Von Männern für Männer

Das Bundesweite Männertreffen findet vom 8.-12. Mai im Jugendgästehaus Duderstadt zum 42. Mal statt – und mann kann noch teilnehmen, ganz ohne Bollerwagen.

Text und Interview: Alexander Bentheim
Foto: Orga-Team 2024

 
Seit 1983 gibt es das Bundesweite Männertreffen, das jährlich über die Himmelfahrtstage stattfindet, immer an wechselnden Orten, selbst organisiert von engagierten Teilnehmern, mit und für Männer jeden Alters und Vätern mit ihren Kindern. Dabei ist das Männertreffen so lebendig, emotional und vielseitig wie die Männer, die daran teilnehmen und sich in Workshops, zu Spaziergängen und Gesprächen finden. Das Männertreffen lebt durch das, was die Teilnehmer daraus machen: etwa kulturell-musikalische Angebote wie Trommeln, Didgeridoo, tanzen, Chor-Singen und malen, oder Bewegendes und Sportliches wie Boxen, Bogenschießen, Schwertkunst, Aikido, Fußball, Volleyball. Es kann aber auch philosophiert und gemeinsam zurückgeschaut werden auf gemeinsame Erfahrungen und Freundschaften, die über die Jahre entstanden sind. Ebenso gibt es Selbsterfahrungsangebote, eine Schwitzhütte, Meditationen, Entspannungsmassagen. Auch Gesprächsrunden zu vielen aktuellen Männerthemen finden statt. Ob kollektiv oder ganz individuell ausgerichtet: es ist schön und tut gut, jemanden zu finden, der die eigenen Interessen oder Erfahrungen teilt. Jeder Teilnehmer kann auch sein persönliches Projekt vorstellen und sich Anregungen und Feedback bei anderen Männern holen. Das Treffen bietet somit auch ein Testfeld, auf dem man in einem geschützten Rahmen etwas ausprobieren kann.

Philipp und Thorsten, ihr seid Teil des Orga-Teams des diesjährigen Treffens – was waren die Motive, euch in diesem Team zu engagieren? Und wird es einen Kickertisch geben?
[Philipp] Für mich ist das Motiv, eine Idee lebendig zu erhalten, und dafür einen Beitrag zu leisten, vielleicht auch etwas zurückzugeben an und in eine Gemeinschaft, die mir wichtig geworden ist, weil sie mein Leben bereichert. Neben den verpflichtenden Arbeiten macht es über die zwei Jahre aber auch viel Spaß, solch ein Treffen vorzubereiten und festzustellen, wie wir alle im Team Lösungen auch für unerwartete Probleme finden können. Und ja, einen Kicker gibt es im Haus, damit der Kopf auch mal freigeräumt werden kann 🙂
[Thorsten] Das Bundesweite Männertreffen ist für mich eine Antwort auf die Frage nach einer friedvollen Welt. Und das 42. Männertreffen ist natürlich – mit Douglas Adams gesprochen – die Antwort auf die Frage aller Fragen, nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.

Warum sollte Mann am Männertreffen teilnehmen?
[Philipp] Weil die Teilnahme so oder so eine Bereicherung bedeutet und Impulse für die eigene Weiterentwicklung geben kann. Ob in den Workshops oder in den Begegnungen mit den anderen teilnehmenden Männern während der vier Tage: es gibt immer etwas Neues zu entdecken, zu erleben, zu erfahren.
[Thorsten] Das Männertreffen ist ein Ort von Männern, die auf dem Weg sind für Männer, die auf dem Weg sind. Bunt, hierarchiefrei, selbstbestimmt, mit viel Erfahrung und offen für Neues und neue Wege; von Profis bis Schnupperern sind alle dabei. Es entwickelt sich seit 42 Jahren immer wieder neu.

Welche Männer kommen zum Männertreffen?
[Philipp] Die Bandbreite an Teilnehmern kann man als kleinen Spiegel der Gesellschaft bezeichnen, altersmäßig, berufsbezogen, beziehungsorientiert. In der Regel sind es Männer, die sich auf den Weg gemacht haben, um ihr Mannsein zu erforschen, Antworten auf Fragen zu finden und ihre Perspektiven zu erweitern.
[Thorsten] Die Männer, die da sind, bringen eine (mehr oder weniger große) Offenheit mit, sich zu zeigen und mit anderen Männern in Kontakt zu kommen. Männer, die teilweise ganz schön anders sind als man selbst. Und manchmal (im Kern) viel näher oder ähnlicher, als zunächst erwartet. Das Treffen spricht eher Männer an, die sich selbst einbringen wollen, als Männer, die ein durchgeplantes Männerseminar erwarten. Mit der Möglichkeit für alle anwesenden Männer, Workshops anzubieten oder zu besuchen, bleibt viel Freiraum, auch in dem Austausch dazwischen.

