diese Linse hat mich dazu motiviert, Wege zu finden, um Männer und Jungen zu erreichen, die weniger schimpfend, weniger normativ und mehr verbindend, mehr empathisch sind. Ich bin einer von uns. In meiner Arbeit habe ich versucht, dies sowohl mit Humor als auch mit einer soliden soziologischen Analyse anzugehen, um einen Weg zu finden, Männer ohne Abwehrhaltung, ohne Widerstand zu erreichen.

In meiner Forschung und meinem Schreiben habe ich versucht, dieses Engagement für die Geschichte mit meinem Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter zu verbinden. Ich habe mich mit »schwierigen« Themen befasst und über antifeministische Männer, Männerrechts- und Väterrechtsaktivisten und Burschenschaftler geforscht sowie versucht, die Geschichte der Idee der Männlichkeit in den USA nachzuzeichnen. Meine jüngste Arbeit befasste sich mit Projekten, die es Männern, welche gewalttätige Extremisten waren – weiße Nationalisten, Neonazis, Islamisten – ermöglichen, aus diesen Bewegungen auszusteigen und ihr Leben zu retten. Diese Männer waren an einem sehr dunklen Ort, in der Welt der Gewalt, des Rassismus und des Antisemitismus, aber sie haben ihren »Weg zum Licht« gefunden. Die Programme, die mit ihnen arbeiten, verlangen Verantwortlichkeit, gehen aber auch mit Einfühlungsvermögen und Verständnis auf diese Männer zu. Sie werden von »Ausbildern« angeleitet, die wissen, dass diese Männer nicht einfach »springen« können ohne zu wissen, dass auf der anderen Seite jemand auf sie wartet. Sie sind keine »schlechten« Männer, auch wenn sie vielleicht einige schlechte Dinge getan haben. Sie werden nicht nur durch ihre Taten definiert, sondern auch durch ihr Ziel und ihre neue Ausrichtung. Sie wurden von der gleichen giftigen Ideologie infiziert, der wir alle unterworfen wurden. In diesem Sinne sind sie vielleicht nicht abweichend, sondern eher überkonformistisch hinsichtlich ihrer Vorstellungen und Demonstration von Männlichkeit. Und durch ihr Verhalten zeigen uns die Giftigkeit dieser Vorstellungen auf.

Ich denke, das ist die wichtigste Lektion, die ich in diesen vierzig Jahren der Forschung und des Aktivismus zu lernen versucht habe: die falsche Barriere zwischen »ihnen« und »uns« niederzureißen, zu versuchen, die gemeinsame Menschlichkeit in jedem zu erkennen, und Männern mit der Demut des Schülers und nicht mit der Arroganz des Lehrers zu begegnen.

Ergänzend zu meinem lebens- und arbeitsbezogenen Überblick will ich gern noch einige der Leitfragen beantworten.

Michael, du hast bereits über deinen akademischen Zugang zu Männerstudien und Politik erzählt, aber magst du auch etwas von deinem persönlichen biografischen Zugang zu diesem Thema erzählen?
Ich wurde in der ersten Generation nach dem Zweiten Weltkrieg geboren. Und es war die erste Generation in den Vereinigten Staaten, in der mindestens die Hälfte meiner Abschlussklasse von der High School, die Hälfte der Frauen aufs College ging und Karriere machte, und die andere Hälfte nach Hause kam und Mütter wurden und Familien gründeten. Und ich stamme aus einer Familie, in der meine Mutter zu den Frauen gehörte, die man als die Betty-Friedan-Generation bezeichnen könnte. Sie las »The Feminine Mystique« und erkannte, dass sie unglücklich war. Meine Mutter und mein Vater waren beide berufstätig. Und sie waren beide sehr engagiert in ihren Karrieren. Mein Vater war auch ein sehr engagierter Vater, der sich stark einbrachte. Ich habe sehr gute Erinnerungen an eine sehr enge Beziehung zu meinem Vater, als ich noch sehr jung war. Das machte es für mich schwierig, diese mythopoetische Bewegung zu verstehen, denn diese Männer sehnten sich sehr nach dieser Verbindung zu ihrem Vater. Viele von ihnen projizierten das auf Robert Bly, wie man weiß. Aber ich hatte eine sehr karriereorientierte Mutter und einen fürsorglichen, engagierten Vater. Ich würde sagen, das hat mich dazu gebracht zu erkennen, dass Karriere etwas ist, was Erwachsene tun, nicht etwas, was Männer tun, und dass Fürsorge und Liebe auch etwas ist, was Erwachsene tun. Das heißt, indem sie diese Art von Familie hatten, haben sie Karriere und Familie verentgeschlechtlicht. Das ist also der erste Punkt.
Der zweite Zugang ist: Als ich auf der Graduate School war, arbeitete meine Partnerin in einem Frauenhaus für misshandelte Frauen. Und ich habe in der Zwischenzeit meine akademische Forschung betrieben. Meine Dissertation handelt von der französischen Steuerpolitik des 17. Jahrhunderts, die niemand, der bei Verstand ist, je gelesen hat. Aber sie arbeitete in einem Frauenhaus und wir hatten nur ein Auto, und das hatte ein Schaltgetriebe. In den USA fahren die meisten Leute keine Schaltgetriebe, wie Sie wissen, also bin ich gefahren. Und manchmal fuhren wir zu einem Haus, um die Frau aus dem Haus zu holen. Ich traf also diese Frauen, die verprügelt worden waren. Und ich sagte zu meiner Partnerin: »Ich finde die Arbeit, die ihr macht, so toll, dass ich mich daran beteiligen möchte. Ich möchte mit dir in dem Haus arbeiten.« Und sie sagte: »Das kannst du nicht, das ist nur für Frauen. Der einzige Grund, warum du weißt, wo das Frauenhaus ist, ist, dass ich nicht mit diesem Schaltgetriebe fahre.« Und ich sagte: »Nun, ich möchte mich da wirklich engagieren«, und sie sagte: »Ich habe eine gute Idee: Warum sprichst du nicht mit den Männern, die die Frauen verprügeln?« Und ich sah sie an, als wäre sie verrückt. Ich sagte: »Bist du verrückt? Ich will nicht mit ihnen reden. Sie verprügeln die Frauen! Sie sind böse. Ich will mit den Frauen reden!« Und sie sagte etwas, das ist jetzt 50 Jahre her, das für mich immer noch nachklingt: »Du gehörst zur Bevölkerungsgruppe der anderen Hälfte der Menschheit. Geh und sprich mit ihnen.« Das war also mein Einstieg in die Arbeit mit Männern. So kam ich zur Anti-Gewalt-Arbeit in Kalifornien, in Berkeley, wo ich lebte, und später in Santa Cruz, wohin ich zog, als ich meinen Doktorarbeit abschloss. Und dann engagierte ich mich in dieser nationalen Organisation, bekannt als NOMAS, der Nationalen Organisation für Männer gegen Sexismus. Ich engagierte mich in Kalifornien in dieser Organisation, und als ich nach New York zog, um meine erste Stelle als Hochschullehrer anzutreten, blieb ich in dieser Organisation. Ich verließ die direkte Arbeit mit den Männern, um mich mehr politisch in der NOMAS zu engagieren. Und auch akademisch, indem ich sagte: Was sind wir? Was lesen wir? Wie denken wir über dieses Thema? Bei meiner ersten Lehrtätigkeit unterrichtete ich den ersten Kurs im Staat New Jersey mit dem Titel »Die Soziologie der männlichen Erfahrung«. Und ich war verzweifelt. Ich wusste nicht, was wir lesen sollten. Wir haben schließlich Literatur gelesen, weil es keine sozialwissenschaftliche Forschung gab, auf die ich damals verweisen konnte. Es gab ein bisschen Psychologie, die wir benutzten. Es gab also eine Lücke in der akademischen Forschung, die sich mit Männern befasste, und ich kam aus einer pro-feministischen Perspektive dazu, wie wohl die meisten der frühen Männerforscher, wie Raewyn Connell oder Jeff Hearn, Vic Seidler, ich selbst und andere. Wir alle kamen aus einer Position der Unterstützung des Feminismus, als wir mit unserer Arbeit begannen. Die Idee der Men’s Studies war also Teil eines politischen Projekts, sie war nicht einfach nur akademisch. Sie war Teil eines politischen Projekts, das darauf abzielte, eine Literatur zur Verfügung zu stellen, die die Erkenntnisse der Frauenforschung, des akademischen Zweigs des Feminismus, aufgreift und diese Erkenntnisse auf Männer anwendet.

