»Love me gender«

Eine persönliche Momentaufnahme

junger Mann mit Gitarre

Text: Marc Melcher
Foto: Pavel Danilyuk, pexels.com
Schwerpunkt »Endlichkeiten«


Diesen Song habe ich während meiner Weiterbildung zum Genderpädagogen beim Bayrischen Jugendring in Gauting 2007 geschrieben. Zwischen intensiven Gesprächen, Perspektivwechseln und kollektiven Aha-Momenten entstand der Text – wie ein Echo auf das, was da zwischen uns in der Gruppe passierte. Ich habe mich erinnert: an das Ringen um Begriffe, an das Loslassen alter Muster, an das Wachsen in Vielfalt.
Damals lief viel Blumfeld in meinen Kopfhörern – die »Hamburger Schule« hat meinen Blick auf‘s Schreiben und Fühlen geprägt. Diese Mischung aus poetischer Klarheit und emotionaler Wucht hat mich inspiriert, mich selbst in Sprache aufzulösen.
Jetzt, Jahre später, fühlt es sich richtig an, diesen Text zu teilen. Vielleicht, weil das Thema aktueller ist denn je. Vielleicht, weil ich heute klarer sehe, was damals schon angelegt war: ein Song zwischen Denken und Fühlen, zwischen Konstruktion und Sehnsucht. – Hier ist er:

[#1]
Teil eines Ganzen
dazu verdammt, dich zu lösen
von Ideologien & Verstand
von Mustern & Rollen
von der Realität ins Niemandsland

[Refrain]
Love me gender, hier und jetzt
immer wieder
ins Unendliche vernetzt

[#2]
den Sinn der Vielfalt zu verstehen
das Ganze zu begreifen
ohne Ende zu sehen

[Refrain]
Love me gender, hier und jetzt
immer wieder
ins Unendliche vernetzt

[Bridge]
die Komplexität des Wahnsinns trifft mich wie ein Pfeil
am Ende zieht gar nichts – nur jemand schreit
die Geschlechter vereint und trotzdem verloren
wie es scheint

[Refrain / Outro]
Love me gender, hier und jetzt
immer wieder
ins Unendliche vernetzt
Love me gender…
immer wieder…
ins Unendliche vernetzt…

An Deck

Am Ende schaut man zurück. Auf das, was war; auch auf das, was hätte sein sollen. Auf das, was gelungen ist. Und auf das, was bleibend fehlt.

Schiffsdeck

Text: Frank Keil
Foto: dsellung, photocase.de

Männerbuch der Woche, 53te KW. – Mit Robert Seethalers schmalem Roman »Der letzte Satz« lässt sich dieses seltsame Jahr 2020 gut beschließen.

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Forever Punk!

Drei Männer und eine Frau können einen Band sein. Und dann noch die Musik: laut, kraftvoll, wild. Was nicht allen gefallen wird.

Junger Musiker auf einer Mauer

Text: Frank Keil
Foto: AllzweckJack, photocase.de

Männerbuch der Woche, 32te KW. – Max Annas erzählt im zweiten Band seiner fulminanten Serie »Morduntersuchungskommission« von den Bedrückungen in der DDR (nicht nur) zuzeiten der Punk-Bewegung.

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Nordischer Männermythos

Ein Mann läuft vor sich selbst davon

Abendhimmel über der Oder

Text: Ralf Ruhl
Foto: Alexander Bentheim | time., photocase.de

Henrik Ibsen hat ein Schauspiel aus dem Volksmärchen gemacht, Edvard Grieg hat berühmte Melodien dazu komponiert. Und jetzt galoppiert der jugendliche Sagenheld Peer Gynt auf seinem Traumrentierbock durch ein musikalisches Kinderbuch – stürmisch!

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Am Boys Day 2020 auf die Bühne

Die Stage School Hamburg zeigt, was geht

Männer tanzen auf einer Bühne

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: Dennis Munkowski

Hamburger Jungs: Seid ihr bereit? In einem 1-Tages-Workshop zeigen wir dir, wie der der Probenalltag der 250 Stage-School-Schüler*innen aussieht. Diese haben an dem Tag frei, damit wir in der gesamten Schule Platz für den Boys Day haben. In Gruppen eingeteilt, hast Du dann die Möglichkeit, dich mit Hilfe unserer Dozent*innen in allen drei Unterrichtsbereichen – Tanz, Schauspiel, Gesang – einfach mal auszuprobieren. Wichtig ist, dass du Spaß an mindestens einem dieser drei Bereiche hast. Vielleicht findest du aber auch alles toll? Dann passt du auf jeden Fall zu uns!

Bitte bewirb dich per E-Mail bei anne.schoeller@stageschool.de. Daraufhin bekommst du einen Fragebogen von uns zugeschickt und wenn wir diesen von dir zurück haben, dann hast du vielleicht schon bald eine Zusage für den Boys Day am 26. März 2020 bei uns in Altona.

Wenn du noch Fragen hast, erreichst du Anne Schoeller von der Stage School unter Tel. 040. 355 407 21, montags bis donnerstags von 9.30 Uhr bis ca. 16 Uhr. Weitere Informationen findest du vorher schon auch auf dem Stage School Portal.

Die Sache mit dem Hund

Gute Bücher müssen nicht dick sein. So wie weniger manchmal mehr ist. Denn die Kunst besteht zuweilen in der Auslassung.

Ein Klavier in einem Saal

Text: Frank Keil
Foto: bellaluna, photocase.de

Männerbuch der Woche, 41te KW. – Thøger Jensen erzählt in seinem knappen Wunderwerkroman »Ludwig« von einem Einzelgänger, der das Klavierspielen lernt und so auf das Leben trifft.

