Rollentausch am Arbeitsplatz

Wenn Männer Männer pflegen

Drei Männer pflegen drei Männer

Text und Fotos: Jo Fröhner
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«

Manchmal passen gewisse Dinge einfach zusammen. So wie »Reno Divorce« aus Denver/USA, die ich zu Beginn ihrer diesjährigen Europa-Tour fotografieren durfte, und der »Sailer´s Barbershop« in Mannheim/Germany (und dass Rock´n´Roll und das Barbier-Handwerk eine ziemlich geniale Symbiose sind, wurde mir im Mai dieses Jahres während eines Besuchs im »Figaro´s Sons Barbershop« in Lissabon klar). Ein Termin zum Konturenschneiden im Mannheimer Stadtteil Jungbusch, ein Gespräch mit Ladenbesitzer Marco und zwei eMails später war die Frage der Location für das Shooting geklärt. Der Rollentausch von Band-Mitgliedern und Barbershop-Personal war dabei so eigentlich gar nicht geplant, das Acoustic-Set, welches die Jungs um Bandleader Brent Loveday danach zum Besten gaben, allerdings schon. Alles in allem ein fantastischer Tag, an dem wirklich alles zusammenpasste!

Ein Gitarrist und sein Publikum

Roadmovie

Männersachen

Ein Fahrradfahrer sieht zwei Männer

Text und Foto: Kerstin »kemai« Maier | »Bilder und ihre Geschichte« #8

Unterwegs in einem Industriegebiet, dabei zufällig auf die Container gestoßen (ja, die Firma gibt es wirklich). Die beiden im Hintergrund hatten zu ihrer Hochzeit ein Fotoshooting mit mir geschenkt bekommen. Der Herr im Vordergrund radelte zufällig vorbei. Während er durchs Bild fuhr, schaute er neugierig und länger als nur einen Augenblick hinüber. Solche Bilder kann man nicht inszenieren, sie sind ein Glücksfall.

Von Luis zu Mina

Eine fotografische Reise zwischen den Geschlechtern

Text: Alexander Bentheim
Fotos: Caio Jacques
Reihe »Bilder und ihre Geschichte« #7 (slideshow by click on pic)

Während seines halbjährigen Aufenthaltes in Sao Paulo (Brasilien) arbeitete der 19-jährige Fotograf Caio Jacques in einem Hostel zusammen mit der Drag Queen Luis de Lyon. Morgens mit einem Mann die Rezeption zu bedienen und abends die selbe Person auf Veranstaltungen als Frau zu treffen – das machte ihn neugierig auf den Zeitraum zwischen diesen beiden Charakteren. Er begleitete Luis für einen Tag mit der Kamera, und brachte so Licht in den Teil des Dragqueen-Alltags, welcher der Öffentlichkeit normalerweise verschlossen bleibt. Die fotografische Dokumentation entstand im April 2016 und wurde im Juni erstmals in Sao Paulo ausgestellt, ein halbes Jahr später auch in Hamburg. Sie zeigt, wie aus einem Mann eine Frau wird, aus Luis Mina – ein Portrait eines Künstlers, der zwischen den Geschlechtern reist.

Fragen an den Fotografen Caio Jacques vermitteln wir gerne via Mail an die Redaktion.

»Baby, I die for you!«

Das Musical »Assassins« in der Hamburger Laeiszhalle – eine nicht zufällige Aufführung in der Woche des G20-Gipfels

 
Text: Frank Keil
Fotos Generalprobe: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«, #6

Es gibt diese Abende, da weiß der Kritiker, dass er den Block mit seinen handschriftlichen Notizen am nächsten Morgen nicht weiter anschauen wird, wenn er wieder am Schreibtisch sitzt. Einfach weil der Abend so gut war. So ausgezeichnet, manchmal auch schlicht großartig. Und dann braucht es keine minutiöse Ableitung im nachhinein: wieso, weshalb, warum und was wann passierte, sondern das Gesehene und Gehörte klingt und schwingt noch sehr in einem nach, hat sich noch lange nicht verflüchtigt, ist also weiterhin präsent trotz Rückfahrt und Schlaf und Zähneputzen und muss jetzt nur noch in Worte gefasst werden, die den Zauber und die Kraft des erlebten Abends vielleicht ein wenig erahnen lassen.
In diesem Fall: das Musical »Assassins«, gegeben in konzertanter Fassung in der kleinen Laeiszhalle in Hamburg. Die Songs und die Texte stammen von Stephen Sondheim, der dazu vorher in das Buch von John Weidman geschaut hat. Für die Regie verantwortlich ist Pedro Reichert, am Dirigentpult stand Roun Zieverink. Der auch in den Abend einführte, der nicht zufällig in den Vortagen des G20-Gipfels stattfand, der seit Tagen Hamburg immer mehr in eine Festung verwandelt und es geht ja erst los.