Gibt es ein sehr nachhaltiges, wichtiges soziales oder historisches Ereignis, das dein Denken in Bezug auf Gender und Männlichkeit im Kontext deiner Arbeit geprägt hat?
Es gibt zwei Ereignisse, die miteinander zusammenhängen. In den späten 60er, frühen 70er Jahren stand ich politisch links. Und links zu sein bedeutete für mich, gegen den Krieg in Vietnam zu sein. Das erste Ereignis war, als ich 13 Jahre alt war. Ich ging 1964 zu einer Demonstration gegen den Krieg. Es war eine der frühen Demonstrationen gegen den Krieg und eine Zeit, in der es genauso viele Leute an den Straßenrändern gab, die uns anschrieen, wie es Leute gab, die demonstrierten. Wir marschierten in Manhattan, New York City. Plötzlich schrie jemand: »Geh doch zurück nach Russland, du Kommunist!« Und da ich 13 war, bin ich natürlich sofort dazwischen gegangen und habe gesagt: »Nein, das ist patriotisch, man sollte sich von seiner Regierung distanzieren, wenn man mit ihr nicht einverstanden ist«, und einiges mehr. Wie gesagt, ich war 13 Jahre alt. Und er schrie mich weiter an: »Fick dich, du kommunistische jüdische Schwuchtel!« Ich hatte mit 13 nicht die Geistesgegenwart zu sagen: »Na ja, einer von dreien.« Dann versuchte ich, mir das zu erklären: Was ist die Verbindung von Kommunismus, Judentum und Homosexualität? Alle drei sind keine echten Männer, richtig? Juden sind keine echten Männer. Sie vergraben sich in Bücher, sind schwach und so weiter. Schwule sind keine richtigen Männer, in der öffentlichen Meinung jedenfalls. Und Kommunisten wollen alles teilen. Sie wollen nicht, dass man behält, was man hat. Alle drei sind also in der öffentlichen Meinung feminisiert. Das war so verblüffend für mich, dass es mich erschütterte. Ich erinnerte mich daran, wie ich immer wieder darüber nachdachte: Warum gerade diese drei? Was hatte es damit auf sich? Und dann war ich in meinen Teenager- und auch in meinen 20er-Jahren in der Anti-Kriegs-Bewegung sehr sichtbar und in Organisationen involviert, und natürlich hat meine Freundin meine Reden getippt. Und es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass sie damals vielleicht selbst eine Rede halten wollte. Ich war Anführer, verstehst du? Und dann fingen feministische Frauen an, die Männer der Anti-Kriegs-Bewegung zu kritisieren. Und sagten: »Moment mal, ihr behandelt uns auf eine Weise, die ihr jetzt öffentlich anprangert!« Das hat mich ebenso wirklich erschüttert. Und mir wurde klar, dass sie recht haben. Was sollten wir jetzt tun? Ich würde ab nun meine eigenen Reden schreiben, und das Ganze war wirklich eine Offenbarung für mich. Ein Teil davon war, mich ab nun in diesen Diskussionen zu engagieren. Die historischen Ereignisse sind wohl die Kritik der Frauen an dem, was ich zu dieser Zeit tat. Und die zweite Frauenrechtsbewegung hat die Kritik am Sexismus innerhalb der Bürgerrechtsbewegung und der Antikriegsbewegung wirklich auf den Weg gebracht.

Was gibt dir persönlichen Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen? Gibt es etwas, das mit der Arbeit zusammenhängt, die du getan hast oder die du tust?
Ich habe versucht, die Art von engagiertem Vater zu sein, wie es mein eigener Vater mit mir war, als ich klein war. Und dass ich meine Karriere nicht immer an die erste Stelle setze. Ich habe wirklich hart daran gearbeitet, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Jetzt, wo ich im Ruhestand bin und mein Sohn ausgezogen ist – er ist jetzt berufstätig und hat die Universität abgeschlossen – bin ich der Familienkoch. Das macht mir Spaß. Ich koche jeden Abend für meine Frau und mich, und ich habe wirklich das Gefühl, dass wir eine Partnerschaft haben.

Was macht die Männer aus, mit denen du gerne arbeitest oder deine Zeit verbringst?
Die Beziehungen, die für mich am nachhaltigsten waren, waren die zu anderen Männern, die auch positive Beziehungen zu ihren Vätern hatten, zu anderen Männern. Die Männer, zu denen ich die engsten Beziehungen pflege, sind Männer, die auch viel Liebe für andere Männer empfinden. Und bezogen auf meine Arbeit mit Männern, die viel Verletzungen und Schmerz erlebt haben, zunächst dies: Ich habe so viele von ihnen Dinge sagen hören wie »Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, dass mein Vater sagt: ich bin stolz auf dich, mein Sohn« oder dass mein Vater sagt »Ich liebe dich«, nur einmal, und sie haben es nie gehört. Meine frühere Wut auf Männer verwandelte sich mit der Zeit in Empathie, wenn sie bereit waren, sich auf unsere Arbeit einzulassen. Weil ich weiß, dass viele durch eine enorme Krise ihrer psychischen Gesundheit gehen, dass es Depressionen und Todesfälle aus Verzweiflung gibt, dass es viele Männer gibt, die sagen, dass sie keine guten Freunde haben, oder dass ihre Netzwerke so brüchig sind, dass sie nichts haben, was ihnen Halt gibt. Wir können nicht einfach sagen: »Nun, seht euch an, was ihr getan habt.« Wenn wir wollen, dass sie zu diesem Schluss kommen, müssen wir empathisch sein und uns um die Tatsache kümmern, dass sie Schmerzen haben.

Welches Projekt würdest du gerne noch realisieren, wenn du die Möglichkeit dazu hättest? Gibt es etwas, das du noch machen möchtest? Und was würdest du gerne am Ende deines Lebens erreicht haben?
Wenn ich einen Zauberstab schwingen könnte, dann wäre die weltweite Gleichstellung der Geschlechter und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mein Wunsch gewesen. Es gibt aber nicht noch das eine große Projekt. Ich habe die Arbeit, die ich in verschiedenen Bereichen geleistet habe, sehr genossen. Es gab neben der Universität, der akademischen Arbeit und dem Schreiben drei Bereiche in meinem öffentlichen Leben. Einer davon war die Arbeit mit Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen (NRO), um mit Menschen zusammenzuarbeiten, die an der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter interessiert sind, z.B. Männer finden, die ein Männernetzwerk aufbauen, oder Unternehmensführer zu inspirieren, eine Politik der Gleichstellung der Geschlechter zu entwickeln, Dinge, über die ich in meinem TED Talk spreche. Das zweite war die Zusammenarbeit mit Regierungsprojekten zum gleichen Thema, z.B. in Norwegen, Schweden, Dänemark, Island, und das hat mir wirklich viel Spaß gemacht. Und drittens habe ich direkt mit Jungen gearbeitet, vor allem in Jungenschulen in Südafrika, Australien, Neuseeland und natürlich auch in den USA. Eine Arbeit mit den Jungen darüber, was es bedeutet, männlich zu sein – das war sehr erfreulich. Und im Moment bin ich in einige neue Projekte involviert, die weniger mit Forschung und Schreiben zu tun haben, auch weniger mit Männern und Jungen. Ich arbeite an einer Art Familiengeschichte, und das macht mir sehr viel Spaß.