Was sagen Männer am Ende über das Treffen, wenn sie zum ersten Mal dabei waren?
[Philipp] Das beantwortet jeder Mann individuell und anders. Aber er verlässt das Treffen mit vielen neuen Eindrücken und vielleicht auch Ideen, wie er diese in seinem alltäglichen Leben umsetzen kann. Wenn er die Tage für sich und mit anderen genutzt und genossen hat, wird er vielleicht wiederkommen. Das haben wir oft erlebt und ist auch meine eigene Geschichte.
[Thorsten] Ja, und auch meine Geschichte. Ich bin im Jahre 2009 mit einem großen Gefühl der Freude und Verbundenheit nach Hause gefahren. Und wiederholt wiedergekommen.

 
Interessierte Männer können sich noch anmelden. Alle Infos und überhaupt viel zu stöbern gibt es hier: www.maennertreffen.info.

»… von Männern nicht nur Veränderung fordern, sondern auch etwas für sie, besser mit ihnen tun.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Gunter Neubauer, Tübingen

Junge mit Schaufel am Strand

Interview: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Redaktion: Alexander Bentheim
Fotos: Aridula, photocase.de | privat

 
Gunter, was war oder ist dein persönlicher, biografischer Zugang zur Jungen-, Männer- und Väterthematik? Und was dein politisch-thematischer Zugang?
In meiner Jugendzeit war ich in einem Jugendverband aktiv, bei den Pfadfindern. Es war die Zeit, in der »Der Tod des Märchenprinzen« kursierte, ein autobiographischer Roman von Svende Merian. Eines Tages teilten uns die Frauen in einem Gremium mit, dass sie sich beim nächsten Mal ohne uns treffen würden. Wir fanden das ziemlich seltsam und waren enttäuscht. Aus Trotz beschlossen wir, es ihnen gleich zu tun und uns auch mal nur unter Männern zu treffen. Irgendeiner hatte wohl auch schon was von Männergruppen gehört. Und siehe da: Wir kamen ganz gut ins Gespräch. Es war irgendwie anders als sonst, aber auch gut – so gut, dass wir das dann eine ganze Zeitlang beibehalten haben, mit Gesprächen, Wanderungen, Saunabesuchen usw. Dabei ging es um uns, um die Frauen, ums Mannsein und um vieles andere. Nicht so ganz sortiert, aber ein Anfang. Dem Miteinander hat es nicht geschadet, im Gegenteil.
Eine eigene Erfahrung waren auch meine Jahre als Erzieher in einer Kita, nämlich als erster männlicher Kollege dort überhaupt, mit über 20 Kolleginnen; die spezielle Geschlechterdynamik, die in so einer Konstellation entsteht, das Interesse der Jungen und Mädchen an mir »als Mann«, was man nicht ignorieren, aber auch nicht einfach bedienen will. Was ich damals für mich gelernt habe, versuche ich noch heute an Jüngere weiterzugeben.
Auf politischer Ebene haben mich zwei Zugänge mobilisiert. Einmal Diskussionen Ende der 1990er Jahre darüber, dass es eine Jungen- und Männerpolitik gar nicht braucht, ja streng genommen nicht einmal geben kann. Ich war da anderer Meinung, und zum Glück sind wir heute doch etwas weiter. Eine noch stärkere Wirkung hatte aber die Initiative für einen ersten deutschen Männergesundheitsbericht ab 2001, genauer gesagt die damals insgesamt ablehnende Haltung der Politik und die dabei vorgetragenen, aus unserer Sicht ziemlich fragwürdigen Argumente, noch nachzulesen auf den Seiten der DIEG. Das führte 2005 auch zur Gründung des Netzwerks Jungen- und Männergesundheit. Unsere Forderung von 2021 – nämlich: »Deutschland braucht eine Männergesundheitsstrategie!« – zeigt, dass es hier immer noch einiges zu tun gibt.

Was waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen, Männern und/oder Vätern?
Dass man von Männern nicht nur Veränderung fordern kann, sondern auch etwas für sie, besser mit ihnen tun muss. Dass man durchaus vorhandene Veränderungsbereitschaft und Veränderungswünsche von Männern entsprechend aufnimmt und unterstützt. Gelandet bin ich damit bei der Männergesundheitsförderung, da gilt ja das Gleiche: Nicht nur Problemdiskurse führen, sondern auch Ressourcen, auch manche Bedarfe anerkennen und mit den noch offenen Potenzialen arbeiten.

Wie hat sich dein Engagement für Jungen, Männer und/oder Väter entwickelt, ggf. verändert?
Meine erste Berufserfahrung war ja die als Erzieher in der Kita. Von dort aus lag die Beschäftigung mit Jungensozialisation und Jungenpädagogik nahe. Ich hatte vielleicht auch die Idee, dass man am besten früh anfängt, also bei den Jungen, wenn man was erreichen will. Heute sehe ich das entspannter – die machen eh ihr eigenes Ding. Wichtiger finde ich mittlerweile, dass die erwachsenen Männer erst mal ihre eigenen Aufgaben anpacken, dass sie bei sich selbst anfangen, sich besser verstehen lernen, sich mit sich selbst und untereinander auseinandersetzen. Ich habe heute auch mehr mit erwachsenen, mit älteren Männern zu tun und weniger mit den Jungen. Und das Körperliche ist mir wichtiger geworden, ich finde da einen guten Zugang für mich in der Eutonie.