Dabei hat es das Thema in sich, werden doch die Geschichten von neun Attentätern erzählt, die sich erfolgreich oder erfolglos vornahmen, amerikanische Präsidenten vom Leben in den Tod zu befördern. Und schnell ist man da beim aktuellen amerikanischen Präsidenten und der Phantasie, wenn jetzt einer einfach … man wäre ihn los und zwar ein für alle mal, auch wenn Zieverink keinesfalls dazu aufrief, auf eine Vorstellung hin eine Tat folgen zu lassen, so wie denn auch später auf der Bühne niemand theatralisch zu Boden sank, oh no.

Denn dazu ist das Stück zu klug, es unternimmt eine Art sozialpsychologische Reise quer durch die amerikanische Geschichte und variiert immer wieder die Idee des einzelnen, sich erhebenden und dann erhaben agierenden Amerikaners, der am Ende gar nicht anders kann, als zur Waffe zu greifen. Immer wieder kann da einer gar nicht anders, als sich berufen zu fühlen, ins Leben eines anderen einzugreifen, der von den anderen gewählt wurde, weil das heißt ins Rad der Geschichte zu greifen und für immer großartig zu werden; weil das heißt, nicht vergessen zu werden und einzigartig zu bleiben – ob es nun gegen Abraham Lincoln oder Ronald Reagan geht; gegen JF Kennedy oder Gerald Ford.

Immer wieder wird aus der Idee eine Tat – und immer wieder wird diese Idee mit den Idealen der amerikanischen Mythologie angefüttert, den Konstruktionen grenzloser Freiheit, die grenzenlose Macht fern der Kontrolle durch die Gemeinschaft nach sich zieht: Einer muss jetzt tun, was er tun muss, er ganz allein, gegen alle anderen, nur für sich. Baby, I die for you! So wie auch Trumps „America first!“ eben nicht »Amerika zuerst!« meint, sondern »Ich zuerst!«, wer auch immer da gerade laut »Ich!« schreit. Und Trumps Anhänger haben das auch verstanden und fühlen sich einer wie der andere entsprechend gemeint, während wir Europäer immer noch über Amerika als Land, als Gemeinschaft, als Community und damit als Ganzes rätseln, das nur nebenbei.

Das – wie gesagt – wird sehr schön erzählt, also meist gesungen; wird gekonnt abgeleitet und geschickt illustriert. Der eigentliche Clou aber ist die Musik. Denn was Zieverink mit seinen 14 Sängern und Sängerinnen und dem elfköpfigen Attentat-Orchester da hinzaubert, ist einfach eine Klasse für sich. Klar gibt es die eingängigen Melodien zum bald Mitsingen, die schmissigen Sets, die einen vertrauensselig werden lassen – wir sind ja in einem Musical (der Kunstform, die vielleicht am ehesten Amerika und seinen auch ästhetischen Idealen von Unterhaltung am ehesten entspricht). Doch Zieverink sprengt die Konventionen des Musicals, er webt einen dichten Teppich aus musikalischen Anspielungen und Zitaten, bedient sich an der Westernmusik, am volkstümlichen Walzer, an der schwelgenden Tanzmusik der großen Ballsäle, wo man in den gesellschaftliche Aufstieg hinübertanzen möchte, so dass man es geschafft zu haben glaubt, wenn man morgens erwacht. Und immer wieder setzt die Musik Gegenakzente, stört sie selbst den allzu glatten Verlauf, macht sich zuweilen lustig über sich selbst und das jeweils mit großer, gekonnter Ernsthaftigkeit.

