Weglaufen klappt nicht

Jugendroman rund um die Themen Probleme, Ärger, prekäre Lebensverhältnisse, Laufen und Verantwortung.

Ein Junge läuft über eine Wiese

Text: Ralf Ruhl
Foto: spudnique, photocase.de

 
Rennen. Das kann Jay. Denn er rennt immer wieder weg. Vor allem vor seiner allein- aber nicht erziehenden Mutter. Die sitzt oder liegt meist auf dem Sofa, jammert und liest Liebesromane. Kriegt ihr Leben nicht auf die Reihe. Jays Vater ist in Valparaiso, genau, Südamerika oder so. Und sein Bruder Keno driftet in die Kriminalität ab, mit Sprayen, Schulschwänzen, Obdachlosigkeit. Ist das auch für Jay vorgezeichnet? Martina Wildner’s »Zu schnell für diese Welt« ist ein Jugendbuch der Extraklasse!

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Neue Typenlehre mit Rechtsdrall

Eine aktuelle Studie geht dem Phänomen der vermehrten Orientierung junger Männer an traditionellen, autoritären, rechten bis rechtsextremen Einstellungen nach und empfiehlt »professionelle junge Männerarbeit«.

drei junge Männer schauen über einen Zaun

Text: Thomas Gesterkamp
Foto: schifferklavier, photocase.de (Symbolbild)

 
Über die Lebenslagen von Männern zwischen 18 und 29 Jahren ist bislang relativ wenig bekannt. Wissenschaftliche Untersuchungen konzentrierten sich in der Vergangenheit vorwiegend auf die biografischen Phasen von Kindheit und Jugend – oder sie nahmen männliche Erwachsene unabhängig von ihrem Alter in den Blick. Carsten Wippermann vom DELTA-Institut für Sozial- und Ökologieforschung im bayerischen Penzberg versucht diese empirische Lücke zu schließen. Auftraggeber seiner gerade veröffentlichten Studie ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

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Vegan pupsender Bonus-Bruder mit Bartagame

Graphic Novel über ein Mädchen in Nöten, das sich dann auch noch mit einem neuen Bruder arrangieren muss.

Junger Mann mit Hut und gesenktem Kopf

Text: Ralf Ruhl
Foto: sto.E, photocase.de

 
Neue Schule. Angst vor Mobbing. Verlust der besten Freundin. Die eigene Herkunft kennen. Und dann noch eine Patchworkfamilie mit Bonus-Bruder. Ganz schön viel für ein zehnjähriges Mädchen. Und für die Graphic Novel »Der süßeste Bruder der Welt… und andere Irrtümer« von Elin Lindell. Die dabei gar nicht schwierig oder düster daherkommt. Sondern witzig, voller Situationskomik und mit viel Herz für alle ihre Figuren.

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Rätselhafte Wesen schauen dich an. Und dann du sie.

Die Berliner Ausstellung »Still Moving« mit Porträts der niederländischen Fotografin Rineke Dijkstra nimmt uns mit in die nicht nur visuelle Welt des Werdens unserer Körper, Gesten und Erscheinungen.

Jugendliche im Park

Text: Frank Keil
Foto: Rineke Dijkstra

 
»Still Moving« mit Arbeiten der niederländischen Fotografin Rineke Dijkstra, die von 1992 bis ins eben noch präsente 2024 reichen, ist eine bemerkenswert intensive Ausstellung. Das liegt zum einen auch daran, dass die Berlinische Galerie per se ein wunderbar helles und luftiges Ausstellungshaus ist; und zum anderen hat man in diesem Dijkstras beeindruckendes Werke sehr klug gehängt. So sind diese thematisch gebündelt, es werden aber auch immer wieder sehr galant sanfte Übergänge zwischen den Themengruppen gesetzt, und so schreitet man ganz unmerklich entspannt durch die ineinander gehenden Räume. Und irgendwann – das sei versprochen – schaut man so nach links und rechts auf die anderen Besucher und Besucherinnen und dann auf sich selbst und fragt sich mehr oder weniger direkt: Und wie sehe ich aus? Wie würde ich mich geben? Wie würde ich mich zeigen und was ist dann in den Blicken der anderen von mir zu sehen? Was ist überhaupt mit mir und was ist mit uns in all den vergangenen Jahren oder mittlerweile Jahrzehnten passiert und was wird noch passieren und wie blicken wir dann in die Welt, dass sie uns sieht und anschaut?