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Ich erinnere mich, dass ich die Mondlandung mitansehen durfte. Irgendwie schien jetzt alles möglich. Auf der anderen Seite die Erfahrung als Babyboomer, dass es überall voll, dass da schon jemand anderes ist. Der Deutsche Herbst. Diskussionen um Atomkraft und Nachrüstung. Kriegsdienstverweigerung und Musterung, ein Platz in der großen Menschenkette 1983. Deprimierende Besuche in der DDR. Dann etwas zunächst eher Persönliches: Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1991 habe ich beim Standesamt mit einem Doppelnamen den Antrag gestellt, wieder nur mehr meinen Geburtsnamen verwenden zu dürfen. In diesem Zusammenhang habe ich dann angefangen, mich mit der Rechtsgeschichte der Gleichstellung zu beschäftigen – vom Frauenwahlrecht 1918 über Art 3 (2) Grundgesetz und die lange noch verfassungswidrigen Bestimmungen des BGB bis hin zur »Ehe für alle« und der »Dritten Option« im Personenstandsgesetz. Die Ergänzung von Art 3 (2) GG in 1994 – nämlich: »Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.« – und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006 hatten auch berufliche Folgen, z.B. in Projekten zum Gender Mainstreaming oder im Bereich Antidiskriminierung.

Wichtige persönliche Erfahrungen im Zusammenhang mit deinen privaten und beruflichen Beziehungen?
Der frühe Tod meines Vaters 1999. – Eine Schwitzhütte zum Abschluss unseres Projekts Jungenpädagogik 2000. – Der definitive Eintritt in die berufliche Selbständigkeit mit der Gründung von SOWIT 2003. – Die Fahrradtouren mit meinen Neffen. – Der Schreck über die Silberhochzeit: Was, schon so alt?! – Neue Aufgaben als Pateneltern. – Die Besuche unserer Großneffen. – Die Pflege von Mutter und Schwiegermutter.

Drei Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit und/oder Beziehungen zu anderen ausmachen?
Klar, entschieden – ausdauernd, beständig – mal gründlich, mal flott.

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Jungen-, Männer- und Väterthemen? Hast du Beispiele?
Halbwegs gut durch‘s Leben kommen und dabei möglichst wenig Schaden anrichten – bei mir selbst, bei anderen, für die Nachwelt.

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Zusammen mit anderen etwas bewegen, sich wirklich begegnen, feiern, sich ausruhen.

Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Gelungen: mich zu beheimaten. Stolz: nicht so mein Ding; mir reicht »zufrieden, wenn’s läuft«.

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Das gibt eine ganz lange Liste – ich nehm‘ das lieber als Anstoß, das denen bei nächster Gelegenheit mal wieder selbst zu sagen …

Was hat die Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht hast?
Das klingt ja wie eine Aufforderung zum Nachruf – zum Glück leben die allermeisten noch! Aber im Ernst: Die Männer sind bei genauerer Betrachtung so vielfältig wie das, was alles auf einer schönen Wiese lebt. Was sie vielleicht verbindet, ist die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Wunsch, dass es irgendwie besser wird mit dem Mannsein, mit der Gesellschaft, mit der Welt.

Hast du eine Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmotto?
Eher nicht – meine 92-jährige Schwiegermutter hat uns kürzlich auf dem Sterbebett mitgegeben: »Kinder, bleibt flexibel!« Und als ich sie mal fragte: »Mutter, was hältst du eigentlich von feministischer Außenpolitik?«, war ihre Antwort: »Warum nicht?!«

Wo siehst du Brüche in deinen beruflichen oder freundschaftlichen Beziehungen? Wodurch wurden diese verursacht?
Ja, die gibt’s. Vielleicht auch, weil man denkt und dachte, wir sind doch alle die Guten, wir haben im Grunde das gleiche Interesse, ohne die übliche Konkurrenz. Enttäuscht bin ich vor allem, wenn dann plötzlich doch wieder der persönliche oder institutionelle Vorteil zählt. Oder wenn ich das Gefühl habe, dass man mich hängen lässt. Manches hat sich aber auch wieder eingerenkt, zu Kündigungen kam’s selten.

Wo liegen für dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit Jungen-, Männer- und Väterthemen?
In uns selbst.

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deiner Arbeit an?
Ganz allgemein gute Rückmeldungen und Anerkennung für das, was ich mache. Mein Engagement und meine Aktivitäten verlegen sich aber – durchaus altersentsprechend – zunehmend an meinen Wohnort und in den sozialen Nahraum. Dort geht’s dann oft weniger um die ganz großen Projektionen, sondern mehr um das Sichtbare, Spürbare, Konkrete. Große Freude macht mir auch der Umgang mit Tieren und die körperliche Arbeit im Naturschutz.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest? Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Mein Projekt wäre, mich gleich morgen auf‘s Rad zu setzen und in Etappen so lange zu fahren – am besten nicht alleine –, bis das Meer zu sehen ist. Dann schwimmen, noch eine gute Rückfahrt und ungefähr so weiter machen wie bisher. Aber letztlich möchte ich erreichen, dass ich nichts mehr erreichen muss.

Eine nicht gestellte Frage, die du aber dennoch gerne beantworten möchtest?
Lieber mal daneben liegen als immer nur vorsichtig? – Ja!

