Nachruf auf Andreas Borter
Text: Frank Keil
Foto: capicua, photocase.de
Die Nachricht kam per E-Mail von männer.ch: Andreas Borter ist gestorben. Ich wischte die Nachricht weg und sah aus dem Fenster, während die S-Bahn in weitem Bogen aus dem Bahnhof und dem Tunnel heraus so verlässlich ins Helle fuhr. Ich schaute noch mal nach und es stimmte.
Wir sind uns gar nicht so oft begegnet. Aber manchmal reichen ja wenige Begegnungen und man lernt jemanden schätzen. Das erste Mal traf ich ihn auf einer unseren Redaktionskonferenzen vom ERNST, unserem Magazin, dem Nachfolger der Männerzeitung. Er stand in der Tür, groß und schlank, mit seinem dichten, weißen Haar und den dunklen Augenbrauen. Manchmal werden Männer im Alter noch mal auf besondere Weise schön und interessant. Es war so eine Ruhe und Sicherheit um ihn herum. Wir tagten, wir redeten, wir waren von unseren Ideen begeistert, die wir dann wieder verwarfen. Und zwischendurch gab es etwas zu essen, ein Nachtmahl, ich mag dieses mir so fremde Wort noch immer. Und er war einfach dabei.
Andreas, der Pastor und Theologe und Männeraktivist, erfahren und früh dabei, gab uns bald ein langes Interview für unsere Glaubens-Nummer, die Ausgabe 14. Wir waren gar nicht wild christlich unterwegs oder gediegen spirituell gestimmt. Uns interessierte das Glauben und das Zweifeln, egal auf welchem Feld, gleich in welche Richtung, und ich glaube (!), genau das hat Andreas gereizt, uns von seinem Weg zu erzählen, der ihn als jungen Mann damals von der Theologie zur Männerbewegung gebracht hat. »Wir befreiungstheologischen Männer sind am Anfang einfach mit den Frauen mitgelaufen, weil wir die Frauen unterstützen wollten – und weil es nichts anderes gab«, sagt er in dem Interview. In dem ich auch zu spüren meine, welche Kämpfe er als kritischer Mann innerhalb seiner Kirche ausgefochten hat und dass es ihn Kraft gekostet hat: »So bin ich nie aus der Kirche ausgetreten – und will das auch nicht. Die Kirche muss mich ertragen. Ich mute mich der Kirche zu.«
Zuletzt habe ich ihn bei einem großen Fest in Burgdorf gesehen, im Juni. Ich kannte nur wenige der Gäste. Und ich freute mich daher, dass es sich ergab, dass Andreas und ich uns gegenübersaßen und dass es so blieb. Es gab gut zu essen und zu trinken, und wir langten beide zu. Wir redeten, wir erzählten uns was oder wir schwiegen und sahen den anderen Gästen zu. Auch das schätzte ich an ihm: Dass man einfach jeweils still sein konnte.
Er ging recht früh, das Fest war noch im Gange. Aber er musste am nächsten Morgen bald los, wie er erzählte: Er würde aus der einen Richtung der Schweiz losfahren, seine Frau aus einer anderen Richtung, sie würden sich in Italien treffen, für ein paar Tage es sich gut gehen lassen, und wir nahmen uns etwas schüchtern in den Arm, und dann ging er durch den großen, bunt beleuchten Saal zum Ausgang, und ich bin mir sicher, dass er es guthat, da wo er jetzt ist.
Einen weiteren Nachruf von Christoph Walser und Markus Theunert, beide männer.ch, gibt es hier.