Das in Hamburg zu erleben, der selbsternannten Musical-Stadt, wo seit Jahrzehnten das ästhetische Imperium der Stage School nicht nur die Touristenströme lenkt, sondern mehr noch das Genre Muscial glatt bügelt und nivelliert und seines aufmüpfigen Charakters beraubt hat, war noch mal ein ganz besonderes Vergnügen.

 
Cast Rob Pitcher | Thomas Schreier | Johannes Beetz | Luciano Di Gregorio | Vini Gomes | Pedro Reichert | Sabine Meyer | Rosalie de Jong | Mark van Beelen | Dennis Henschel | Eszter Végvári | Stuart Pattenden | Sebastian Prange | Theresa Löhle
Orchester Thore Vogt | Jana Gugenheimer | Tom Richter | Dominic Harrison | Peter Harrison | Ken Dombrowski | Benjamin Stanko | Tamás Bárány | Vincent Dombrowski | Freya Obijion | Tobias Meisner

Puppen sehen uns an

Die Hamburger Fotografin Julia Steinigeweg zeigt im Rahmen der Ausstellung »Gute Aussichten – junge deutsche Fotografie« ihre bemerkenswerte Arbeit »Ein verwirrendes Potential«.

Zwei Hände liegen auf dem Bauch einer Puppe

Text: Frank Keil
Foto: Julia Steinigeweg

Julia Steinigewege hat für ihre Abschlussarbeit an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften Puppen fotografiert, die mit Menschen zusammen leben. Und sie hat die folglich dazugehörigen Menschen abgelichtet. »Ich habe mich gefragt, was ein Mensch benötigt, um Liebe oder ein Gefühl der Liebe zu empfinden«, sagt sie. Dabei gehört es zur Ausgangslage ihres fotografisch forschenden Projektes, dass diese Art des Zusammenlebens unter dem Fokus der Liebe und der Beziehung nicht selbstverständlich sein dürfte, im Gegenteil: »Die meisten würden behaupten, dass es ein Gegenüber geben muss, auf das man seine Gefühle projezieren kann, und dass es ein Miteinander geben muss, mit dem man arbeiten und mit dem man zusammen wachsen kann.« Sie sagt: »Ich fand die Frage interessant, ob ein Austausch von Gefühlen notwendig ist oder jeder für sich alleine fühlt und liebt und damit losgelöst vom anderen Liebe erfährt«. Kurzum: »Welche Rolle spielt das Gegenüber, das in diesem Fall nur physisch vorhanden ist und nicht psychisch?«.

Zum Ausstellungsbericht

»Ikarus landet«

Ausstellung von Arbeiten des Dresdener Künstlers und Märchenerzählers Frank-Ole Haake in der Fachstelle Jungen- und Männerarbeit

Auschnitt eines Gemäldes von Frank-Ole Haake

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: Frank-Ole Haake (Ausschnitt eines der Gemälde zum Ikarus-Thema)

In Dresden wird derzeit die Ausstellung »Ikaros landet« des Künstlers und Märchenerzählers Frank-Ole Haake vorbereitet, die in der Fachstelle Jungen- und Männerarbeit des Männernetzwerk Dresden e.V. (Schwepnitzer Str. 10, 01097 Dresden, Tel. 0351 7966348) vom 29. September (mit Vernissage um 18 Uhr) bis zum 15. Dezember (mit Finissage um 14.00 Uhr) stattfinden wird.
Frank-Ole Haake, der seit bald 20 Jahren auch auf vielfältige Weise in der Jungen- und Männerarbeit engagiert war (u.a. Männerzentrum im Biotop Kümmelschänke, Anti-Gewalt-Trainings, Einzelfall- und Familienhilfe) freut sich, dass mit der Ausstellung sein Arbeitsansatz – nämlich »wertschätzend, um Wunden und Traumata wissend, visionär, Wurzeln bildend« – eine weitere mediale Aufmerksamkeit erfährt. Zur Ausstellung wird es ein Begleitprogramm geben, mit dem Kindergärten und Schulen die Möglichkeit bekommen, sich an Hand der Arbeiten oder auch mittels der Märchen mit dem Thema Junge- und Mannsein auseinanderzusetzen – neue Geschichten zu Mann-Sein und Männlichkeit, insbesondere in diesen Zeiten, „wo die alten Krieger wieder Morgenluft schnuppern wollen“.
Wer nicht in Dresden dabei sein kann oder vorab schon neugierig auf die Arbeiten von Frank-Ole Haake ist, wird auf einer der vielen künstlerischen Seiten unter www.ole-bildermensch.de fündig – darunter Gemälde, Linoldrucke, Grafiken von Wasserskulpturen, Landschaften, Frottagen, Fotos von einem Garten der Träume – oder lauscht den Märchen und Mythen der Welt, die in »Oles Märchenkoffer« auf seinem YouTube-Kanal zu finden sind.