 
 

 
 
 
 
 
 
:: Gunter Neubauer, Jg. 1963, Tübingen-Hirschau. Diplompädagoge, Erzieher u.v.a.m., www.sowit.de.

»Wenn aus Söhnen Männer werden – die Pubertät überstehen«

Online-Kongress mit 33 themenverwandten Interviews vom 20.-30. März 2024

Jugendlicher mit Hoodie

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: yeshil, photocase.de

 
Ein Online-Kongress mit verschiedenen Speaker*innen zum Themenkomplex »Jungen-Pubertät-Adoleszenz-Persönlichkeit-Entwicklung-Erwachsenwerden« findet seit dem 20.3. und noch bis zum 30.3. statt.
Selbstbewusst angekündigt als »Der Rettungsanker für verzweifelte Eltern von genervten Jungs«, gibt es an 11 aufeinanderfolgenden Tagen Interviews von 33 Coaches, Pädagog*innen, Trainer*innen, Entwicklungsforscher*innen, von denen einer auch der Initiations-Mentor, WalkAway-Leiter und Autor Peter Maier ist; über seine persönlichen und pädagogischen Zugänge hatte er im November im MännerWege Fragebogen berichtet. Sein Beitrag am Mittwoch, 27. März, unter dem Titel »WalkAway – Initiation ins Leben. Jugendliche auf dem Weg zu sich selbst« sind Antworten u.a. auf die Frage, was Medienflucht und illegale Autorennen mit fehlender Initiation zu tun haben.
So, wie sein Interview am Tag der Freischaltung ganztägig kostenfrei zu sehen und zu hören ist, verhält es sich auch mit allen anderen Interviews (darunter Prof. Gerald Hüther, John Aigner, Dr. Jan-Uwe Rogge), zu denen eine umfassende Übersicht mit Programm und näheren Details Auskunft gibt.
Will man auf alle Interviews dauerhaft Zugriff haben, so werden dafür Kosten erhoben, die bei der Dresdner Organisatorin und Interviewerin Franziska von Oppen per Mail zu erfragen sind.

Aggression als Ressource für Beziehungen

Seminarreihe über 4 Wochenenden ab 27. April 2024 (bis November) in Hamburg

Zwei Frauen, die sich von Angesicht zu Angesicht anschreien

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: nektarstock, photocase.de

 
»Konflikte wagen, Aggression entgiften, Klarheit gewinnen« – zu dieser Herausforderung laden Thomas Scheskat (Göttinger Institut für Männerbildung) und Heide Gerdts Frauen, Männer und diverse Menschen ein. Ob als Einzelne, als Paare oder zusammen mit Freund*innen geht es über diese vier Reisestationen:

:: Aggression – im erweiterten Sinn als Grundkraft und Ressource;
:: Sexualität als erotische Lebenskraft;
:: Abschied, Endlichkeit und Loslassen von idealen Beziehungserwartungen;
:: Lebenserfüllung im Alltag zwischen Wollen und Sollen.

Gearbeitet wird in einer festen Gruppe auf der Grundlage von Körperpsychotherapie, Tiefenpsychologie und weiteren Humanistischer Disziplinen. Details zur Reihe wie Ort, Anmeldung, Termine, Kosten etc. finden sich hier.

Es sind aktuell noch 3 Plätze frei.

Moin Ralf!

Ein langjähriger Kollege und Freund mit fundierter Beratungs- und Schreibkompetenz ist nun auch offiziell im MännerWege-Team.

Text und Foto: Alexander Bentheim


Joa, das passt. Nach so vielen Jahren immer wieder inspirierender Zusammenarbeit war diese Entscheidung füreinander nun folgerichtig.
Ralf kann – nach der Mitgründung des Göttinger Männerbüros 1986 – auf eine lange Redaktionsgeschichte zurückschauen: seit 1995 beteiligt an der Zeitschrift »paps – Die Welt der Väter«, war er auch deren Chefredakteur seit 2001, was unter seiner Leitung eine wachsende Professionalisierung der Zeitschrift nach sich zog; er verantwortete später das Väter-Dossier in »spielen und lernen – Zeitschrift für Eltern und Kinder« und schrieb den im Rowohlt Verlag erschienenen Ratgeber »Kinder machen Männer stark – Vater werden, Vater sein«. Parallel engagierte er sich ab 2009 mit Karsten Knigge vom kidsgo-Verlag und weiteren Kollegen redaktionell und mit zahlreichen eigenen Beiträgen für das Portal »väterzeit.de« und schrieb neben väterthematischen Beiträgen auch über 200 Rezensionen für »Switchboard – Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit« und unser Portal »MännerWege« – vor allem zu Kinder- und Jugendbüchern mit dem Schwerpunkt Väter im Kinderbuch.
Darüber hinaus berichtet Ralf auch über Gesundheitsthemen, Schwerpunkt Männer und Familie, für das AOK-Forum für Politik, Praxis und Wissenschaft »G+G | Gesundheit und Gesellschaft«, engagiert sich seit vielen Jahren bei der AWO, Kreisverband Werra-Meißner, in der Paarberatung und Gruppenarbeit für gewalttätige Männer und ist seit einiger Zeit auch Berater im Team des Männerhilfetelefons.