Zum gesamten Ausstellungsbesuch

Wenn Schuhe in verschiedene Richtungen laufen

Wie erklärt man einem Kind die Trennung der Eltern? Und wer erklärt da eigentlich was und wie?

Mutter mit Kind auf einem Sofa

Text: Ralf Ruhl
Foto: Ketut Subiyanto, pexels.com (Symbolbild)

 
Im Bilderbuch »Ruckediguh – von Kopf bis Schuh« von Kristin Schulz und Dayeon Auh versucht die Mutter, ihrer Tochter die Trennung zu erklären, indem sie Motive aus dem Märchen »Aschenputtel« aufgreift. Der Ex-Partner hat dabei offensichtlich nichts zu sagen. Ob das gut gehen kann?

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Der Großvater an der Bar, hemdsärmelig

Es gibt diesen einen Sommer, wo sich so vieles ändert. Und wo man lernt, dass gerade die Erwachsenen durch ganz eigene Untiefen waten.

zwei lachende Kinder in einem Auto

Text: Frank Keil
Foto: Nestor Ovilla, pexels.com

 
Männerbuch der Woche, 48te KW. – Mischa Kopmann schickt in seinem wunderbaren Roman »32. August« seinen heranwachsenden Protagonisten mit offenen Augen in eine nur auf den ersten Blick idyllische Welt.

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»Der Beitrag der LSBTIQ+Bewegung zur Kritik und Transformation von Männlichkeitsnormen wird immer noch unterbewertet.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Andreas Heilmann, Berlin

Mann riecht an einem Schaffell

Interview und Redaktion: Alexander Bentheim
Fotos: vortritt, photocase.de | privat

 
Andreas, was war oder ist dein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen-, Männer- und Väterthemen? Was dein politisch-thematischer Zugang?
Mein schwules Coming-out habe ich als biografischen Einschlag von individueller Freiheit und persönlicher Authentizität erlebt, inmitten eines vor- und nachlaufenden Prozesses der schmerzhaften Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Männlichkeitsnormen. Drängend war für mich in dieser Zeit eine Frage, die unmittelbar auf mein Selbstbild zielte: Bin ich als Schwuler kein Mann (mehr) oder ein Mann mit mehr Möglichkeiten? – Dieser biografische Moment führte mich politisch-thematisch über die Sozialwissenschaften zur kritischen Männlichkeitsforschung im Anschluss an Pierre Bourdieu und Raewyn Connell, die Männlichkeiten im Plural und im Kontext von gesellschaftlichen Machtverhältnissen reflektierten. Interessiert haben mich dabei immer auch die Mikroperspektiven auf Subjektivierung und alltägliche Lebenspraxen, irritiert und inspiriert von queeren, binaritätskritischen Perspektiven auf Geschlecht. Lust und Leben fanden damals eine neue Heimat im Hafen der Schwulenbewegung und ihrer assoziierten sozialen Infrastrukturen. Väterthemen wurden dann auch unmittelbar zu meinen Themen, als mein Lebensmensch und ich Co-Väter in einer Regenbogenfamilie wurden. Aus ihr sind zwei prächtige junge Menschen erwachsen.

Welche waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen, Männern und Vätern?
Um es auf ein paar Stichworte zu bringen (aber da ist sicher noch mehr drin – the best is yet to come): Coming-out-Forschung und Heteronormativitätskritik, Regenbogenfamilien, neue Arbeitswelten und Geschlecht, Männlichkeit und Rechtsextremismus, Vereinbarkeit und Care, Krisen der Männlichkeit, Männlichkeit und Für/Sorge (Caring Masculinities), Männlichkeit und Nachhaltigkeit …