Weitere Infos zur Ausstellung und zum Begleitprogramm gibt es hier sowie im Flyer zur Ausstellung und auch direkt bei Frank-Ole Haake, Atelier in der Schokofabrik, Hopfgartenstrasse 1a, 01307 Dresden, Tel. 0351 4061455, sound@ole-bildermensch.de.

Von Hypermaskulinität bis Feminität

Mandeep Raikhy, Choreograf aus Indien, zeigt differenzierte Männlichkeiten im Tanz – auf dem Hamburger Kampnagel vom 5.-7. November

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Fotos: Soumita Bhattacharya
Reihe »Bilder und ihre Geschichte« #5

Der renommierte Hamburger Veranstaltungsort für zeitgenössische darstellende Kunst »Kampnagel« präsentiert im Rahmen der »India Week 2015« zum ersten Mal eine Arbeit des indischen Choreografen Mandeep Raikhy, Absolvent des »Laban Dance Centre« in London, Leiter des »Gati Dance Forum« in Neu Delhi und einer der zurzeit interessantesten Protagonisten des zeitgenössischen Tanzes in Indien.
In seinem Stück »A MALE ANT HAS STRAIGHT ANTENNAE« seziert er gängige Vorstellungen von Männlichkeit, die sich im weiten Spektrum von Hypermaskulinität bis hin zu Feminität bewegen. Er widmet sich mit einem Ensemble aus sechs Tänzern und einer Tänzerin der Beschaffenheit des männlichen Körpers. Die Tänzer vergleichen Körperteile als Andeutung auf die klischeehafte männliche Sucht nach Wettbewerb, sie synchronisieren abstrakte Alltagsbewegungen und kreieren offene, humorvolle und zärtliche Situationen – ein Spiegel für das, was ist, und Ideen dafür, was sein könnte.

Koordinaten: Do 5.11. und Fr. 6.11. und Sa 7.11., Kampnagel Internationale Kulturfabrik GmbH, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg, Saal »K1«, jeweils 20 Uhr, Dauer ca. 55 Min., 18 Euro (erm. 10 Euro). Weitere Infos und Ticketreservierungen gibt es hier.
Special: Am Freitag, 6.11., gibt die Tanzkritikerin Gabriele Wittmann vor der Vorstellung um 19 Uhr einen Einblick in die zeitgenössische Tanzszene in Indien. Nach dem Stück findet ein Publikumsgespräch mit Mandeep Raikhy statt.

Männer, mit denen man einen Abend verbringen möchte

Die unaufdringlichen Portraits von Gilles Soubeyrand

Text und Interview: Alexander Bentheim
Fotos: Gilles Soubeyrand
Reihe »Bilder und ihre Geschichte« #4 (slideshow by click on pic)

Nachdenkliche Gesichter, das fällt als erstes auf, wenn man die Männerportraits von Gilles betrachtet – und nicht nur einen kurzen Blick auf sie wirft. Vertieft in sich selbst oder konzentriert auf etwas, mit dem sie in diesem Moment beschäftigt sind. Oder aufmerksam für etwas sind, was außerhalb des Bildes, nicht sichtbar, nicht einmal ahnbar für den Betrachter, gerade zu passieren scheint.
»Ich fotografiere Menschen, keine Kleiderständer. Ich suche natürliche Gesichter mit starker Ausstrahlung«, sagt Gilles im Text seiner SedCard. Und deshalb sehen wir keine Typen, die Überlegenheit verkörpern oder andere ihre Verbitterung spüren lassen – sondern Persönlichkeiten, die authentisch erscheinen, einige fast schüchtern, andere stolz, auch geheimnisvoll, gar weise. Die Spuren des Lebens in ihren Gesichtern so nah betrachten zu können ist ein Glück und liegt nicht zuletzt am Gefühl des Fotografen für den Augenblick.
Gilles portraitiert Männer, mit denen man einen Abend verbringen möchte, bei einem guten Roten, um etwas von ihnen zu erfahren, wie sie die Welt sehen und welchen Rat sie wohl bereit halten würden, fragte man sie nach einem. Ob sie einen geben würden, wissen wir nicht. Aber Gilles kann ich befragen nach seinen Portraits und den Momenten ihrer Entstehung.