Gibt es eine Frage, die nicht gestellt wurde, die du aber trotzdem gerne beantworten würdest?
Ich würde gern eine Frage beantworten, mit der ich meiner Meinung nach enden sollte. Und das ist die Frage nach der Schaffung von Ressourcen für jüngere Männer. Zunächst möchte ich sagen: Ich bin sehr optimistisch, ich bin schon vom Temperament her ein Optimist. Und ich denke, dass jeder, der sich für sozialen Wandel und soziale Gerechtigkeit einsetzt, von seinem Naturell her ein Optimist sein muss, denn man muss daran glauben, dass Veränderungen möglich sind. Deshalb bin ich optimistisch, und ich denke, es ist wichtig für uns ältere Männer, das zu erkennen. Ich glaube, dass junge Menschen heute etwas vorleben, das mich extrem optimistisch stimmt, und das hat mit geschlechtsübergreifenden Freundschaften zu tun. Ich glaube, das ist eine der größten Veränderungen, im Leben junger Menschen. Ich schaue mir das Leben meines Vaters an. Ich schaue mir das Leben der Männer dieser Generation an. Sie hatten Freunde in der Highschool, im College und am Arbeitsplatz. Aber am Ende bestand ihr Freundschaftsnetz aus den Ehemännern der Schulfreunde meiner Mutter. Die meisten unserer Freundschaften sind eher für Männer meines Alters und älter. Sie sind in der Regel nach Geschlechtern getrennt. Die meisten von uns haben keine guten weiblichen Freunde. Die meisten Männer im Umfeld meiner Mutter hatten nie gute männliche Freunde. Die jungen Leute von heute sind mit geschlechtsübergreifenden Freundschaften aber sehr zufrieden. Fragt irgendeinen Teenager: »Hast du irgendwelche guten Freunde des anderen Geschlechts?« Und sie werden alle mit Ja antworten. Als ich anfing zu unterrichten, wurde ich oft gefragt: »Wie viele von euch haben einen guten Freund oder eine gute Freundin des anderen Geschlechts?« Als ich vor 40 Jahren mit dem Unterrichten begann: vielleicht 10%. Jetzt gehe ich in eine Klasse und frage: »Hat jemand keinen guten Freund des anderen Geschlechts?« Ich sehe nie eine gehobene Hand. Denkt also einen Moment über die Politik der Freundschaft nach. Mit wem schließt ihr Freundschaften? Seid ihr mit Leuten befreundet, die über euch stehen oder unter euch? Nein, das Wort, das wir verwenden, um unsere Freunde zu beschreiben, lautet: Gleiche, Gleichwertige, Peers. Junge Menschen haben heute mehr Erfahrung mit der Gleichstellung der Geschlechter in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen als jede andere Generation zuvor. Ich denke, das kann nur gut sein, denn sie können diese zwischenmenschlichen Erfahrungen mit der Gleichstellung der Geschlechter auf ihren Arbeitsplatz übertragen. Sie wissen, wie sie bessere Kollegen sein können. Sie wissen, wie man kollegial miteinander umgeht, ohne dass es problematisch wird. Ich denke, wir Älteren sollten von ihnen lernen. Ich denke auch, dass es für Unternehmen sehr klug wäre, ein Reverse-Mentoring-Programm einzuführen. Nicht ältere Männer sagen jüngeren Männern, was sie tun sollen oder wie sie es tun sollen, sondern jüngere Männer sagen es älteren Männern: »Wo ist der neue Arbeitsplatz?« Und ich bin optimistisch, dass sie diese Haltung in ihren Freundschaften nicht nur an ihren Arbeitsplatz bringen, sondern auch in ihre Ehen und in ihr Familienleben. Ich glaube, dass die Grundlagen dafür vorhanden sind. Und die jungen Leute wissen, wie es sich anfühlt.

 

 
 
 
 
 
:: Michael Kimmel, geboren 1951, lebt in Brooklyn/NYC und ist Professor für Soziologie an der Stony Brook University in New York. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Männerforschung, Gender Studies und Sexualität sowie politische und soziale Bewegungen. Er ist Mitherausgeber der »International Encyclopedia of Men and Masculinities« und des »Handbook of Studies on Men and Masculinities«, außerdem Sprecher der »Vereinigung Nationale Organisation für Männer gegen Sexismus« (NOMAS). Seit 2013 leitet er ein Zentrum für die Forschung zu Männern und Männlichkeiten, aktuell mit einem Masterstudiengang »Masculinity Studies«. Einige seiner Bücher sind »Manhood in America« (1996), »Guyland« (2008), »The Gendered Society« (2000), »Angry White Men« (2013), »Misrepresenting Men« (2010) und »Healing from Hate« (2017). – Weitere Infos und Kontakt: www.michaelkimmel.com | Twitter: MichaelS_Kimmel

»Das meiste, was ich in der Jungenmedizin gelernt habe, habe ich durch die Jungen und jungen Männer gelernt.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Bernhard Stier, Hamburg

verschmitzt schauender Junge

Interview: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Fotos: Alexander Bentheim

 
Was war dein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen-, Männer- und Väterthemen?
Ich stamme aus einem sehr empathischen, patriarchalisch geprägten Elternhaus mit klarer Rollenstruktur. Erst später, in der Auseinandersetzung mit meiner eigenen Vaterrolle und Partnerschaft, erkannte ich auch die »weichen« Seiten meines Vaters und die starke Rolle meiner Mutter, eine Familie mit 4 Kindern und allem, was dazugehört, zusammenzuhalten. Sie war es auch, die für das Thema »Gesundheit« zuständig war, einem Thema, welches mein Vater, zumindest für sich, völlig ausgeklammert hatte. Der Körper musste – vor allem auch in Bezug auf berufliche Anforderungen – »wie selbstverständlich« funktionieren.
Mein frühes Interesse für die Jugendmedizin, als Kinder- und Jugendarzt schon zu Klinikzeiten und später in eigener Praxis, lehrte mich die Erkenntnis, dass Jungen und junge Männer gegenüber Mädchen und jungen Frauen medizinisch und psychisch schlechter versorgt sind. Schnell wurde mir klar, dass dies zum einen mit der nach wie vor bestehenden Vorstellung von Männlichkeit zu tun hat (»Mann und krank geht gar nicht«), wie ich sie in meinem Elternhaus kennengelernt hatte. Zum anderen bestehen aber deutlich schlechtere Versorgungsstrukturen und medizinische Expertise – zumal, wenn scheinbar der Bedarf geringer ist, ausgedrückt etwa in verminderter Inanspruchnahme medizinischer Unterstützung. Im Laufe der Zeit sah ich viele Jungen und Männer mit Erkrankungen, die sich »rein zufällig« bei den Vorsorgeuntersuchungen ergaben und von ihnen »nicht bemerkt worden waren«. Allerdings folgte auch, je mehr ich mich mit »Jungenmedizin« – einem Begriff, den ich 2005 erstmals formulierte – beschäftigte und mir Kenntnisse erwarb, dass die Inanspruchnahme deutlich gesteigert und sehr dankbar aufgenommen wurde. Dies wiederum zeigte mir, dass ein Zuständigkeits- und Expertiseangebot sehr gut in der Lage ist, die medizinische und psychische Versorgungslage zu verbessern. Und dass es dadurch möglich ist, die Vorstellung von »Männlichkeit und Krankheit geht nicht zusammen« zu überwinden.
Im Jahr 2006 folgte daraufhin das erste Jugendmedizin-Lehrbuch (inzwischen in der 2. Auflage 2019) mit einem eigenen Jungenmedizinkapitel und 2013 das erste Handbuch zur Jungengesundheit.

Und dein politisch-thematischer Zugang?
Durch meine Tätigkeit im Netzwerk »Jungen- und Männergesundheit« lernte ich Männer kennen, die sich außerhalb des rein medizinischen Bereichs beruflich mit Jungengesundheit beschäftigen und vielfältige Expertise entwickelt haben. Gleichzeitig wurde mir umso mehr deutlich, dass hierbei in der medizinischen Versorgungsstruktur deutliche Defizite bestanden. Im Gegensatz zur Kinder- und Jugendgynäkologie gab es für Jungen und junge Männer keine vergleichbaren Strukturen und Zuständigkeiten. Als Konsequenz wurde ich zuständig für Jungenmedizin im Netzwerk »Männergesundheit« und war Mitbegründer der Fachgruppe »Jungenmedizin/Jungengesundheit« des Bundesforum Männer. Parallel dazu initiierte ich eine Beauftragung für Jungenmedizin und Jungengesundheit im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands e.V., dessen erster Beauftragter ich für diese Thematik wurde. Leider kam es bislang nicht zur Gründung einer interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Jungenmedizin/Jungengesundheit – dieses Vorhaben ist aber nicht aufgegeben.

