Nudeln mit Schinken

Gibt es eine Männerbewegung in Deutschland, ist sie notwendig und was ist da eigentlich los? Diesen Fragen geht ein Rundfunk-Feature von Andreas Baum am kommenden Montag nach. Dankenswerterweise haben wir schon mal ins Sendemanuskript schauen können.

Männliche Jugendliche sitzen auf einer Mauer

Text: Frank Keil
Foto: mirkoreichlin, photocase.de

Ja, diese Männerbewegung. Soll es ja geben. Seltsam, oder? Oder auch nicht, denn warum sollen sich nicht auch die Männer zusammensetzen und ihren Kram bereden, es setzen sich ja überall Menschen zusammen, die etwas vereint: besondere Leidenschaften, skurrile Hobbys, schlimme Krankheiten. Warum nicht Männer, weil sie Männer sind? Doch offenbar ist das doch nicht so einfach, nicht so selbstverständlich. »Nicht mächtig, aber stark. Die deutsche Männerbwegung ringt um ein neues Männerbild«, heißt es im Programmheft erklärend zur Sendung.

Andreas Baum ist losgezogen, die Männerbewegung zu finden und kennenzulernen. Okay. Der Autor macht am Anfang ein bisschen auf doof, und das darf man so sagen, nach nunmehr über 30 Jahren mehr oder weniger »Bewegungs«geschichte. Geht auf einen Männerkongress nach Nürnberg, wo er sich unwohl fühlt, wie er da sitzt. Wo man richtig spüren kann, wie er da auf seinem Stuhl herumrutscht. Wo er nach Frauen ausschaut und erleichtert aufatmet, dass auf so einem Männerkongress auch Frauen sind. Wo es in der Mittagspause Nudeln mit Schinken und eine vegetarische Lasagne gibt. Wo so ein Hampel von der AFD von Genderwahn quarkt und in seine Schranken gewiesen wird und wo ein paar Frauen, die nicht in den Saal gelassen werden, einen Tisch umkippen.
Und wo ein bisschen Krawall in der Luft liegt, möglicherweise. Oder wenigstens die Sorge um Krawall. So als atmosphärische Hintergrundsstimmung, die man jetzt nicht inhaltlich vertiefen will, die aber Stimmung schafft, wobei Stimmung ja nicht immer für Erkenntnis sorgt.

Doch langsam, aber sicher kommt die Sendung dann doch in Schwung. Wobei – das Manko der Sendung ist das Manko der Männerbewegung beziehungsweise, noch weit mehr, das ihrer medialen Darstellbarkeit: Und also müssen mal wieder die Väter ran. Denn bei Vätern ist alles klar. Dass Männer ordentliche Väter sein wollen und es oft bis meist nicht können, weil nicht nur die Chefs, sondern auch die Kollegen und übrigens auch die Kolleginnen männliche Dauerpräsenz am Arbeitsplatz verlangen – was längst Thema jeder noch so trivialen Fernsehkomödie nach der Tagesschau ist (gern mit Uwe Ochsenknecht als überfordertem Vater, dem die Waschmaschine ausläuft). Da sind sich alle irre einig, dass mehr Vatersein irgendwie gut ist. Und so kommt auch Andreas Baum am Anfang um die Gleichung »Männerbewegung = Väterbewegung« (und umgekehrt) nicht herum.
Wobei Väter ja nicht nur Väter sind, so wenig wie Mütter nicht nur Mütter sind. Und nicht jeder Mann auch Vater ist – übrigens.

Und der nächste medial passende Knaller sind natürlich die gewalttätigen Jungs. Die gibt es, ja, aber die wollen wir nicht – logisch. Und so lernen wie Thomas Hölscher kennen, der sich als Mann in der Therapeutischen Lebensgemeinschaft Haus Narnia um jene Jungs kümmert, die aus dem Rahmen fallen. Und das nicht still und leise wie oft die Mädchen. Sondern mit Lärm und Krawumms.
Gewiss und 100-prozentig macht der Thomas Hölscher eine klasse Arbeit, aber darum geht es hier nicht. Sondern darum, dass es nach den Vätern, für die jeder sofort, fast automatisch Verständnis hat, eben immer wieder die gewalttätigen Jungs sind, die als so etwas wie ein Existenzgrund der Männerbewegung herhalten müssen. Als Werbebanner, sozusagen. Nach dem Motto: Wenn ihr neuen, kritischen Männer euch um diese Jungs kümmert, das geht voll in Ordnung. Und wenn ihr mehr Väter sein wollt, als es eure Väter waren – auch gut. Aber sonst? Ist das nicht ein wenig übertrieben, dieses Reden über Männlichkeit?

Erst zum Schluss, da ist die Sendung fast zu Ende, kommt der Autor auf sich selbst als Mann zu sprechen. Wie es ist – so als Mann. Wie man so lebt, als Mann; wie es sich anfühlt, als Mann.
Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann den: dass der Autor das nächste Mal genau damit beginnt. Da ist die Männerbewegung nämlich schon angekommen.

Sendung: Montag, 11.01.16, 19.30h, Deutschlandradio Kultur, Reihe »Zeitfragen. Feature« (30 Min.).
Zum Manuskript und Audiomitschnitt.