Wie hat sich dein Engagement für Jungen, Männer und Väter entwickelt, ggf. verändert?
Ich bin alt genug, um mich noch in der jüngeren, (west)deutschen Schwulenbewegung beheimatet zu fühlen, aus der ich einerseits wichtige Impulse erfahren habe und die mir andererseits immer ein bisschen fremd geblieben ist. Auch wenn ich eben von neuer »Heimat« gesprochen habe – es hat nie ganz »gematcht« zwischen uns. Aktiv engagiert habe ich mich in diesem Rahmen bspw. in der Coming-out-Begleitung und in der HIV-Präventionsarbeit. Während meines Studiums, das ich privilegierterweise vor den Bologna-Reformen absolvieren durfte, hatte ich noch die Zeit und Muße für hochschulpolitisches Engagement, zum Beispiel für ein autonom organisiertes Seminar der Queer Studies. Im Jahr nach meinem Studienabschluss sammelte ich Erfahrungen als Bildungsreferent für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt bei dem Berliner Bildungsprojekt »KomBi«, aus dem später die heutige Fachstelle Queerformat hervorgehen sollte. Inspirierend war die Mitarbeit im »Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse« bei der Heinrich-Böll-Stiftung. Über die Böll-Stiftung wurde ich auch für den Pilotausbildungsgang Gender-Training gewonnen und leistete Gleichstellungsarbeit zunächst im freiberuflichen Netzwerk Genderforum Berlin und dann auch als Gender-Mainstreaming-Berater im GenderKompetenzzentrum der Humboldt-Universität zu Berlin. Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen im Genderforum Berlin befeuerten wir die junge Disziplin des Gender Trainings mit unserem breit diskutierten Debattenbeitrag »Gender-Manifest« (veröffentlicht erstmals 2006 im »Switchboard«, Heft 177). Es folgten Hochschullehre als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Studiengängen der Sozialwissenschaften, der Gender Studies und der Sozialpädagogik, stets eng angebunden an wissenschaftliche Forschung zu den oben genannten Themenschwerpunkten, sowie diverse wissenschaftliche Publikationen und kritische Interventionen, etwa meine empirisch angelegte Dissertation zur medialen Konstruktion homosexueller Männlichkeit in den Spitzen der Politik (es war die Ära von Wowereit, von Beust, Westerwelle und Beck) oder die zusammen mit Sylka Scholz an der Universität Jena initiierte Debatte um Caring Masculinities. In reiferem Alter ist es mir gelungen, mich von der Hochschule abzunabeln, und bin froh, nun völlig freiberuflich und inhaltlich ressourcenorientierter arbeiten zu können. Mit meiner eigenen Beratungspraxis in Berlin-Prenzlauer Berg biete ich Mediation, supervisorische und Coaching-Begleitung an für Gruppen und Teams im Bereich sozialer Arbeit und für Männer* zu Männlichkeitsthemen. Mein Angebot umfasst auch Körperarbeit und Achtsamkeitsübungen auf Yoga-Basis, sowie wissenschaftliche Beratung zu Geschlechter- und Männlichkeitsthemen (bspw. für die Männerarbeit und -seelsorge in der Katholischen und Evangelischen Kirche oder für das Bundesforum Männer).

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Spontan beantwortet, kommen mir drei Akte individuellen und nachhaltigen zivilen Widerstands in den Sinn – und sei es, dass sie als Erzählungen einem zivilgesellschaftlichen Aufbruch die geeigneten Ankerpunkte geboten haben: Stonewall 1969 (der Beitrag der Schwulen- bzw. LSBTIQ+Bewegung zur Kritik und Transformation von Männlichkeitsnormen wird meines Erachtens immer noch unterbewertet), etwa zeitgleich mit dem berühmten Wurf der Tomate auf dem SDS-Delegiertenkongress 1968 als Fanal der jüngeren (westdeutschen) Frauenbewegung und – 14 Jahre zuvor – die Weigerung von Rosa Parks, den Sitzplatz im Bus für einen Weißen freizugeben. Auch verneige ich mich vor der bewundernswerten Solidarität, mit der HIV-Positive und ihre Alliierten die in der AIDS-Krise der 1980er Jahre steckende Chance zur kollektiven Emanzipation ergriffen haben. Aktuell interessieren mich die vielfältigen, oft ganz unspektakulären Experimente zur Entwicklung einer selbstgenügsamen, suffizienten Lebensweise, die sich in den wenigen noch bestehenden gesellschaftlichen Nischen entfalten.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und/oder beruflichen Beziehungen?
Wie ich in Montréal mein Coming-out als innere Befreiung erleben durfte im Foucault‘schen Sinne, »dass diese Entscheidung das ganze Leben durchdringt« und daraus ein »Motor für eine Veränderung der ganzen Existenz« werden kann: wie meine Eltern und meine Freunde mich dennoch – oder gerade deswegen – als Person in meinem So-Sein annahmen und bestärkten; wie ich meinen lieben Lebensmenschen Paul kennengelernt habe und seitdem mit ihm ein gemeinsames Leben führe; wie wir als Teil einer Regenbogenfamilie Väter wurden und unsere Kinder in ihrer Entwicklung begleiten durften; wie wir für Patenkinder und Neffen/Nichten zu wichtigen Ansprechpartnern wurden und daraus nachhaltige Lebensbeziehungen entstanden; wie ich im Gespräch mit lieben Kolleg*innen und Freund*innen immer wieder auf Offenheit stoße und Inspiration gewinne; wie ich im Yoga und im modernen Tanz ein neues, selbstfürsorgliches Körpergefühl als Mann entdeckte; wie ich mich mit Bruder und Schwester über Männlichkeit und Mannsein frei und unbefangen, nicht ohne Kontroversen, austauschen kann.