Welche sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen und Männern?
Neben der Jugendmedizin und darin dem speziellen Lebensabschnitt »Pubertät« ist nach wie vor mein zentrales Thema die Verbesserung der medizinischen Expertise und Versorgungsstruktur für Jungen und junge Männer. Dabei sah und sehe ich einerseits meine Aufgabe darin, in zahlreichen Kapiteln zur Jungenmedizin in pädiatrischen Lehrbüchern sowie in vielfältigen Artikeln zu unterschiedlichen jungenmedizinischen Themen in medizinischen Fachzeitschriften im In- und Ausland die jungenmedizinische Expertise zu verbreiten und »in die Fläche« zu bringen. Andererseits helfe ich durch Vorträge und Seminare, das Interesse zum jungenmedizinischen Handeln zu fördern und damit die konkreten Versorgungsstrukturen zu verbessern.
Das meiste, was ich in der Jungenmedizin gelernt habe, habe ich durch die Jungen und jungen Männer, die meinen medizinischen Rat suchten und suchen, gelernt. So ist meine feste Überzeugung, dass es der beste Weg ist, über das Interesse für dieses Gebiet zum Handeln zu kommen. Die Jungen und jungen Männer danken es einem vielfältig!

Wie hat sich dein Engagement für Jungen, Männer und/oder Väter entwickelt, ggf. verändert?
Das Interesse und die Beschäftigung mit jungenmedizinischen Themen hat sich etwas in Richtung der Thematik »Jungengesundheit« verlagert, ganz im Sinne des Begründers der Salutogenese, dem amerikanisch-israelischen Gesundheitswissenschaftler Aaron Antonovsky (1923–1994), der diese als Gegenbegriff zur Pathogenese eingeführt und in einem komplexen Modell ausformuliert hat. In diesem Zusammenhang sehe ich den Wandel der »Männlichkeit« im Laufe des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts als eines der zentralen Themen an. Das Ringen der Geschlechter um ihre gleichberechtigte Rolle und Verantwortung in unserer Gesellschaft ist nach wie vor geprägt von Verlustangst und Niederlagen. Dabei zeigen sich – während ich diese Zeilen schreibe – z.T. in verheerender Weise die »Fliehkräfte« des Rückschritts in eigentlich überkommen geglaubte Männlichkeitsstrukturen. Und doch hoffe ich, dass sich die Errungenschaften eines gleichberechtigt lernendenden Miteinanders der Geschlechter nicht mehr aufhalten lassen. Jeder und Jede ist dabei gefragt!

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche oder historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Der Fall der »Berliner« Mauer und die Wiedervereinigung war und ist für mich das nachhaltigste Ereignis. Es hat wieder einmal bewiesen, dass (a) alles seine Zeit hat, (b) der Glaube an und der Einsatz für etwas, an das man glaubt, selbst wenn es noch so unwahrscheinlich ist, Erfolg haben kann, (c) Hartnäckigkeit und ein langer Atem – und nicht Mutlosigkeit und Verzweiflung – gefragt sind, und (d) letztlich nicht die Attribute »Feuer und Schwert«, sondern gegenseitiges »Verständnis und Demut« den Erfolg möglich machen. Das gilt gleichermaßen auch für das geeinte Europa – insbesondere das deutsch-französische Verhältnis.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und beruflichen Haltungen und Beziehungen?
Durch meine, nun schon seit über zwanzig Jahren währende, Beschäftigung mit der Jungenmedizin und Jungengesundheit hat sich auch meine persönliche Einstellung sehr geändert. So ist Gesundheit für mich nicht mehr selbstverständlich gegeben, sondern erfordert ein Kümmern. Krankheit ist für mich keine Niederlage, kein Manko, kein Stigma, sondern eine Herausforderung, die es entweder zu bewältigen oder anzunehmen gilt. So bin ich im beruflichen wie auch im privaten Leben langsam vom Kämpfer (Typ »lonesome cowboy«) zum Vor- und Nachdenker geworden. Dabei denke ich auch viel über meine Männlichkeitsprägung nach, wohlwissend, dass sich nicht alles so einfach über Bord werfen lässt. Diese Erkenntnisse versuche ich auch an meine Söhne und männlichen Enkel weiterzugeben bzw. sie mit ihnen zu teilen.

Drei Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit und Beziehungen zu anderen ausmachen?
Toleranz, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein.

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Jungen-, Männer- und Väterthemen? Hast du Beispiele?
Ja, einige. Zum Beispiel, dass die »Jungs« kommen und bei mir Rat suchen; dass Eltern sich an mich wenden, wenn es mit speziellen Jungen-Themen Probleme gibt. Auch dass Kolleg*innen meine Expertise anfragen und ich mit meinem Anliegen das Bewusstsein für Jungenmedizin und Jungengesundheit voranbringe, auch immer wieder gehört und gefragt werde, das ist für mich Erfolg. Ich hoffe sehr, dass das bald auch mein*e Nachfolger*in im BVKJ sagen kann – nichts ist unendlich!

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Eine von Liebe und gegenseitigem Verständnis geprägte Beziehung, eine große und empathische Familie, langjährige Freundschaften, gemeinsame Aktivitäten und geistige Herausforderungen »am Puls der Zeit«. Und nach wie vor meine jungenmedizinische Expertise »an den Mann und die Frau« bringen zu können. Das gilt auch für mein privates Umfeld mit zwei Söhnen und fünf männlichen Enkeln.

Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Dass die »Jungenmedizin« inzwischen zu einem feststehenden Begriff geworden ist und zunehmend mehr in den Fokus genommen wird. Allerdings ist eine gleichwertige medizinische Versorgung der Geschlechter noch (lange) nicht erreicht. Dranbleiben ist die Devise.

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Hier ist als erstes meine seit 35 Jahren bestehende Ausbildungstätigkeit in pädiatrischer Ultraschalldiagnostik zu nennen. Dieses seither bestehende Team aus fünf Männern stellt für mich den Idealtypus einer intensiv gelebten Männerfreundschaft dar. Diese Freundschaften haben mir sehr viele Erkenntnisse auch zur »Männergesundheit« geliefert und sind auch eine wesentliche Basis meiner beruflichen Tätigkeit. In diesem Zusammenhang ist mir auch die Verbreitung und Ausbildung sonografischer Expertise in der Jungenmedizin, und generell in der Kinder- und Jugendgynäkologie, bei jungen Kolleg*innen ein wichtiges Anliegen.
Das Netzwerk »Jungen und Männergesundheit«, allen voran Gunter Neubauer und Reinhard Winter, war(en) und sind immer noch wichtige Ideengeber, um mit meinen jungenmedizinischen Themen über den Tellerrand zu schauen.
Meine Tätigkeit im BVKJ e.V. und meine interdisziplinären Symposien zur Jungenmedizin bei den DGKJ-Kongressen – zusammen mit Maximilian Stehr, Wolfgang Bühmann und Manfred Endres.
Last but not least Alexander Bentheim, mit dem sich immer wieder trefflich über diese Themen diskutieren lässt.

Was hat die Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht hast?
Die Zusammenarbeit hat mir – neben fachlichem Input – vor allem die vielfältigen Seiten des »Mannseins« immer wieder deutlich gemacht. Man ist nicht nur einfach Mann, sondern hat vielfältige, auch für die soziale Gemeinschaft wertvolle Facetten, die es weiterzuentwickeln gilt. Es ist schön, ein Mann zu sein, aber auch immer wieder Aufgabe und Herausforderung. Diese Facetten haben mir diese Männer in unterschiedlicher Art in zahlreichen Gesprächen und Diskussionen, aber auch und gerade im Beisammensein und gemeinsamen Erleben, z.B. bei Segeltörns, nahegebracht.

Hast du eine Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmoto?
»Solange wir das Leben haben, sollen wir es mit den uns eigenen Farben der Liebe und der Hoffnung malen« (Marc Chagall).

