Sinnlose Schule

Neue Studie zu schlechten Noten, traditionellen Geschlechterrollen und Schulentfremdung

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Text: Alexander Bentheim (Redaktion nach Quelle IDW)
Foto: tobi.tobsen, photocase.de

Laut eines im Februar veröffentlichen OECD-Berichts sind schlechte Schulnoten bei 15-jährigen Jungen wahrscheinlicher als bei Mädchen im gleichen Alter. Dies ist ein weiterer Beleg für einen weltweiten Trend, dass manche Jungen in der Schule ins Hintertreffen geraten. Forscher_innen der Universität Luxemburg haben zwei mögliche Hauptursachen und eine eventuelle Lösung in einer neuen Studie festgestellt, die (englischsprachig) im Journal »Masculinities and Social Change« veröffentlicht wurde. In dieser Studie wurden die Aussagen von Jungen und Mädchen direkt gesammelt, statt nach der Meinung von Lehrer_innen oder Müttern und Vätern zu fragen, wie dies – leider – normalerweise der Fall ist.

»Wir beobachteten eine starke Tendenz, dass sich Jungs mit schlechten Schulnoten von der Schule entfremden. Sie ist zu entfernt und wird als sinnlos angesehen«, so Andreas Hadjar, Professor für Erziehungssoziologie und Leiter der Studie. »Zudem gab es einen klaren Zusammenhang zwischen schlechten Leistungen und einer traditionellen Meinung über ihre Geschlechterrolle, nämlich, dass Männer Frauen ‚führen‘ sollen«, so Hadjar weiter. Jungs mit diesen Merkmalen neigten eher dazu, den Unterricht zu stören, und schnitten deshalb schlechter ab: Sie erzielten ein um rund acht Prozent schlechteres Jahresergebnis als der durchschnittliche männliche Schüler im gleichen Jahrgang.

Gleich viele Mädchen wie Jungs berichteten von einer Entfremdung von der Schule, aber diese Einstellung hatte einen negativeren Einfluss auf Jungs. Auch traditionelle Ansichten über Männer- und Frauenrollen schienen Jungs gleichermaßen zu beeinflussen wie Mädchen, aber die Studie zeigte, dass diese Meinung bei Jungs viel weiter verbreitet ist als bei Mädchen. Andere Faktoren wie die Meinungen von Peergroups und der sozio-ökonomische Hintergrund haben ebenfalls negative Auswirkungen auf die Schulnoten, da sie eine Entfremdung von der Schule sowie eine traditionelle Rollenverteilung beeinflussen und demnach auch die schulischen Leistungen.

Fragebögen, Gruppendiskussionen und Videoaufnahmen des Unterrichts wurden verwendet, um das Verhalten von 872 Jungen und Mädchen zu untersuchen, von denen die meisten 13 bis 14 Jahre alt waren und in Bern (Schweiz) zur Schule gingen. Diese Daten wurden mit den Ergebnissen von Tests und Klassenarbeiten verglichen. So konnten die Forscher_innen die Aussagen der Schüler_innen und ihr Unterrichtsverhalten untersuchen und auf dieser Grundlage statistische Analysen machen.

Es gibt aber, so die Forscher_innen, eine mögliche Lösung für das »Jungs-sind-schlechtere-Schüler-Syndrom«. Denn indem sie das Unterrichtsverhalten beobachteten, stellten sie fest, dass Jungs mit schlechten schulischen Leistungen am besten auf autoritative Unterrichtsstile mit einer strukturierten, engagierten, aber auch kontrollierten Einstellung ansprachen – also auf Autoritäten, die aber nicht autoritär agieren. Was aus zahlreichen empirischen Erfahrungen mit Jungen in der Jungenarbeit bekannt sein dürfte.

Die Studie zeigt insgesamt, dass unangemessene Unterrichtsstile Entfremdungsgefühle von der Schule bewirken oder verstärken können. »Lehrer mit einem autoritativen Unterrichtsstil interessieren sich klar für ihre Schüler, lenken sie und sind bei Problemen für sie da«, bemerkte Prof. Hadjar. »Diese Forschungsarbeit zeigt, dass Lehrer flexibel beim Umgang mit unterschiedlichen Persönlichkeiten sein müssen« – was die Diskussion um kleinere Klassen, Entlastung der Lehrkräfte, eine gendergerechte Bildung und die Finanzierungsbereitschaft eben dafür erneut befeuern dürfte.