Gilles, sind Menschen deine hauptsächlichen Fotomotive?
Ja. Denn Menschen sind so unterschiedlich. Sie sind groß, klein, dick, dünn, haben unterschiedliche Haut- und Haarfarben. Vor allem aber – sie leben. Wenn ich mal vergleiche: Ein Gebäude kann ich mir anschauen. Wenn ich es nochmal sehen möchte, kehre ich dorthin zurück. Durch meine jahrzehntelange Erfahrung in der Fotografie habe ich unbewusst gelernt, Bilder in meinem Kopf zu speichern. Also brauche ich von Gebäuden keine Fotos zu machen.
Dagegen ist das Portrait eines Menschen ein unwiderbringlicher Moment, eine 1/125 Sekunde im Leben eines Menschen. Eine Gesichtsausdruck, ein Augenaufschlag, eine Geste. Das kommt so nie wieder. Ich fotografiere Menschen, weil sie leben.

Wo suchst und findest du die Männer, die du portraitierst?
Ich suche sie nicht, ich finde sie. Ich fotografiere sehr viel auf Jazzkonzerten. Und dies ist nach wie vor eine ziemliche Männerdomäne. Die Portraits sind fast ausschliesslich Live-Momente von Musikern, die mich teilweise schon lange kennen, meine Bilder mögen und Vertrauen zu mir haben. Die spontanen Live-Momente sind für mich viel spannender als arrangierte und gestellte Bilder.
Die meisten Männer, die ich fotografiert habe, sind eher introvertiert. Sie haben es nicht nötig, typisch männliche Merkmale wie Muskeln und Entschlossenheit zur Schau zu stellen. Sie leben aus dem Bauch heraus und haben ein natürliches Selbstbewusstsein. Und genau deshalb werden sie für mich als Fotograf interessant.

Mit welchem Blick schaust du auf Männer, mit welchem auf Frauen – die du ja auch fotografierst? Was ist gleich, was ist anders für dich als Fotograf?
Ein Mann muss Charakter, eine gewisse Weisheit und Intelligenz, kurz: eine Persönlichkeit ausstrahlen, damit er für mich fotografisch interessant wird. Nur ein durchtrainierter Body verbunden mit einem ausdruckslosen Blick reizen mich fotografisch nicht. Übrigens gilt das gleiche im Wesentlichen auch für Frauen. Übertrieben gestylte Frauen in aufreizender Kleidung, aber ohne Ausdruck im Gesicht, lassen mich kalt.
In erster Linie sind sowohl Männer wie Frauen Menschen. Und der jeweilige Mensch als Person muss mich interessieren, bevor ich ihn fotografiere. Dazu reicht bei mir eine ganz kurzer Blick – 1 bis 2 Sekunden – ob dieser Mensch mich interessiert.
Natürlich schaue ich ganz unterschiedlich auf Männer und Frauen. Bei einem Mann achte ich auf das Gesamtbild. Wie bewegt er sich, wie redet er, wie ist seine Mimik und Gestik? Bei einer Frau spielt zusätzlich ein gewisser erotischer Faktor eine Rolle. Hier riskiere ich manchmal einen etwas intensiveren »fotografischen« Blick auf das Gesicht, ohne dieser Frau zu nahe zu treten. Mein Fokus liegt dabei auf den Augen. Der zweite Blick fällt auf die Haare. An diesen beiden Merkmalen bleiben ich dann meist hängen. Wenn bei einer Frau, hier, mein Interesse geweckt ist, dann sind andere körperliche Merkmale wie Oberweite, Taille und Po zweitrangig.