Wo siehst du Brüche in deinen beruflichen oder freundschaftlichen Beziehungen? Wodurch wurden diese verursacht?
Im »Alpha-Tier«-Gehabe, welches auch ich zeitweilig gelebt habe. Aber das Alter macht milde und nachdenklicher. Ich versuche, diese Nachdenklichkeit, Milde und Toleranz auch meinen Söhnen und Enkeln zu vermitteln – eine nicht immer leichte Aufgabe.

Wo liegen für dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit Jungen- und Männerthemen?
»Zwei Dinge pflegen den Fortschritt der Medizin aufzuhalten: Autoritäten und Systeme« (Rudolf Virchow). Das musste ich leider immer wieder erfahren in meinem Begehren, die Jungenmedizin und Jungengesundheit voranzubringen.

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deinem Engagement an?
Dass eine medizinische Gleichberechtigung und gute gesundheitliche Versorgung, unabhängig vom Geschlecht, noch (lange) nicht erreicht ist. Meine Veröffentlichungen, Seminare und Vorträge sollen entsprechend auch dabei helfen, die hegemoniale Männlichkeit zu überwinden.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest? Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Eine interdisziplinäre AG-Jungenmedizin/ Jungengesundheit.

Eine nicht gestellte Frage, die du aber dennoch gerne beantworten möchtest?
Die Frage fällt mir gerade nicht ein, aber die Antwort wäre: »Die stärkste Musik ist die, die man macht, weil man sie mit anderen teilen will.« (Herbie Hancock)

 

 
 
 
 
 
 
:: Bernhard Stier, Arzt, Autor, Referent zu den Schwerpunktthemen Jungengesundheit, Pubertät, Jungen- und Jugendmedizin, Sonografie, lebhaft in Hamburg. Mehr zu mir gibt’s hier.

»Mich ermutigt immer wieder, wieviel Wertschätzung wir von Menschen bekommen, weil sie sich endlich gesehen und anerkannt fühlen.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Rainer Ulfers, Hamburg

Geschminkter Mann mit intensivem Blick

Interview: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Fotos: norndara, photocase.de | privat

 
Vorweg: Jungen* und Männer* sind sehr verschieden und längst nicht alle Menschen definieren sich als männlich oder weiblich. Ich verwende das Sternchen* hinter Jungen* und Männer*, um diese Vielfalt abzubilden. Ich lasse das * weg, wenn ich mich explizit auf das tradierte Jungen- und Männerbild beziehe.

Was war oder ist dein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen- und Männerthemen? Was dein politisch-thematischer Zugang?
Mein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen*- und Männer*themen lässt sich von meinem politisch-thematischen Zugang (wie sicherlich bei vielen) nicht trennen. Schon zu Beginn der Schulzeit hatte ich das Gefühl, den Anforderungen der Außenwelt, wie ein Junge zu sein hat, nicht gerecht werden zu können oder zu wollen. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Schwulsein hat mir dann neue Möglichkeiten aufgezeigt, Mann*sein anders zu definieren. Gleichzeitig war die Konfrontation mit heteronormativer Männlichkeit oft schmerzhaft oder zumindest herausfordernd.
Während des Studiums der Sozialen Arbeit und meines wachsenden sozial- und gesellschaftspolitischen Bewusstseins und Engagements konnte ich meine vorher vorwiegend subjektiven Erfahrungen erweitern und einordnen. Hierbei danke ich insbesondere auch einigen mitstudierenden Freundinnen. Durch ihre feministischen Positionierungen wurde mir letztendlich klar, dass wir Männ*lichkeiten nicht unabhängig von der Situation von Frauen* in der Gesellschaft diskutieren können. In dieser Zeit, in den 1980er Jahren, gründeten wir auch eine erste Männer*gruppe.

Welche waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen und Männern?
Ich bin 1993 mit meinem Mann nach Hamburg gezogen und hatte das Glück, eine Stelle in der gerade gegründeten Anlaufstelle für Straßenkinder (KIDS) des Trägers basis & woge e.V. zu bekommen. Die Anlaufstelle startete mit einem Konzept niedrigschwelliger und lebensweltorientierter Sozialarbeit und hier begegnete ich Jungen* (zwischen 12 und 16 Jahren) aus der Bahnhofsszene, die dort Kontakte zu Pädosexuellen hatten, bei ihnen übernachteten oder teilweise mit ihnen lebten.
Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich stark mit dem Thema Jungen* und sexualisierte Gewalt beschäftigt, und dieses Thema nicht wieder losgelassen. Es hat letztendlich dazu geführt, dass ich im Jahr 2010 die Beratungsstelle basis-praevent (Beratung für Jungen* und Männer* bei sexualisierter Gewalt) mit meinem Kollegen Clemens Fobian aufgebaut habe. Zwischen der Zeit im KIDS und der Gründung von basis-praevent habe ich noch viele Jahre in einer Anlaufstelle für männ*liche Sexworker (beim gleichen Träger) gearbeitet. Auch diese vielfältige und gleichzeitig vulnerable Zielgruppe hat mich sehr geprägt und mich mit den verschiedensten Modellen von Männ*lichkeiten konfrontiert. Insbesondere hat mich beeindruckt, dass dieses Klientel trotz diverser Problematiken wie Drogengebrauch, gesundheitlichen Gefährdungen durch HIV-Infektion, Wohnungslosigkeit, Mehrfachdiskriminierungen aufgrund von Prostitution und/oder ihrer Herkunft (viele waren bulgarische/rumänische Roma) gleichzeitig viele Ressourcen und Bewältigungsstrategien hatten, die insbesondere durch die akzeptierende und wertschätzende Haltung von den Mitarbeitenden zum Tragen kamen.

Wie hat sich dein Engagement für Jungen und Männer entwickelt, ggf. verändert?
In allen drei Arbeitsbereichen/Einrichtungen habe ich immer sehr von Netzwerkarbeit profitiert; die Auseinandersetzung mit Kolleg*innen in ähnlichen Arbeitsfeldern, das Entwickeln gemeinsamer Positionen und die Sichtbarmachung von gesellschaftlichen Missständen waren dabei handlungsleitend.
Ein Meilenstein in meiner Auseinandersetzung über Männ*lichkeiten war meine Weiterbildung in antisexistischer Jungenarbeit in der Heimvolkshochschule Frille bei Franz Gerd Ottemeier-Glücks.
Ebenso war die Notwendigkeit wichtig, sich sowohl direkt als auch theoretisch mit den speziellen Fragestellungen von Jungen*/Männern* zu befassen, die von sexualisierter Gewalt betroffen waren, und hierbei vor allem den besonderen Herausforderungen für männ*liche Betroffene aufgrund prägender Geschlechterbilder.

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Die Welle der aufgedeckten Fälle sexualisierter Gewalt in Institutionen (Katholische Kirche, Odenwaldschule etc.) ab 2010 war prägend, insbesondere auch, weil hier hauptsächlich männ*liche Betroffene waren, die vorher nicht oder kaum sichtbar waren. Alle Männer*, die 2010 an die Öffentlichkeit gingen, haben vielen anderen Mut gemacht, sich Unterstützung zu holen.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und/oder beruflichen Beziehungen?
Hier gibt es nicht nur eine wichtige Erfahrung, aber eine war sicher mein Coming-Out. Die Weiterentwicklung in der Partnerschaft und die gemeinsame Auseinandersetzung und Positionierung gegenüber Familie, Umwelt und im Beruf haben mein weiteres Handeln stark beeinflusst.
Dann bestärkt mich immer wieder in der Arbeit das mir entgegengebrachte Vertrauen und der Mut der von sexualisierter Gewalt betroffenen Jungen* und Männern*. Besonders im jährlichen bundesweiten Netzwerktreffen der Fachberatungsstellen zu sexualisierter Gewalt, die mit Jungen* und Männern* arbeiten, wird mir dabei auch immer wieder deutlich, wie wichtig die Reflexion der eigenen biografischen Erfahrungen für unsere Arbeit ist.
2022 habe ich eine angeleitete Selbsthilfegruppe für betroffene Männer* gestartet. Hier hat mich der Mut und die Offenheit der Teilnehmenden bei all ihrer Unterschiedlichkeit begeistert. Dabei wurde noch einmal deutlich, wieviel Kraft es Männern*gibt, zu merken, dass sie nicht die einzigen sind.

Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit und Beziehungen zu anderen ausmachen?
Empathie, Neugier, Solidarität, Verlässlichkeit und Eigeninitiative in Zusammenarbeit mit anderen.

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Jungen- und Männerthemen? Hast du Beispiele?
Vielen Jungen*/Männern* fällt es aufgrund zugeschriebener Rollenbilder und -erwartungen schwer, sich Hilfe und Unterstützung zu holen. Für mich ist es ein Erfolg, wenn sie bei uns die Erfahrung machen, dass es kein Eingeständnis von Schwäche, sondern eine Stärke ist, sich an eine Beratungsstelle zu wenden. Ein weiterer »Erfolg« ist es, wenn es uns in der Begleitung von Betroffenen gelingt, dass diese sich auch nach vielen schmerzhaften Jahren der eigenen Vergangenheit stellen und feststellen, dass sie ihre oftmals belastende Lebenssituation verändern können.
Ein grundsätzlicher Erfolg ist es, zu sehen, dass die Ratsuchenden durch den parteilichen Ansatz in der Arbeit bestärkt (empowert) werden und dadurch mehr die Möglichkeiten und Chancen sehen, eigenes exploratives Verhalten zu nutzen.

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Ein großes Glück ist es, viele meiner persönlichen Themen bei diesem Träger miteinfließen zu lassen. Das betrifft u.a. alle Fragen rund um Gender, sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identität, Antidiskriminierung etc., und dass diese Themen nicht nur im Kontext von Beratung, sondern auch von Netzwerkarbeit und gesellschaftlicher Auseinandersetzung bearbeitet werden können (das Persönliche ist politisch).

Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Der Aufbau der Fachberatungsstelle basis-praevent und das Durchhaltevermögen von meinem Kollegen und mir bei unsicherer Finanzierung und bei gleichzeitig immer größerer Nachfrage hat uns bestärkt, weiterzumachen und die Beratungsstelle und uns selbst ständig weiterzuentwickeln (auch wenn die Beratung erwachsener betroffener Männer* auch nach 13 Jahren, Stand 2023, immer noch nicht finanziell gesichert ist).

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Zuallererst möchte ich meinen Mann nennen, der mich immer bestärkt hat, die beruflichen Herausforderungen anzunehmen, und der sich immer für eine kritische Reflexion meines eigenen Tuns und Handelns zur Verfügung gestellt hat.
Im beruflichen Kontext waren und sind dies insbesondere die Menschen, die sich kritisch mit Männ*lichkeiten und Geschlechterfragen auseinandersetzen wollten/wollen, die über den Tellerrand gucken und – über die alltägliche Arbeit hinaus – Themen wie z.B. »Menschen mit Flucht oder Rassismuserfahrungen« oder »Intersektionalität« mitdenken.
Eine besondere Qualität hatte und hat die Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Clemens Fobian, mit dem ich 2010 gestartet bin, das Konzept einer Beratungsstelle für männ*liche Betroffene sexualisierter Gewalt umzusetzen und weiterzuentwickeln. Über 13 Jahre in dieser Zweierkonstellation vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, Standards weiterzuentwickeln und dabei immer wieder Ideen für Veränderung Raum zu geben, hat für mich einen besonderen Wert.

Was hat die Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht hast?
Lust auf eigene und gesellschaftliche Veränderungen.

Wo siehst du Brüche in deinen beruflichen oder freundschaftlichen Beziehungen? Wodurch wurden diese verursacht?
Ich bin mir unsicher, ob ich das Wort »Bruch« benutzen würde, aber ein wichtiger und nachhaltiger Einschnitt war mein eigenes Coming Out, was sich sowohl auf privater als auch beruflicher Ebene ausgewirkt hat, und dabei das Glück zu haben, dieses in einer fast 40-jährigen Partnerschaft mit meinem Mann auf vielen Ebenen gemeinsam zu bewältigen; dazu gehört auch der Weg vom Dorf in die Großstadt, die Auseinandersetzung in der Schwulenszene in den 1980er Jahren mit AIDS und damit auch mit dem Tod von Freunden.

Wo liegen für dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit Jungen- und Männerthemen?
Im Widerstand von Teilen der Gesellschaft, aber auch einzelner Individuen, stereotype Rollenbilder und -klischees in Frage zu stellen, andere sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten anzuerkennen, so also etwa in der Queerfeindlichkeit oder in aggressiven Genderdebatten. Diese Widerstände machen es jeder neuen Generation von Kindern schwer, sich ausprobieren zu können und ihre jeweils eigene Identität so zu entwickeln, dass sie nicht Abwertung und Ausgrenzung erleben, dass sie nicht unter dem Korsett gesellschaftlicher Erwartungen leiden, sondern sich zu selbständigen und selbstbewussten Menschen entwickeln können. In Bezug auf sexualisierte Gewalt sehe ich hier auch eine präventive Chance, weil ein solches gesellschaftlich verändertes Bewusstsein (in meiner Vorstellung) dazu führen würde, dass diese veränderte Gesellschaft weniger Täter*innen als auch Betroffene »produzieren« würde (mehr Verhältnisprävention statt Verhaltensprävention).

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deiner Arbeit an?
Mit anderen zu erkennen, welch positiver Gewinn es ist, sich mit Männ*lichkeiten auseinanderzusetzen und somit einerseits sich der Unterdrückung von Mädchen*/Frauen* und LGBTI+ Personen zu widersetzen und andererseits als Mann* zu erkennen, welcher Gewinn es ist, aus diesem engen Rollenkorsett der Männ*lichkeiten rauszuschlüpfen und für sich eigene Wege zu entdecken.
Auch viele Männer* sind Verlierer patriarchaler Strukturen, so ist z.B. die Suizid-Rate bei Männern* sehr hoch oder auch haben viele Jungen* und Männer* aufgrund von eigenen oder zugeschriebenen Rollenbildern Probleme, Hilfen in Anspruch zu nehmen.
Mich ermutigt immer wieder, wieviel Wertschätzung wir von Menschen bekommen, weil sie sich endlich gesehen und anerkannt fühlen, und wie viele Impulse wir gerade unter dem Ansatz der parteilichen Arbeit setzen können.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest? Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Diese Frage beantworte ich mir vielleicht, wenn ich im September 2024 mein Renteneintrittsalter erreicht habe.

Eine nicht gestellte Frage, die du aber dennoch gerne beantworten möchtest?
Zu Beginn meines Studiums 1979 hatte ich das Gefühl, dass die Gesellschaft im Auf- und Umbruch ist (gerade nach dem Mief und der Verdrängung der Nachkriegszeit). Es gab die großen Emanzipationsbewegungen und ich dachte, es gibt kein Zurück mehr. Jetzt erleben wir auf vielen Ebenen ein Rollback: immer mehr rechtes Gedankengut auch in der Mitte der Gesellschaft, Verschwörungsdenken, Spaltung der Gesellschaft, Queerfeindlichkeit, dass schon ein Gendersternchen Menschen aggressiv machen kann, und plötzlich gibt es in Buchhandlungen wieder verstärkt Aufteilungen nach rosa Mädchenbüchern und blauen Jungenbüchern … Die nicht gestellte Frage wäre also: Warum ist das so? Sehen die Menschen nicht die Vorteile einer offeneren Gesellschaft? Die Antwort überlasse ich aber anderen!

 

 
 
 
 
 
:: Rainer Ulfers, Jg. 1958, Dipl.-Sozialpädagoge und Trauma-Fachberater, wohnt in Hamburg und ist seit 1993 tätig bei basis & woge e.V.