Grenzenlose Liebe

Binationale Ehen und deren besonderen Herausforderungen – Radio-Diskussion am 20. August mit Expert_innen und Gästen

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Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: hlehnerer, photocase.de

Ein Paar, zwei Nationalitäten, zwei Sprachen mindestens: In Deutschland werden immer mehr binationale Ehen geschlossen. Das ist gelebte Globalisierung und doch auch eine ganz eigene Herausforderung. Zu den normalen Beziehungskonflikten kommen kulturelle und kommunikative Stolperfallen hinzu. Wenn unterschiedliche kulturell geprägte Vorstellungen von Familie und Zukunft aufeinanderprallen, ist Liebe keine Garantie, dass zeigt die stark erhöhte Scheidungsrate.
Was also können Paare tun, damit ihre Beziehung Bestand hat? Wo können sie sich beraten lassen, wenn Vorstellungen über Kultur, Tradition oder Religion auseinanderklaffen? Welche rechtlichen Fragen gilt es zu bedenken, wenn Partner unterschiedlicher Herkunft heiraten oder eine Lebenspartnerschaft eingehen wollen? Und welche, wenn es doch zur Trennung kommt, vielleicht sogar Kinder davon betroffen sind?

Sendung: Donnerstag, 20.8.15, 10:10h, Deutschlandfunk, Reihe »Marktplatz«, Moderation: Sarah Zerback, kostenfreies Hörer_innen-Tel.: 00800. 4464 4464, Mail-Beteiligung: marktplatz@deutschlandfunk.de (bis 11:30h)

»Stark und verantwortlich« – Ratgeber für Väter nach Trennungen

Mehr als nur rechtliche Fragen zu Sorge, Umgang und Unterhalt

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Text: Alexander Bentheim
Foto: suze, photocase.de

Die »Väterratgeber« nennen sie sich, Eberhard Schäfer und Marc Schulte, und sicher zu Recht, denn beide schauen auf 8 Jahre Beratungserfahrung im Väterzentrum Berlin zurück, eine Einrichtung zur Förderung aktiver Vaterschaft und zur Stärkung der Beziehungen zwischen Vätern und ihren Kindern. Denn darum geht es ihnen »ganz wesentlich: dass Kindern nach Trennungen beide Eltern präsent bleiben«.

»In unserer Beratung für Väter nach Trennungen vertreten wir einen kooperativen und systemischen Ansatz. Wir geben Impulse in Richtung Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Vätern und Müttern im Interesse der Kinder«, schreiben die beiden Berater als Autoren des überarbeiteten, kürzlich in 3. Auflage erschienenen »Ratgeber für Väter nach Trennungen«. Das Taschenbuch ist für Väter in Trennungssituationen gedacht, aber ebenso für Fachkräfte, die in ihrer Praxis mit Vätern in Trennungssituationen zu tun haben. Und es geht um mehr als nur rechtliche Fragen zum Sorgerecht, zum Umgangsrecht und zum Unterhalt – nämlich darum, wie Väter nach Trennungen eine gute, lebendige und zugewandte Beziehung zu ihren Kindern erhalten können.

Die Leser und Leserinnen erhalten Auskunft über verschiedene Lebens- und Wohnformen nach Trennungen, sowie deren Vor- und Nachteile. Anschaulich wird dies durch Erfahrungsberichte von Vätern dargestellt. Zu Wort kommen auch ein Familientherapeut, ein Rechtsanwalt, ein Jugendamtsleiter und ein Familienrichter mit ihren Erfahrungen und Hinweisen, schließlich wurde auf Bitte bisheriger Leser und Leserinnen auch der Informationsteil um deutschlandweite Kontakt- und Serviceadressen erweitert.

Eine Leseprobe und das Portal der beiden Berater informieren über weitere Einzelheiten; eine Rezension zur Erstausgabe erschien von Thomas Gesterkamp im Sommer 2012 im Switchboard.

Rolle und Rute

Angler, die stundenlang stumm vor irgend einem stillen Gewässer hocken, werden in unserer heutigen Turbo-Event-Gesellschaft gern verspottet. Jetzt widmet ihnen der Journalist und Schriftsteller Max Scharnigg ein wunderbares Buch.

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Text: Frank Keil
Foto: krockenmitte, photocase.de

Männerbuch der Woche, 32ste KW. – Kaum vorstellbar, dass es eines Tages ein besseres Buch über die Leidenschaft des Angelns geben sollte, als Max Scharnigg’s »Die Stille vor dem Biss – Angeln, eine rätselhafte Passion«. Wobei: rätselhaft? Oh, nein! Wer dieses Buch gelesen hat, der wird verstehen, was so wunderbar einzigartig am Angeln ist. Und noch viel mehr.