Du fotografierst fast ausschließlich schwarzweiß? Warum?
Meine Originalbilder sind farbig. Beim Bearbeiten der Bilder suche ich geeignete Bilder heraus, die ich dann zusätzlich in Schwarzweiß bearbeite.
Die ganze Welt ist farbig, das Fernsehen ist farbig, die Werbung ist farbig, das Internet ist farbig. Unsere Augen sind von Farben übersättigt, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der das Fernsehen, die Kinofilme und die Fotos noch schwarzweiß waren. Man hat in seiner Phantasie die Farben hinzugefügt. Die großen Fotografen wie Newton, Lindbergh oder Bresson haben meist schwarzweiß fotografiert.
Schwarzweiße Bilder lenken das Auge auf das Wesentliche, das Auge wird nicht abgelenkt durch eine Farbe, die vom eigentlichen Bildinhalt ablenkt. Durch die Bearbeitung eines Farbbildes in Schwarzweiß verschwinden oft auch störende Elemente im Bildhintergrund oder Farbstiche.
Seit der digitalen Fotografie erfährt die Schwarzweißfotografie eine Art Renaissance. Man hat hier die Möglichkeit, aus einem Farbbild unendlich viele Schwarzweiß-Versionen zu machen. Und aus meiner Erfahrung mit über 100 Shootings kann ich sagen: Ausnahmslos jedes meiner Models war von meinen Schwarzweißbildern begeistert.

Wer oder was inspiriert dich in der Fotografie?
Inspiriert werde ich durch schauen, schauen und nochmal schauen. Jeden Tag durchforste ich ganz entspannt Fotoportale im Internet. Und finde dabei teilweise großartige Bilder anderer Fotografen. Diese Bilder bleiben dann ich meinem Kopf hängen, ohne dass ich sie auf meiner Festplatte speichere. Ich habe auch Bildbände bekannter Fotografen und gehe viel in Fotoausstellungen.
Bei meiner eigenen Fotografie versuche ich nicht, andere Bilder zu kopieren. Das geht schief, ist einfach so. Vielmehr warte ich den richtigen Moment bei einem Shooting ab, an dem ich, ohne darüber nachzudenken, meine eigene Interpretation eines Bildthemas finde.

Möchtest du etwas erreichen mit deinen Bildern? Was?
In erster Linie möchte ich meine Sicht der Welt in meinen Bildern wiedererkennen. Darüber hinaus möchte ich anderen interessierten Menschen meine Sichtweise mitteilen.
Ich möchte mit meinen Bildern nicht reich werden, auch nicht zeigen, was ich foto- und bearbeitungstechnisch »drauf« habe, sondern mir und anderen Menschen Freude machen.

Was macht dich glücklich in der Fotografie?
Einerseits der intensive Kontakt zu den Menschen, die ich fotografiere. Man kommt einem Menschen sonst kaum näher, selbst nicht in einem stundenlangen Gespräch. Zum anderen die Möglichkeiten, nach Herzenslust mit dem Licht spielen zu können und einen Ausschnitt aus seinem Gesichtsfeld festzuhalten.
Und schliesslich und ganz besonders: Ein gelungenes Bild lange anzuschauen, das Gefühl, ein Bild zu betrachten und dabei zu sagen: »Dieses Bild ist so großartig – kann gar nicht sein, dass ICH das gemacht habe«. Das ist so unglaublich, dass man es selbst erleben muss.

Wen würdest du noch gern portraitieren?
Den Dalai Lama. Und wenn sie noch leben würden: Meinen Vater und Willy Brandt. Dann einige hochinteressante männliche und weibliche Models in der Model-Kartei. Und ja, viele interessante Menschen, die ich täglich auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Cafés sehe.

Gilles Soubeyrand, Jg. 1957, lebt und arbeitet in Berlin. Er fotografiert seit über 40 Jahren. Zu finden sind er und seine Bilder unter seinem Model-Kartei-Account gilles und bei Facebook.