»Es geht nicht um die Rechtfertigung einer Schuld, sondern um die Frage der Verantwortung.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Wolfgang Rosenthal, Oldenburg

Brüder

Interview: Alexander Bentheim
Fotos: Alexander Bentheim | privat

 
Was war oder ist dein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen-, Männer- und Väterthemen?
Meine Herausforderung war, wie bei vielen Menschen meiner Generation, einen Weg zu finden, mit meinem konservativen Vater umzugehen. Dieser hatte sich mit 19 Jahren freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur löste eine Vergötterung der USA vorherige »Ideale« ab und blieb trotz »Rassendiskrimierung« und Indochina-Krieg bestehen.
Die Vereinnahmung durch meine Mutter innerhalb der Familie führte zu einer Triangulation, deren implizite Aufwertung meine Emanzipation förderte. Die damit verbundene Abwertung meines Vaters erleichterte mir die Suche nach anderen Vorbildern. Viele Jahre blieb es aber eher bei einer Suche, weil die für mich konkret erlebbaren Männer an lebendigen Beziehungen wenig Interesse hatten, sie konnten meinen »Vater-Hunger« nicht stillen.

Was ist dein politisch-thematischer Zugang?
Mein erstes »politisches« Erlebnis, an das ich mich erinnern kann, war die Beerdigung von Konrad Adenauer. Warum auch immer, rief die Aussage meines Vaters: »Da wird ein großer Mann beerdigt!« intuitiv Widerspruch hervor. Als ich 10 Jahre alt war, stand die kindliche Faszination an der Studentenbewegung und ihren Aktionsformen für mich im Vordergrund.
Die Entscheidung für den Leistungskurs Soziologie in der Oberstufe, in einer Zeit des Umbruchs und der Ermutigung, hat mir weitere Informationen über Veränderungsprozesse und gesellschaftliche Dynamiken ermöglicht.
Die konkreten Handlungen gegen altes Unrecht und die Bedrohung durch Ölkrise und Atomkraft haben den Glauben an die eigene Wirksamkeit befeuert und rückblickend sicherlich auch überhöht.
Das gesellschaftliche Klima des Wandels, weg von autoritären Mustern, führte bei mir zur Ablehnung von körperlichen Strafen, die Ausdruck des Gewaltmonopols der Eltern waren. Das Erleben von Veränderung, von Alternativen und den Erfolgen von Selbstorganisation in der Friedens-, Öko- und Anti-Atomkraft-Bewegung vermittelten mir die Idee, dass die Gesellschaft gestaltbar ist. Die zeitgleich wahrzunehmende gesellschaftliche Emanzipation der Frauen und damit aufgrund der Interdependenzen auch die Veränderung von Männlichkeit ist so immer ein integraler Bestandteil meines Lebens gewesen.

Welche waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen, Männern und Vätern?
Da habe ich mehrere Themen und Beispiele. Etwa (1) die empathische und antizipierende Haltung bezüglich Opfererfahrungen. Ich war schon sehr enttäuscht, dass selbst im Schonraum eines sozialpädagogischen Studiums, 1980 war das, eine solche Haltung nicht verstanden wurde. Beispiel: Mir war es wichtig, wenn ich schnellen Schrittes durch nächtliche Straßen eine Frau vor mir geht, dann die Straßenseite zu wechseln, um sie unter Umständen zu nicht ängstigen. Auch heute noch wird eine solche Haltung vielfach aktiv abgelehnt.
Dann sind dies (2) eigene Opfererfahrungen. Ich konnte eigene Angstgefühle bei nächtlichen Unternehmungen (z.B. Disco-Besuche) wahrnehmen und mit manchen Freunden besprechen. Erfahrungen im Wehrdienst und der anschließenden Verweigerung des Kriegsdienstes schlossen sich an. Das Unverständnis vieler Männer jedoch, auch solche Sichtweisen zuzulassen, dauert bis heute an.
Ein wichtiges Thema ist für mich (3) die Körperarbeit. In meinen 20er Jahren konnte ich weitere Zugänge zu mir selbst über die Wahrnehmung meines Körpers durch Tai-Chi, kreativen Tanz, Meditation entwickeln. Auch kochen und essen – und ein bewusster Umgang mit diesen Themen – war eine befriedigende Arbeit mit Jungen hauptsächlich in der Gruppenarbeit.
Nicht zuletzt sind ein umspannendes Thema (4) die 1970er Jahre als prägende Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs. Eingebettet in eine »Blase« von selbstverständlicher Veränderung der Gesellschaft hin zu einer zukünftig gerechteren Welt waren (und sind) die Gleichberechtigung, die Angleichung der Lebensverhältnisse, die Förderung nach mehr individuellen Entscheidungsmöglichkeiten für mich immer Selbstverständlichkeiten gewesen.

Wie hat sich dein Engagement für Jungen, Männer und Väter entwickelt, ggf. verändert?
Ausgehend von den ersten Jungengruppen, die ich zu Beginn der 1980er Jahre in »meinen« Jugendhäusern initiierte, habe ich später in der Beratungsarbeit von Elternpaaren auch diesbezüglich thematisiert und gefördert. Dabei wurden schnell die besonderen Bedarfe von Vätern in der Beratung deutlich. Nach meiner eigenen Scheidung habe ich mich noch mehr mit anderen Männern getroffen und es entstanden erste Konzepte für konkrete Projekte in der Männer- und Väterarbeit. Parallel dazu gab es immer die geschlechtsbewusste Arbeit in Arbeitskreisen, die sich insbesondere mit Jungen und jungen Männer befassten.
Mit der Schaffung der ersten »Männerwohnung« wurde das systemische Handeln im Feld der konkreten Unterstützung von Familien und der Angleichung der Lebensbedingungen von Menschen, die als Frau und Mann definiert werden, konkret. Mit der Etablierung der Beratungsstelle »Männersache« 2011 und 2020 durch die MännerWohnHilfe e.V. wurde ein weiterer Schritt für die Wahrnehmung und Unterstützung von Männern als normal problembehaftete Menschen getan.

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Die eigene Scheidung und der gesellschaftliche Umgang damit haben mich sehr nachhaltig gefordert. Diese Erfahrungen haben mir erweiterte Sichtweisen auf Männlichkeitskonstruktionen ermöglicht.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und beruflichen Beziehungen?
Auch da gibt es mehreres. Das Buch »Männerphantasien« von Klaus Theweleit gehört dazu. Dann das Erleben einer eigenen, schweren Körperverletzung und des Fakts, dass diese niemanden kümmert, das hat mich dann Jahre später beschäftigt. Besonders interessant war dabei, dass es auch mich selbst zunächst nicht »beschäftigt« hat. Dies hat mich aufgefordert, mich mit der Dimension »Opfer« und Opfererfahrung noch eingehender zu beschäftigen. Eine weitere wichtige Erfahrung sind die Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen von »Kolleg:Innen*« wie auch der Öffentlichkeit auf die Haltung »Parteilichkeit für Männer*«. Diese zeigen in vielfältiger Weise, welche Sorgen und Ängste es auslöst, wenn Männer sich Sorgen und Ängsten anderer Männer gegenüber öffnen. Auch wenn dies – eigentlich – eine zutiefst menschliche Haltung ist, sind die vielfältigen Vorbehalte immer wieder Anlass zur Verwunderung.
Schließlich hat mich die Konfrontation mit zwangsverheirateten Männern gelehrt, etwa 2005 war das, dass auch dreißig Jahre geschlechtsspezifische Arbeit nicht alle blinden Flecke für das eigene Geschlecht beseitigen.

Drei Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit und Beziehungen zu anderen ausmachen?
Unsicherheit – deshalb im Kontakt lieber erst einmal etwas anbieten, dies schafft Initiative und strukturiert die Entwicklung. Fürsorglichkeit – sich heimlich ebenbürtig bis überlegen fühlen, die geliebte Konkurrenz als Verhinderer und Förderer von Beziehung und ein Weg, meine Kompetenzen zeigen zu können. Spontaneität – andere und manchmal auch mich selbst überraschen.