Zur Rezension

»Niemand kann es weiter bringen als zu sich selbst«

DLF-Feature von Sophie Gruber am 14. August über Literatur hinter Gittern

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Text: Alexander Bentheim (Redaktion nach Quelle DLF)
Foto: royjackson, photocase.de

Die Langeweile bekämpfen, sich disziplinieren, den eigenen Wortschatz bewahren, etwas tun, was man nie vorher getan hat und danach nie wieder tun wird: Es gibt viele Gründe, warum Andreas, Jens und Benni, ›Langsträfer‹ in der JVA Berlin-Tegel, ausgerechnet im Knast angefangen haben, eine Literaturgruppe zu besuchen. Zu schreiben, einander vorzulesen. Tief im Innern lauert vielleicht sogar die Hoffnung auf literarischen Ruhm. Vorläufig schreiben sie für sich selbst, die Gruppe, die Familie. Für alle, die es interessiert – nur für einen nicht: ihren Therapeuten. Ihr Thema, sagen sie, ist nicht ihre Tat. Ihr Thema ist ihr Alltag im Knast. »Niemand kann es weiter bringen als zu sich selbst«, schreibt Jens. »Ich aber muss, wenn es mir zu fad wird, ich zu sein, notgedrungen ein andrer werden ….« Das Feature gibt den Autoren ein kleines Stück Öffentlichkeit und die Chance, über sich zu erzählen.

Sendung: Freitag, 14.8.15, 20:10h, Deutschlandfunk, Reihe »Das Feature« (50 Min.)

Fußballtrainer entscheiden irrational

Wenn eine Mannschaft unerwartet zurückliegt, treffen Trainer oft falsche Entscheidungen – sagt eine internationale Studie zur Verhaltensökonomik.

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Text: Alexander Bentheim (Redaktion nach Quelle IDW)
Foto: time., photocase.de

»Wir denken immer, Fußballtrainer seien Meister der Taktik. Wenn ihr Team aber hinter Erwartungen zurückliegt, dann fällen sie zuweilen ungünstige Entscheidungen«, so Daniel Schunk, Prof. an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Trainer wechseln dann zum Beispiel zu oft offensive Spieler ein, was die Lage noch verschlimmert. Der Wirtschaftswissenschaftler hat zusammen mit Leif Brandes, Prof. an der Warwick Business School in Großbritannien, und Björn Bartling, Prof. an der Universität Zürich, das Verhalten von Trainern und Spielern in 12 Saisons der deutschen Bundesliga und der britischen Premier League untersucht.

Die Wissenschaftler werteten 8.200 Spiele mit insgesamt 22.460 Toren, 42.359 Einwechslungen und 30.694 gelben und roten Karten aus. Die Analyse zeigt, dass Fußballtrainer wesentlich häufiger zu einer offensiveren Strategie übergehen, wenn ihr Team unerwartet zurückliegt. Liegt ein Team beispielsweise 0:1 zurück und ist dies nicht erwartet, dann wechseln sie vermehrt Stürmer gegen Verteidiger ein – mit negativen Konsequenzen: Die Tordifferenz verschlechtert sich um 0,3 Tore pro offensivem Wechsel. Das heißt, dass derartige Wechsel die Anzahl der Gegentore stärker erhöhen als die Anzahl der selbst geschossenen Tore, was sich auch in einer um 0,3 verschlechterten Punktzahl für das Team niederschlägt. Wenn ein Rückstand den Erwartungen von Publikum und Trainer entspricht, zeigen sich solche Effekte nicht. Die Erwartungen an die Teams haben die Wissenschaftler anhand von Sportwetten ermittelt.

Die Analyse ergab außerdem, dass die Schiedsrichter bei einem unerwarteten Rückstand wesentlich mehr Regelverstöße ahnden mussten. »Die Spieler haben während dieser Zeit 14 Prozent mehr gelbe oder rote Karten pro Minute erhalten, das ist ein sehr signifikanter Unterschied«, ergänzt Schunk. Wie die Analyse außerdem ergab, wurden mehr Karten für Tätlichkeiten oder für Meckern angezeigt.

Mit ihrer Studie testeten die Wissenschaftler ein Modell aus der Verhaltensökonomik, einem Forschungsgebiet der Wirtschaftswissenschaften. Das Modell geht davon aus, dass sich Menschen nicht immer rational verhalten, wenn ein Ergebnis hinter ihren Erwartungen zurückbleibt. »Genau dies sehen wir bei Fußballteams, wenn sie als Favoriten ins Spiel gehen«, sagt Leif Brandes. »Spieler und Trainer erhalten große Summen, um jede Woche vor einem riesigen Publikum zu spielen. Wie wir sehen, kann das psychischen Stress verursachen und irrationales Verhalten auslösen, indem ein zu großes Risiko eingegangen wird, falls die Erwartungen nicht erfüllt werden.« Die Studie über die beiden Spitzenligen des europäischen Fußballs zeigt, dass derartige Verhaltensweisen nicht nur unter kontrollierten Laborbedingungen, sondern auch im wirklichen Leben vorkommen. Björn Bartling ergänzt: »Das Ausmaß des Effekts ist enorm. Karten wegen Tätlichkeiten nahmen um 85 Prozent zu, wenn das Team unerwartet zurück lag.«