Die portraitierten Männer (in der Slideshow von Beginn): Mike Basden, Sopran-Saxophonist aus New York, im Oktober 2013 während einer Session. | Uri Gincel, Jazz-Pianist aus Tel Aviv, während einer Session in Berlin. | Guitar Crusher, Blues-Gitarrist und Sänger, der trotz seiner 84 Jahre noch regelmäßig auftritt; im August 2014 während eines Konzerts im Jazz-Club »A Trane« in Berlin. | Sigi, Ex-Bauunternehmer, Schauspieler, Videofilmer, Lebenskünstler, am Rande einer Foto-Version des Bildes »Susanna im Bade« des Fotografen Andreas Maria Kahn, Berlin. | Michael Clifton, Schlagzeuger, Comedian und Entertainer aus Denver, ebenfalls seit 1979 in Berlin lebend, während einer Session. | Ludovico Fulci, Pianist und Komponist aus Italien, während eines Konzerts in Berlin. | Kenneth Dahl Knudsen, Kontrabassist aus Dänemark, während eines Outdoor-Shootings. | Kelvin Sholar, Pianist aus Detroit, im »A Trane« Berlin. | Joel Holmes, Jazz-Pianist aus New York, der in Berlin, Kiew und Rom lebt, während einer Jam-Session. | Günter »Baby« Sommer, Schlagzeuger vom »Zentralquartett« und Free-Jazz-Legende aus der DDR, während einer Probe im Mai 2014. | Eric Vaughn, Jazz-Schlagzeuger aus Geogia (USA), der von Gilles bisher meist fotografierte Mann, während einer Jazz-Session in Berlin. | Dwight Thompson, Jazz-Sänger aus den USA, in Berlin lebend, im Dezember 2012 im »A Trane«. | DOWL, Fotograf und Male Model, in natürlichem Fensterlicht in einer Theaterkantine. | Gilles, der Fotograf.

Skurril und melancholisch

Die fotografischen Männergeschichten von Jens Kuhn

Text und Interview: Alexander Bentheim
Fotos: Jens Kuhn
Reihe »Bilder und ihre Geschichte« (slideshow by click on pic)


Männer in weiten Landschaften, ein halb gedeckter Esstisch auf einem Parkplatz, dann dieses rote Megafon und wer weiß, was da gleich und vielleicht sehr plötzlich passiert? Mit den Bildern von Jens Kuhn kann mancher sicher nicht sofort etwas anfangen. Es gibt eine merkwürdige Stille und scheinbare Unverbundenheit in ihnen, eine melancholisch-skurrile Bildsprache tut ihr Übriges, diesen Eindruck zu unterstreichen. Aber wenn man sich auf sie einlässt, spürt man die inneren Bewegtheiten der Beteiligten und entfalten sie Geschichten, die man irgendwie auch schon einmal selbst erlebt zu haben glaubt. Und sind es deshalb nicht nur wert, gezeigt und gesehen zu werden, sondern nachzufragen, wer und was sich hinter ihnen verbirgt.

Jens, wie findest du deine Themen?
Eine sehr gute Frage, darüber habe ich mir ehrlich gesagt nie richtig Gedanken gemacht. Ich geh ziemlich unbedarft an solche Motive heran und habe das seltene Glück, mit Menschen zu arbeiten, die ebenso ticken wie ich. Ich muss mich vor ihnen nicht erklären. Es sind ganz grobe Visionen, die ich im Kopf habe… dann landen mal eben ein alter Esstisch, Stühle und ein Megafon im Kofferraum. Man fährt dann einfach mit offenen Augen los und – Peng – dann ist dort eine alte Hütte, welche verlassen mitten auf einem Feld steht. Situationsfotografie, oder? 😉
Der ganz Krempel fliegt aus dem Auto und man taucht in eine andere Welt ein. Es wird viel gelacht, man groovt sich irgendwie in eine Rolle, und je länger so eine Session andauert, umso bizarrer wird das Ganze. Man »lebt« irgendwann in dieser Szenerie. Ich mag eher das Surreale, Melancholische und Skurrile, wie du bereits sehr treffend erkannt hast. Mir ist wichtig, den Betrachter fragend mit dem Motiv zurückzulassen, sich seiner Fantasie hinzugeben. Sicherlich mögen viele meiner Bilder für den Konsumenten erst einmal verwirrend erscheinen und man fragt sich vielleicht auch, was zur Hölle mich geritten hat. Ich finde es wichtig, sich als Betrachter mit einem Motiv zu beschäftigen, in dieses einzutauchen. Mir wurde schon sehr oft gesagt, dass meine Bilder Geschichten erzählen, von Trauer, von Depressionen, von Sarkasmus, Neugier, was da wohl jetzt passieren könnte usw. Es sind sozusagen erstarrte Situationen und es obliegt einzig der Fantasie des Betrachters, wie diese weitergehen. Ich finde das total spannend. Jeder empfindet vermutlich etwas anderes beim Betrachten. Deswegen möchte ich niemanden meine Bilder erklären, dass soll man mal schön mit sich selbst ausmachen. So entstehen quasi Seelenfotos. Im wahren Leben bin ich Busfahrer, verrückt … oder? Ich rede nicht viel und habe eine sehr gute Beobachtungsgabe. Das Leben ist völlig skurril, vielleicht ist das eine unbewusste Inspirationsquelle. Ich schreibe auch gern humorvolle Kurzgeschichten, imaginäre Träume und skurrile Tageshoroskope. Ich brauche diese Ventile im Leben. Vielleicht ist mein Output aber auch nur das Ergebnis totaler Depressionen. Ich weiß es nicht.

