TU-Berlin-Projekt analysiert Sprüche auf Kinder-Shirts – Viele Motive tragen zu geschlechterstereotypen Rollenbildern bei
Text: Alexander Bentheim (Redaktion nach Quelle IDW)
Foto: crashed life, photocase.de
»In Mathe bin ich Deko« – ist das witzig? Wenn es nach einem Hersteller und einem Versandhaus geht, die ein Mädchen-T-Shirt mit diesem Aufdruck anboten, offenbar. Doch in den sozialen Netzwerken gab es richtig Ärger dafür. Und auch Soziolog_innen beklagen derartige Rollenzuschreibungen schon lange, denn sie haben nachweisen können, dass negative Leistungserwartungen, die jemandem entgegengebracht werden (z.B. zu blöd für Mathe zu sein), zu tatsächlich schlechteren Leistungen führen können. Jedoch haben die Erkenntnisse der Soziologie über Rollenzuschreibungen keineswegs zu einer Revolutionierung der Motive auf der Kinderkleidung geführt. Das geht aus der Untersuchung von Studierenden am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin (ZIFG) hervor. Sie haben 501 Kindersprüche auf T-Shirts für Jungen und für Mädchen analysiert. Und das Ergebnis war in diesem Ausmaß für sie selbst überraschend: Geschlechterstereotype Rollenbilder fanden sich bei allen elf untersuchten Marken in allen Preissegmenten.
»Little«, »sweet«, »happy«, »cute«, »lovely« waren die häufigsten Adjektive, »Love«, »Girl«, »Star«, »Princess« die Substantive auf Mädchen-T-Shirts – bei den Jungs-Shirts waren es die Adjektive »crazy«, »cool«, »wild«, »strong« und die Substantive »Life«, »Team«, »King«, »Rebel«. Als Leitmotive für die Mädchen-Shirts fanden sich die Themen Märchen und Träume, Unschuld und Naivität, Schönheit und Selbstbewusstsein – bei den Jungs-Shirts waren Sport, Wettkampf, Teamgeist die Leitmotive, ebenso wie Abenteuer, Natur, Reisen sowie Superhelden und Superkräfte oder Rebellion und Grenzüberschreitungen.
Stereotype Geschlechterbilder – auch diese Erkenntnis konnten die Studierenden mit ihrer Studie untermauern – gelangen auf vielfältigsten Wegen mittels Gesten oder alltäglichen Entscheidungen in die Köpfe von Kindern und beeinflussen so auch die Art, wie sie sich selbst empfinden. Kann es aber sein, dass Männer gar nicht »süß« sein möchten und Mädchen keine »Superheldin«? Die Genderforschung sieht das anders. »Die geschlechtsbedingten Vorurteile sind den meisten in unserer Gesellschaft gar nicht bewusst«, erklärt Dr. Petra Lucht, Soziologin und Gastprofessorin am ZIFG. »Männer dürfen nicht ,süß‘ sein, solange es die geschlechtsbezogenen Rollenbilder nicht vorsehen. Geschlechterstereotype – das sieht man sehr eindrücklich an den T-Shirt-Sprüchen – werden uns übergestreift wie eine zweite Haut. Hier sollten wir auch an die Mitverantwortung der Unternehmen appellieren.«
Das Versandhaus, dass das T-Shirt mit dem diskriminierenden Mathe-Spruch anbot, hat es inzwischen aus dem Sortiment entfernt.