Gegründet hatten Frank und ich dieses Portal 2015, weil wir nach dem Ende von Switchboard weiter Lust auf das Schreiben und Gestalten von Texten und Themen hatten. Umso mehr freuen wir uns, dass der langjährige Kollege nun auch offiziell ins Team kommt – willkommen, Ralf, und auf weitere gute Jahre miteinander!

Wandernd durch das Trauertal

Aufschreiben, was ist. Beschreiben, was war, wie es vielleicht wieder sein könnte, auch wenn es nie wieder so sein wird – das ist eine wahre Herausforderung.

Spiegelung eines Baumes mit Herbstblättern im Wasser

Text: Frank Keil
Foto: derProjektor, photocase.de

 
Männerbuch der Woche, 7te KW. – Elke Naters erzählt in ihrem Protokollroman »Alles ist gut, bis es dann nicht mehr gut ist« nach dem Tod ihres Mannes, wie es wieder annehmbar wird, auch weil die Trauer und der bleibende Verlust zu dem gehören, was man so leichthin wie unbedarft »das Leben« nennt.

Zur Rezension

Der hat uns gerade noch gefehlt!

Zukünftig melden wir uns regelmäßig bei euch – mit einem Newsletter

Mann mit Zeitung im Café

Text: Frank Keil
Foto: inuit, photocase.de

 
Neulich stand ich mit meinem Sohn auf der Wiese vor dem Bundestag. Wir waren zwei von gut Hunderttausend, die gegen den Rechtsruck in unserem Land demonstrierten. Es lag Schnee, es war kalt, aber uns war warm. Ich mit meinem Vater auf einer Demo? Undenkbar. Er hätte das nicht gewollt und ich vermutlich auch nicht.
Eine Generation weiter ist vieles anders. Zum Glück. Was auch notwendig ist, schaut man in die Welt und wie sie bedroht ist, wie sie zum Teil in Flammen steht. Und wie zugleich die alten, überwunden geglaubten Rollenbilder zurückkehren. Wie ein Mann zu sein hat und wie eine Frau und was eine Familie ist und was nicht und ein Dazwischen soll es nicht (mehr) geben. Der ganze alte Scheiß ist wieder da – so denke ich an schlechten Tagen. Und zugleich ist viel Aufbruch, viel Hoffnung, viel Erproben, was möglich ist und jedem und jeder guttun könnte, mit allem Recht zum Irrtum. Unsere Felder, unsere Anliegen. Unsere Männerwege, auf denen wir gehen, sozusagen.

Wir haben bisher keinen Newsletter verschickt, um gezielt auf unsere Texte und Interviews und Rezensionen und Fotos aufmerksam zu machen. Falsche Bescheidenheit? Vielleicht. Scheu vor der Arbeit? Möglich. Skepsis, ob ein Newsletter wirklich gelesen wird? Auch das.
Aber: Probieren wir es doch aus! Ab jetzt wird es einen Newsletter geben, einmal im Monat.

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Männergesundheit – Wenn die Prostata drückt …

Informationen zu individuellen Therapien für Männer am 06. Februar 2024 von 18.30 bis 19.30 Uhr im Seminarzentrum des Asklepios Westklinikum Rissen

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: willma, photocase.de

 
Bei der gutartigen Prostatavergrößerung (BPH) handelt es sich um eine gutartige Vermehrung von Prostatagewebe. Die Prostata umschließt die Harnröhre und produziert ein Sekret, das im Ejakulat enthalten ist. Vergrößert sie sich, können Probleme wie z.B. Harndrang oder unvollständige Blasenentleerung auftreten. Prof. Dr. Thorsten Bach (FEBU), Chefarzt der Urologie in Rissen, spricht über individuelle Therapiemöglichkeiten.
Die Veranstaltung findet im Rahmen des »Rissener Dialog« im Seminarzentrum im Asklepios Westklinikum Rissen, Haus 5A, statt. Anmeldungen per Mail an a.lockenvitz@asklepios.com oder telefonisch unter 040. 81 91-46 69.

»Wirksame Änderungen brauchen einen langen Atem und viel Geduld.«

Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Uwe Sielert, Kiel

zwei Junge Männer am Strand

Interview: Alexander Bentheim und Ralf Ruhl
Fotos: benicce, photocase.de | privat