Wer oder was inspiriert dich in der Fotografie?
Anton Corbijn. Ich bin ein Kind der 80er und habe die alten Depeche Mode Videos geliebt. Seine Musikvideos zu »Behind the Wheel«, »Never let me down again«, »Enjoy the Silence« zum Beispiel sind Meilensteine. Schau dir sein Video zu »In your Room« an, jede Einstellung ein perfekt komponiertes Bild. Das imponiert mir. Ansonsten lasse ich mich von Musik inspirieren. Ich liebe (u.a.) Dead can Dance, GusGus und VNV Nation. Fotografieren und/oder eine Bildbearbeitung ohne Musik ist für mich quasi unmöglich. Höre ich diese Art von Musik, dann formen sich im Kopf Bilder.

Möchtest du etwas erreichen mit deinen Bildern? Was?
Ich möchte, dass man sich Gedanken macht. Wir bekommen im Leben schon alles vorgekaut. Ich finde so kleine »Fantasie-Inseln« deshalb sehr spannend und auch sehr wichtig.

Lebst du von deiner Fotografie?
Nein. Fluch und Segen zugleich. Natürlich ist es schön, wenn jemand deine Arbeit zu schätzen weiß. Auf der anderen Seite möchte ich mich aber auch nicht verkaufen. Ich möchte »Ich« bleiben und nicht auf Kommando kreativ sein, da würde viel verloren gehen. Ich sehe das bei vielen Musikern, aber auch Fotografen. Schau dir z.B. Hochzeitsfotos von professionellen Fotografen an. Kreativität, Charme und Witz ersticken oft in Zeitnot, Routine und den Zwang, das Leben zu finanzieren. Ich mache prinzipiell nur das, was mir Spaß macht und möchte mir da nicht gern reinreden lassen. Klingt vielleicht überheblich, ist es aber nicht. Ich möchte einfach nur meinen Anspruch Genüge tragen, denn ich selbst bin mein größter Kritiker.

Welches Bilderprojekt würdest du gern einmal realisieren?
In farbenfroh glänzenden Nylon-Freizeitanzügen aus den 90ern und vor den passenden Gebäuden abstrakte Situationen nachspielen. Irgendwie sollte noch ein Mann mit Anzug dabei sein, alkoholische Erfrischungsgetränke, Kinderwagen, ein Hund und wichtige Gegenstände. Hab da ganz grobe Visionen im Kopf, die mich gerade zum Schmunzeln bringen. Fotografien mit älteren Menschen würden mich auch sehr reizen.

Jens Kuhn, Jg. 1970, lebt und arbeitet in Weimar. Er fotografiert seit 15 Jahren. Zu finden sind er und seine Bilder unter seinem Facebook-Account.

11 Freunde

Neulich in der Umkleide

Mannschaftsfoto

Foto und Text: Kerstin »kemai« Maier, selbst Fußballerin
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«


Wenn ein Freund 30 Jahre alt wird und noch dazu eine neue Wohnung gefunden hat, ist ein Geschenk fällig. Mit etwas Mut und Kreativität entsteht dann solch ein Kabinenblick: 11 Jungs, hautnah. Das Foto verfehlte seine Wirkung nicht – der Beschenkte war nur enttäuscht, dass er nicht dabei war.