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Jungen-, Männer- und Väterthemen? Hast du Beispiele?
Ja, zum ersten ist das die Schaffung von Räumen, in denen Männer sich neu entdecken können. Zum Beispiel denke ich an die Beratung eines sehr »schlichten« Mannes, der in wenigen Sitzungen sein vergangenes und aktuelles Leben durchgearbeitet hat.
Zum Zweiten ist das die Ermöglichung der Verantwortungsübernahme von Männern für ihre Beziehungen. Und dazu beispielhaft ganz klar: Die Gründung des Vereins »MännerWohnHilfe e.V.« und sein inzwischen mehr als 20-jähriges Wirken für Männer in Oldenburg durch die Schaffung einer Rückzugswohnung und eines Beratungsangebots.
Und zum dritten: Möglichst authentisches Handeln in den persönlichen Beziehungen. Mein persönliches Beispiel ist meine Beziehung zu meinem verstorbenen Vater, die zunächst von erheblichen Dissonanzen geprägt war. Im Laufe der Zeit, insbesondere durch das gegenseitige Erleben im Kontakt mit meinen Kindern, konnte sie bearbeitet und zum Ende befriedet werden. Das würde ich ebenso als Erfolg bezeichnen.

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Etwas von meinem Optimismus, meiner Mit-/Leidensfähigkeit und Engagement/Solidarität teilen und im besten Fall jemandem auch mitgeben zu können.

Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Die Beziehungen zu meinen Kindern erhalten zu haben und nur noch manchmal über die nicht gemeinsam gelebten Zeiten zu weinen. Dann sicher auch der Aufbau eines Angebots für Männer, das sich ausschließlich für Menschen und für Lösungen einsetzt. Einen Verein mitzugestalten, dem seine Gründungsmitglieder nach mehr als zwanzig Jahren immer noch angehören und der bis heute innovative Ideen zur Männerarbeit umsetzt, darauf bin ich schon stolz.n

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Das »Switchboard« war lange Zeit die wesentliche Quelle der Verbundenheit und Inspiration mit »der« Männerbewegung. Auf die Ferne war damit Alexander Bentheim mir ein Korrektiv und ein Begleiter. Hans-Joachim Lenz habe ich auf der Suche nach Austausch aufgesucht und einen inspirierenden Kontakt gefunden. Auch wenn wir uns erst relativ spät, 2015, persönlich befreundet haben, ist dies der einzige Kontakt, den ich über das Engagement in der Männerarbeit persönlich vertieft habe. Inhaltlich verbunden fühle ich mich mit Björn Süfke, Frank Scheinert und Markus Theunert, mit denen ich in sehr unterschiedlicher Weise im Austausch war. Und nicht zuletzt waren die Debatten und die vielen vielfältigen gemeinsamen Erfahrungen im Kreis der Aktiven unseres Oldenburger Vereins für mich immer wieder Motor und Feedback für die Entwicklung von neuen Ideen.

Was hat die Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht hast?
Der gemeinsame Lernprozess als privilegierte, weiße, inzwischen alte Männer, die sich normal unsicher in ihrer heteronormativen Identität fühlen und dies gemeinsam und in individuell sehr unterschiedlicher Weise geteilt und gelebt haben, das hat mich am stärksten beeinflusst. Die Normalität unseres Mannseins und das Besondere, dass wir eine gute Balance zwischen Intimität und Losgelöstheit schaffen konnten, hat uns ausgemacht.

Wo siehst du Brüche in deinen beruflichen oder freundschaftlichen Beziehungen? Wodurch wurden diese verursacht?
Brüche gab es viele, wie in diesen Zeilen sicht- und vielleicht auch spürbar wird.

Wo liegen für dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit Jungen-, Männer- und Väterthemen?
Zunächst: Die hartnäckigsten Widerstände sehe ich in der gemeinsamen Abwehr von Verletzlichkeit, emotionaler Zuwendung und Sicherheit von persönlichen Beziehungen von Männern durch traditionelle Männer und große Teile der Frauenbewegung. Vertreter traditioneller Männlichkeit führen den intrapsychischen Kampf gegen die Abspaltung von Gefühlen im Außen – sowohl als Kämpfer gegen den Feminismus als auch durch die Unterstützung von Forderungen der Frauen*. Viele feministische Forderungen sind, obwohl sie aus den 1970er Jahren stammen, noch immer nicht erfüllt. Deswegen ist bis heute der bestimmende Blickwinkel der Emanzipation vom damaligen Ansatz der Klassengesellschaft, dass nur die ökonomischen Machfragen für die gesellschaftliche Reflexion wichtig sind, geprägt und verengt. Der Gender-Pay-Gap etwa in der Care-Arbeit ist bekannt. Die Vorteile für die seelische Gesundheit, sich gegen die kapitalistische Ausbeutung zu entscheiden, bleiben unerwähnt. Männer spüren diese Defizite. Frauen werden nicht als Entscheiderinnen über diese Fragen angesehen. So lange aber die emotionalen »Gewinne« nicht erreichbar erscheinen, wird auch der Verzicht auf den »Lohn« der Entfremdung problematisch bleiben. Ich bin glücklich darüber, dass ich diesen Versprechungen der Emanzipation gefolgt bin und mein Leben berührend und bewegend erlebt habe.
Dann dies: Männer werden in vielen Forderungen und Ansätzen mit dem Patriarchat gleichgesetzt. Jeder Mann wird als dessen Vertreter gesehen. Auch wenn die patriarchale Dividende eine sinnvolle Perspektive der Betrachtung ist, ist sie doch nur eine unter vielen und hat nur eine begrenzte Aussagekraft. Die Gleichsetzung von Mann und Patriarchat führt zu permanenten Rechtfertigungshaltungen und zu Abwehr. Sie verstärkt die Spaltung und die Konfrontation. Für eine Veränderung wäre aber die Stärkung gemeinsamer Ziele notwendig. Wenn die Ausgangspunkte unterschiedlich sind und wenn ein gemeinsames Ziel das der »gendergerechten« Gesellschaft ist, dann kann dies nur auf zwei verschiedenen Wegen erreicht werden. Insofern kann die weibliche Perspektive auch nicht die Richtung der Entwicklung der Männer vorgeben. Die beiden Entwicklungsstränge müssen aufeinander bezogen und unabhängig sich ergänzend, aber eben nicht gleich sein.
Bei der Frage: »Wie stehst Du als Mann zur Emanzipation?« geht es nicht um die Rechtfertigung einer Schuld, sondern um die Frage der Verantwortung. Und es geht auch nicht um die Vergangenheit, sondern um die Gestaltung der Zukunft. Solange Frauen glauben, die Entwicklung von Emanzipation müsse sich nur an ihrer Sichtweise orientieren, wird es aber keine Arbeit auf »Augenhöhe« geben. Ein unabhängiger, eigenständiger Weg würde die notwendige eigene Motivation von Männern ermöglichen. Schuld ist keine hinreichende Motivation.
Schließlich: Eine anhaltende Monopolisierung des Opferseins verstärkt den Dissens. Das »Schuldkonto« befeuert nicht nur in vielen gewalttätigen Beziehungen die Gewaltspirale, sondern behindert auch die Entwicklung einer gendergerechten Gesellschaft.

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deiner Arbeit an?
Das gute Gefühl, mit den anderen Männern zusammen Neues gestalten und unseren Weg als Männer gehen zu können.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest? Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Da bin ich mir nicht sicher, ob ich nur zu wenig ehrgeizig bin oder ob nicht schon die Sichtweise, dieses oder jenes Projekt müsse noch erreicht werden, ein Kernproblem von Männlichkeit ist. Gerne würde ich sehen, dass andere Männer unser Oldenburger Projekt nutzen, um es auf ihre Weise weiterzuentwickeln.

 

 
 
 
 
 
 
:: Wolfgang Rosenthal, Jg. 1958. Ich wohne seit 1989 in Oldenburg, habe zwei leibliche und zwei Stiefkinder, dazu fünf Enkelkinder. Ich bin Mitbegründer der »MännerWohnHilfe e.V.«, systemischer Berater, Coach und Supervisor, und war in den letzten 33 Jahren hauptberuflich im Jugendamt tätig.

Das bin noch ich

Wer sind wir, wenn wir nicht mehr das tun können, von dem wir denken, dass es uns ausmacht? Und wie finden wir das heraus?

Ein Mann spielt Geige in einem Zimmer

Text: Frank Keil
Foto: Bengelsdorf, photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 41te KW. – Stefan Moster lässt in seinem Roman »Bin das noch ich« auf einer finnische Schäreninsel einen verzweifelten Musiker allmählich wieder zu sich kommen. Es hilft: die Natur, auch die Sonate für Violine Solo von Belá Bartók.

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