 
Was war oder ist dein persönlich-biografischer Zugang zu Jungen- und Männerthemen? Was dein politisch-thematischer Zugang?
Als Jugendlicher sozialisiert im Christlichen Verein junger Männer (CVJM – heute steht das »M« für Menschen) und als Student der Erziehungswissenschaft (1970-1974) kam ich während des Studiums angesichts der Beschäftigung mit kritischer Sozialisationstheorie gar nicht um die Geschlechterfrage herum. Ohnehin war ich fasziniert davon, zusammen mit Gleichgesinnten das theoretisch-analytische Handwerkszeug selbstreflexiv in gruppendynamischen Settings ausführlich auf die eigene Biografie zu beziehen. »Das Persönliche ist politisch und das Politische ist persönlich« lernten wir aus der feministischen Kritik am Patriarchat, die Notwendigkeit der solidarischen Veränderung (Bloch: »Ich bin, aber ich habe mich nicht, darum werden wir erst«) aus der marxistischen Philosophie, und die didaktische Umsetzung mit Hilfe der »dynamischen Balance von Ich – Gruppe – Thema im Globe« von Ruth Cohn aus der Themenzentrierten Interaktion (TZI). Soweit die Theorie und mein politisch-thematischer Zugang.
Im eigenen Gefühlsleben und Verhalten sah das dann nicht immer so gradlinig und klar aus. Der »stumme Zwang der Verhältnisse« produzierte zuhauf blinde Flecken im Bewusstsein des eigenen Männlichkeitsbilds und Geschlechterverhaltens. Das beobachtete Hin und Her der Selbstbilder der Jungen im Jugendzentrum zwischen »Hilfe, ich kann nicht« und »Ich bin der Größte« existierte auch bei uns Studierenden, ganz besonders bei mir, der den Kulturclash zwischen dem CVJM und dem polyamoren Marxismus eines damals kurze Zeit in Dortmund lehrenden Dieter Duhm (»Angst im Kapitalismus«) zu bewältigen versuchte. Immerhin wusste ich von Letzterem, dass auch er beim CVJM angefangen hatte, linker Aktivist und Hochschuldozent wurde, bevor er der akademischen Karriere den Rücken kehrte und ins experimentelle Weltverbesserungsmilieu eintauchte. Welt und Menschen mit jesuanischem Eifer verbessern wollte ich damals auch, nicht besonders revolutionär, eher in pädagogischer Theorie und Praxis, und mich dem »Marsch durch die Institutionen« anschließen. Nach einem Forschungsaufenthalt in den Niederlanden folgten kleinere alternative Projektgründungen und das Mittun an der beginnenden Jungen- und Männerarbeit: Vorhandenes zusammenstellen, systematisieren und vor allem in didaktischer Hinsicht weiterentwickeln.

Welche waren damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Jungen und Männern?
Mich beschäftigten [1] die Differenz und die Ähnlichkeiten zwischen dem »Prinzip Männlichkeit« und mir selbst wie auch anderen Männern, [2] Jungen- und Männersexualität, [3] die bisherige und weitergehende Entwicklung von Jungenarbeit mit ihren jeweils unterschiedlichen Akzenten (feministisch, antikapitalistisch, antisexistisch, reflektiert, gendersensibel …), und [4] vor allem die Frage, was den konkreten Jungen und Männern in den »Sozialisationsagenturen« (wie es damals kritisch-technizistisch hieß) didaktisch Hilfreiches angeboten werden kann. Seminare, Fortbildungen, Vorträge, Veröffentlichungen waren die Medien, die mir in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und Diplompädagog*innen zur Verfügung standen.

Wie hat sich dein Engagement für Jungen und Männer entwickelt, ggf. verändert?
Das Gender-Sternchen in der letzten Zeile deutet es schon an: Das Interesse an der Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Diskurse und vor allem die Einarbeitung in die Sexualwissenschaft und Spezialisierung auf Sexualpädagogik führten zur generellen Öffnung meines geschlechtsbewussten Blicks auf Jungen hin zu einer Sexual- und Genderpädagogik der Vielfalt. Meine Vision selbstbestimmterer, emanzipativer Menschen sah ich zunächst in der Erweiterung der Entwicklungsmöglichkeiten von Jungen innerhalb ihrer Geschlechtlichkeit und später in der Entdramatisierung der Geschlechtskategorie überhaupt. Es begann die Suche nach vielen anderen Identitätsankern und vor allem die Möglichkeit fluider Selbstdefinitionen, um aus der Tatsache, dass wir als Jungen und Männer (auch) »gemacht werden«, das »doing gender« zu vervielfältigen und pädagogisch zu begleiten.

Das für dich nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner Arbeit?
Schon immer war mir bewusst, dass Jungen und Männer Probleme machen und Probleme haben. Meine Probevorlesung für die Pädagogikprofessur in Kiel lautete beispielsweise »Halt suchen auf schwankendem Boden: Männlichkeit als soziales Problem«. Die erschreckenden Ausmaße männlicher Gewaltausübung waren schon immer unübersehbar, die Ausmaße sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen, die in Wellen öffentlich wurden, verstörten deutlich mein Blick auf Männlichkeit und alle bisherigen Theorien und Konzepte geschlechtsbewusster Arbeit. Mir wurde schlagartig bewusst, dass die kollektiven Traumata von Gewalterfahrungen und der aktuell immer noch ausgeübte »Missbrauch« von Kindern sowie sexuelle Grenzüberschreitungen aller Art heftig wirksam sind. Die eingeschlagenen Wege der Arbeit an männlicher Gewalt und ebenso vorhandener Bedürftigkeit wurden deshalb ja nicht hinfällig, kratzten aber nur oberflächlich am männlichen Sozialisationsmodus mit seinen toxischen Auswirkungen. Und dennoch blieb ich immer skeptisch gegenüber rein antisexistischen Programmen und einer Konzentration auf Gefahrenabwehr.