 

 
 
 
 
 
:: Andreas Heilmann, Dr. phil, arbeitet in eigener Praxis für Coaching und Supervision in Berlin, www.praxis-heilmann.com.

Am Lenkrad des Lebens

Kleine Jungs in großen Autos – eine legendäre Rollenimitation.

Junge in einem Cabrio

Text und Foto: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


1975, wir sind per Daumen unterwegs durch England. In einer Kleinstadt nahe London kurzer Halt, mein Kumpel holt ein paar Sachen aus dem Lebensmittelladen. Ich warte draußen, gehe rüber zur Straße – und sehe den kleinen Jungen am Lenkrad des Cabrios. Stolz umgreift er das Lenkrad, sein Oberkörper folgt angedeuteten Rechts- und Linkskurven, an- und abschwellende Motorengräusche sind kein Problem für seine Intonation, glücklich kreuzt er durch imaginäre Welten. Dann kommt sein Vater um die Ecke, überrascht, mich und meine Kamera sehend, dann lacht er kurz. Der Kleine rutscht schnell zur anderen Seite, und gleich darauf sind beide auch schon verschwunden in ihrem Triumph.



Mehr aus der Reihe »Bilder und ihre Geschichte« im Archiv.

Ein schönes Fest

Wenn die Familie zum Feiern zusammenkommt – oha! Weil: Das kann richtig gut werden oder so gar nicht oder auch beides zugleich.

2 Frauen am Ufer eines Flusses

Text: Frank Keil
Foto: es.war.einmal.., photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 44te KW. – Marie Aubert nimmt uns in einem fulminanten Roman mit auf ein Familienfest in die norwegische Provinz. Schon der Titel fuzzt: »Eigentlich bin ich nicht so«. Wirklich nicht?! Und wie dann?

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Der Schlamm an ihren Schuhen

Zwei wichtige Foto-Ausstellungen beschäftigen sich mit dem Ende der DDR und damit, wie es mit ihr und ihren Menschen weiterging.

Mann mit Drachen auf Brache in Berlin

Text: Frank Keil
Foto: Sibylle Bergemann, OSTKREUZ

 
Was wird nun passieren? Wer unternimmt was? Wer setzt sich durch, wer bleibt auf der Strecke? Und wie schauen wir von heute aus auf das damals Geschehene? Fotograf*nnen, u.a. von der Agentur OSTKREUZ, haben je in ihre Archive geschaut und nochmals wahre Schätze gehoben – für eine fotografische Zeitreise vom November 1989 an bis ins damals so ferne Jahr 2000. Und wir erblicken noch einmal die Menschen, wie sie zu den Grenzübergängen strömen, wie sie die Mauer erklimmen, wie sie durch die hellerleuchteten Westberliner Straßen strömen; blicken auf die Männer, die sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischen und wie sie von sich selbst überrascht wirken.
Die beiden Foto-Ausstellungen »Träum weiter – Berlin, die 90er« und »An den Rändern taumelt das Glück – späte Fotografie in der DDR« sind zu sehen im C/O Berlin (Hardenbergstraße 22-24, 10623 Berlin, tägl. 11 bis 20 Uhr) und in der nGbK (Auerbacher Ring 41, Eingang Kastanienboulevard, 12619 Berlin-Hellersdorf, Donnerstag und Sonnabend 15 bis 19 Uhr). Beide Ausstellungen gehen noch bis hinein in den Januar 2025.

Hier geht’s zum Rundgang durch die Ausstellungen – von denen unser Autor so begeistert war, dass er einen Besuch dringend empfiehlt!