Damit wird einmal mehr die »klassische« Modellannahme der Wirtschaftswissenschaften in Frage gestellt, wonach der Mensch als Homo oeconomicus rein nach Gesichtspunkten der rationalen Nutzenmaximierung agiert.

»Es kann gefährlich werden.«

Ein Gespräch mit Björn Klauer über die bevorstehende zweite Expedition mit seinem Team in die Arktis.

Expeditionsteilnehmer

Interview: Frank Keil
Foto: Björn Klauer

Björn Klauer, Hamburger Skandinavien-Auswanderer und mit seiner Lebensgefährtin Betreiber einer Huskyfarm in Nordnorwegen, veranstaltet dort nicht nur Hundeschlittentouren, sondern geht zuweilen mit seinem Team und seinem Sohn auch auf Expeditionsreisen. Eine solche steht wieder unmittelbar bevor – genauer: heute, am 14. Juli, geht es los. Nach Spitzbergen, um Zeugnisse einer dort vor über 100 Jahren verschollenen Expedition zu suchen. Mit welchen Gedanken, Vorbereitungen und früheren Erfahrungen – ja, auch mit Eisbären – man sich da beschäftigt, davon erzählt der Expeditionsleiter im Interview.

Zum illustrierten Interview

Farbenfrohe Entfaltung

Der malende Kreativitätsbegleiter Sebastian Ansorge

Text und Fotos #1-9: Alexander Bentheim
Foto #10: Bainhipsterphotography
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«

Ein inspirierender und »bunter« Mann, der Sebastian, und das nicht nur wegen der unzähligen Farbkleckse auf seinem Malerkittel, der mittlerweile als sein Markenzeichen gelten kann. Weil ich auch fotografiere, treffe ich den Erzieher und malenden Kreativitätsbegleiter für kleine und große Menschen zum Portraitshooting.

Inspiriert von Arno Stern, dem Entdecker des »Malspiels« zunächst für Kinder, das zwar mit Regeln, aber ohne künstlerische, technische und bewertende Vorgaben arbeitet, hat Sebastian den »MalOrt Mitte«, ein Atelier in Berlin, als geschützten Raum zur kreativen Expression mit Farben geschaffen – und eine Atmosphäre, in der Menschen Lust bekommen, durch das Ausüben des Malspiels zu sich zu finden; sogar in Südafrika hat er schon Kurse gegeben und einen Malort in einem Waisenhaus gebaut.

»Ich erlebe das Malen als Eintauchen in eine Art ‚Richtigkeit‘, das Gedankenkarussel kommt zur Ruhe« schrieb eine Teilnehmerin nach dem Erleben des Malspiels, »Kraft, Geborgenheit und Sicherheit durchfluten mich und eine sich einfach zutiefst wohltuend anfühlende Energie breitet sich aus. Nach dem Malen stelle ich mich gestärkt und ‚geklärt’ den Forderungen der ‚Außenwelt‘. Dabei habe ich das Gefühl, als hätte während des Malens der ausgeklinkte Verstand im Hintergrund weiter gearbeitet und quasi von allein viele hervorragende Lösungen gefunden.«

Wer Sebastian und seinen MalOrt, seine Philosophie und seine Angebote näher kennen lernen möchte, sollte hier weiterlesen: www.malortmitte.de, Sebastian Ansorge auf Facebook und Youtube, Arno Stern über das »Malspiel«, die »Formulation« und das »Dienen« und ein Blogbeitrag von Snowqueen.



Und mehr aus der Reihe »Bilder und ihre Geschichte« gibt’s im Archiv.

Men’s Walk & Talk

Ein Bildungsangebot der Pädagogischen Hochschule St. Gallen

Rhyner#MensWalkTalk#Animation

Text: Thomas Rhyner
Foto: rebealk, photocase.de

Das Bildungsangebot »Men’s Walk & Talk« will Erfahrungen von Studenten in »frauentypischen« Studiengängen aufnehmen und für das Studium sowie für die spätere berufliche Praxis nutzbar machen. Hintergrund dieser Initiative bilden rückläufige Anmeldezahlen von Männern in Studiengängen für soziale, pflegerische oder pädagogische Berufe.

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