Eine wichtige persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und/oder beruflichen Beziehungen?
Ich habe die Geburt meiner beiden Söhne und meiner Tochter als Vater sehr bewusst miterlebt und meine beruflichen Tätigkeiten boten mir potentiell viele Freiräume, eine entscheidende Wegstrecke mit ihnen gemeinsam zu gehen. Ich denke, dass mir das auch weitgehend gelungen ist, wenn ich die gegenwärtige Beziehung zu den erwachsenen Kindern richtig deute. Und dennoch machen mir gelegentliche Konflikte und Rückmeldungen deutlich, wie selten mir gelungen ist, die hohen Ansprüche des beruflichen Wissens über Jungen im persönlichen Alltag zu leben. Ich hätte im kontinuierlichen Kontakt viel mehr geben und bekommen können. Ganz besonders in der Trauer um meinen mit 30 Jahren tödlich verunglückten Sohn ist mir das schmerzlich zu Bewusstsein gekommen. Auch für mich gilt also: Wirksame Änderungen brauchen einen langen Atem und viel Geduld.

Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit und/oder Beziehungen zu anderen ausmachen?
Herausfordernd, selbstkritisch-ehrlich und eine bleibende Angst vor Zurückweisung.

Was ist für dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Jungen- und Männerthemen? Hast du Beispiele?
Im Anschluss an meinen Probevortrag zur »Männlichkeit als soziales Problem« beantragte der tonangebende, kurz vor der Pensionierung stehende Pädagoge des Instituts halb ironisch einen Männerbeauftragten für die Universität Kiel. Meine Seminare im Studium und in Fortbildungen bei diversen Trägern waren immer gut besucht und manche Männer versichern mir heute noch, wichtige Impulse für die eigene Person und Arbeit bekommen zu haben.

Was gibt dir persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Dichter und ausführlicher Kontakt auf einem gemeinsamen Weg: sich selbst und andere ganzheitlich spüren beim lustvollen Imaginieren, Streiten, Leiden, Arbeiten, Tanzen und Ruhen sowie auch einsame Geistesblitze und körperliches Ausgepowertsein.

Was ist dir (mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Die Erarbeitung und Veröffentlichung meines ersten Buchs »Jungenarbeit« und die ausführlichen Diskussionen dazu mit meinen damaligen Student*innen und anderen bewegten Männern. Die Einführung des Themas »Jungen- und Männersexualität« bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und zusammen mit spannenden Aktivisten der Aids-Hilfe während meiner Mitarbeit an der personalkommunikativen HIV-Präventionskampagne. Und die Berücksichtigung des Gender-Themas bei allen sexualpädagogischen Weiterbildungen der Sexualpädagogik.

Mit welchen Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder bist es noch?
Mit den Einrichtungen, die aus meinem sexualpädagogischen Engagement – immer im lustvollen Arbeitsprozess mit anderen – hervorgegangenen sind: dem Institut und der Gesellschaft für Sexualpädagogik und vielen vor allem ehemals, manchmal immer noch dort aktiven Freundinnen und Freunden. Stellvertretend für viele möchte ich meinen langjährigen Freund Frank Herrath hervorheben, mit dem ich viele Wegstrecken gemeinsam zurückgelegt habe. Viele meiner eigenen älteren Lehrer und Tutoren sind inzwischen leider verstorben. Nennen möchte ich auch hier stellvertretend nur meine langjährigen Freunde und inspirierenden Lehrer Konrad Pfaff und Siegfried Keil, die für mich sehr unterschiedliche Beispiele für positiv gelebte Männlichkeit waren: der eine theoretisch kreativ, expressiv und fröhliche Wissenschaft treibend, der andere achtsam, integrativ und langfristig gesellschaftlich engagiert.

Was hat die Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht hast?
Mich haben ihre Botschaften und Haltungen, ihr Biss beim Denken und Handeln angelockt und begeistert sowie die Einladung zum Mitmachen und die Bereitschaft, an einer gemeinsamen Mission wechselseitig inspirierend und wertschätzend zu arbeiten.

Hast du eine Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmotto?
Lange fand ich den Kanon albern, den mein Vater trotz schrecklicher Erfahrungen im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft in seiner christlichen Gemeindearbeit am liebsten mit anderen gesungen hat: »Der hat sein Leben am besten verbracht, der die meisten Menschen hat froh gemacht«. Doch inzwischen habe ich den Kern seiner Erfahrungen im Auf und Ab seines entbehrungsreichen Lebens nachvollzogen: sich in Resonanz mit anderen auf das Verbindende, Gelungene und Stärkende zu konzentrieren.

Wo siehst du Brüche in deinen beruflichen oder freundschaftlichen Beziehungen?
Im persönlichen Liebesleben gab es einige davon, weil die Spannung zwischen dem eigenen Begehren und der persönlichen Weiterentwicklung oft in Konflikt geriet mit dem ebenso geschätzten Festhalten am Erreichten, einschließlich versprochener Beziehungstreue. Beruflich waren es weniger Brüche als Widerstände bei der gesellschaftlichen Resonanz meines sexualpädagogischen Engagements.

Wodurch wurden diese verursacht?
Die Herausforderung konservativ-dogmatischer Gruppierungen durch meine Dekonstruktion heteronormativer Lebensvorstellungen und das Eintreten für das Recht auf altersangemessene Sexualität von Anfang an führte zu gelegentlichen persönlichen Anfeindungen, die mir manche schlaflose Nacht beschieden haben.

Wo liegen für dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit Jungen- und Männerthemen?
Aus der feministische Szene spürte und spüre ich immer noch Misstrauen gegenüber einer positiven Sexualkultur, die sich nicht allein auf Gefahrenabwehr beschränkt, sondern das Recht von Jungen und Männern auf sexuelle Bildung einschließt. Da nutzen keine empirischen Hinweise auf den Mangel an sexualpädagogischer Arbeit mit Jungen als sinnvolle Gewaltprävention. Als auch der Missbrauch von Jungen in pädagogischen Organisationen bekannt wurde, wurde die Tatsache allein, dass ich mich pädagogisch mit Jungenarbeit beschäftigt habe, von einer böswilligen Journalistin in den Kontext der Missbrauchsdiskussion gestellt.

Was treibt dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deinem Engagement an?
Ich glaube trotz aller Skepsis gegenüber wissenschaftlicher Arbeit, dass es auch beim Genderthema darauf ankommt, »die Sachen zu klären und die Menschen zu stärken«. Beides tut allen gut, unabhängig von geschlechtlicher Selbstdefinition oder gesellschaftlicher Zuschreibung. Und inzwischen habe sogar ich (der Zurückweisung immer noch gern aus dem Weg geht) gelernt, in wichtigen Konflikten Position zu beziehen und auch schmerzliche Widerstände auszuhalten.

Welches Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest?
Selbstreflexiv zu erkunden, warum die Jungen- und Männerthemen in den letzten Jahren nicht mehr so sehr im Fokus meiner persönlichen und wissenschaftlichen Neugier gestanden haben. Die Beantwortung dieser Fragen war ein Anfang dazu.

Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Mit mir und meinem Leben «im Reinen sein«, wie es so schön heißt. Rückblicke auf Aufarbeitungen sind dazu ein gangbarer Weg.

Eine nicht gestellte Frage, die du aber dennoch gerne beantworten möchtest?
Nö – aber danke für die vielen Impulse!

 
 

 
 
 
 
:: Uwe Sielert, Jg. 1949, emeritierter Professor für Sozialpädagogik am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Diplom, Promotion und Habilitation in Erziehungswissenschaft. Diplom in Themenzentrierter Interaktion nach Ruth Cohn bei WILL International. Berufliche Stationen: Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Dortmund, Gastdozent an der Vrije Universiteit Amsterdam, Mitarbeiter der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln, seit 1992 Professor für Sozialpädagogik am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Forschungs- und Lehrschwerpunkte mit einschlägigen Veröffentlichungen in den Bereichen sozialpädagogische Aus- und Fortbildungsdidaktik, Sexualerziehung und Geschlechterpädagogik sowie Pädagogik der Vielfalt. Schwerpunkt im Masterstudiengang Pädagogik »Diversity and Management in Education«. Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Sexualpädagogik. – Kontakt: www.uwe-sielert.de.

Papa-Lese-Liste | Update Januar 2024

Neue – und letzte – Ausgabe der Lese- und Medienempfehlungen für Väter und Großväter

Vater und Sohn betrachten ein Bilderbuch

Text: Alexander Bentheim
Foto: behrchen, photocase.de

 
Nach über 20 Jahren Arbeit an der Papa-Lese-Liste – zusammen mit einem literarischen Kompetenzteam – gibt es nun die letzte Ausgabe vom Hildener Vater, Großvater, Rezensenten, Vorleser und 2018 auch mit dem Deutschen Lesepreis ausgezeichneten Christian Meyn-Schwarze. Die letzte Ausgabe deshalb, weil Christian zukünftig wieder mehr mit seinem Mitmach-Zirkus unterwegs ist, in Bibliotheken vorlesen, in Kindertagesstätten mit Vätern und Kindern spielen und sein ausfüllendes Opa-Leben genießen will.
Zuvor aber werden auf gut 180 Seiten – mit Stand Dezember 2023 – noch einmal zahlreiche lieferbare oder antiquarisch auffindbare Bücher und andere Medien vorgestellt, in denen aktive Väter, Großväter, soziale Väter dominant vertreten sind.

Zu seiner Motivation, diese Bücher zu sammeln und für die Papa-Lese-Liste kontinuierlich aufzubereiten, berichtete Christian umfänglich in einem früheren Beitrag. Nach wie vor gilt, dass die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und die Auswahl und Bewertung subjektiv und zum Teil auch sehr persönlich sind. Gleichwohl lädt sie zum ausgiebigen Stöbern ein und können alle Bücher für Väter-Kinder-Veranstaltungen, Tagungen, Fortbildungen und wissenschaftliche Zwecke gegen eine Versandkostenerstattung bei Christian auch ausgeliehen werden, Kontakt: meynschwarze@t-online.de.

Die aktuelle »Papa-Liste« als PDF herunterladen.

Danke, Christian, für dein langjähriges Engagement!