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Rollentausch am Arbeitsplatz

Wenn Männer Männer pflegen

Drei Männer pflegen drei Männer

Text und Fotos: Jo Fröhner
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«

Manchmal passen gewisse Dinge einfach zusammen. So wie »Reno Divorce« aus Denver/USA, die ich zu Beginn ihrer diesjährigen Europa-Tour fotografieren durfte, und der »Sailer´s Barbershop« in Mannheim/Germany (und dass Rock´n´Roll und das Barbier-Handwerk eine ziemlich geniale Symbiose sind, wurde mir im Mai dieses Jahres während eines Besuchs im »Figaro´s Sons Barbershop« in Lissabon klar). Ein Termin zum Konturenschneiden im Mannheimer Stadtteil Jungbusch, ein Gespräch mit Ladenbesitzer Marco und zwei eMails später war die Frage der Location für das Shooting geklärt. Der Rollentausch von Band-Mitgliedern und Barbershop-Personal war dabei so eigentlich gar nicht geplant, das Acoustic-Set, welches die Jungs um Bandleader Brent Loveday danach zum Besten gaben, allerdings schon. Alles in allem ein fantastischer Tag, an dem wirklich alles zusammenpasste!

Ein Gitarrist und sein Publikum

»Baby, I die for you!«

Das Musical »Assassins« in der Hamburger Laeiszhalle – eine nicht zufällige Aufführung in der Woche des G20-Gipfels

 
Text: Frank Keil
Fotos Generalprobe: Alexander Bentheim
Reihe »Bilder und ihre Geschichte«, #6

Es gibt diese Abende, da weiß der Kritiker, dass er den Block mit seinen handschriftlichen Notizen am nächsten Morgen nicht weiter anschauen wird, wenn er wieder am Schreibtisch sitzt. Einfach weil der Abend so gut war. So ausgezeichnet, manchmal auch schlicht großartig. Und dann braucht es keine minutiöse Ableitung im nachhinein: wieso, weshalb, warum und was wann passierte, sondern das Gesehene und Gehörte klingt und schwingt noch sehr in einem nach, hat sich noch lange nicht verflüchtigt, ist also weiterhin präsent trotz Rückfahrt und Schlaf und Zähneputzen und muss jetzt nur noch in Worte gefasst werden, die den Zauber und die Kraft des erlebten Abends vielleicht ein wenig erahnen lassen.
In diesem Fall: das Musical »Assassins«, gegeben in konzertanter Fassung in der kleinen Laeiszhalle in Hamburg. Die Songs und die Texte stammen von Stephen Sondheim, der dazu vorher in das Buch von John Weidman geschaut hat. Für die Regie verantwortlich ist Pedro Reichert, am Dirigentpult stand Roun Zieverink. Der auch in den Abend einführte, der nicht zufällig in den Vortagen des G20-Gipfels stattfand, der seit Tagen Hamburg immer mehr in eine Festung verwandelt und es geht ja erst los.

Dabei hat es das Thema in sich, werden doch die Geschichten von neun Attentätern erzählt, die sich erfolgreich oder erfolglos vornahmen, amerikanische Präsidenten vom Leben in den Tod zu befördern. Und schnell ist man da beim aktuellen amerikanischen Präsidenten und der Phantasie, wenn jetzt einer einfach … man wäre ihn los und zwar ein für alle mal, auch wenn Zieverink keinesfalls dazu aufrief, auf eine Vorstellung hin eine Tat folgen zu lassen, so wie denn auch später auf der Bühne niemand theatralisch zu Boden sank, oh no.

Denn dazu ist das Stück zu klug, es unternimmt eine Art sozialpsychologische Reise quer durch die amerikanische Geschichte und variiert immer wieder die Idee des einzelnen, sich erhebenden und dann erhaben agierenden Amerikaners, der am Ende gar nicht anders kann, als zur Waffe zu greifen. Immer wieder kann da einer gar nicht anders, als sich berufen zu fühlen, ins Leben eines anderen einzugreifen, der von den anderen gewählt wurde, weil das heißt ins Rad der Geschichte zu greifen und für immer großartig zu werden; weil das heißt, nicht vergessen zu werden und einzigartig zu bleiben – ob es nun gegen Abraham Lincoln oder Ronald Reagan geht; gegen JF Kennedy oder Gerald Ford.

Immer wieder wird aus der Idee eine Tat – und immer wieder wird diese Idee mit den Idealen der amerikanischen Mythologie angefüttert, den Konstruktionen grenzloser Freiheit, die grenzenlose Macht fern der Kontrolle durch die Gemeinschaft nach sich zieht: Einer muss jetzt tun, was er tun muss, er ganz allein, gegen alle anderen, nur für sich. Baby, I die for you! So wie auch Trumps „America first!“ eben nicht »Amerika zuerst!« meint, sondern »Ich zuerst!«, wer auch immer da gerade laut »Ich!« schreit. Und Trumps Anhänger haben das auch verstanden und fühlen sich einer wie der andere entsprechend gemeint, während wir Europäer immer noch über Amerika als Land, als Gemeinschaft, als Community und damit als Ganzes rätseln, das nur nebenbei.

Das – wie gesagt – wird sehr schön erzählt, also meist gesungen; wird gekonnt abgeleitet und geschickt illustriert. Der eigentliche Clou aber ist die Musik. Denn was Zieverink mit seinen 14 Sängern und Sängerinnen und dem elfköpfigen Attentat-Orchester da hinzaubert, ist einfach eine Klasse für sich. Klar gibt es die eingängigen Melodien zum bald Mitsingen, die schmissigen Sets, die einen vertrauensselig werden lassen – wir sind ja in einem Musical (der Kunstform, die vielleicht am ehesten Amerika und seinen auch ästhetischen Idealen von Unterhaltung am ehesten entspricht). Doch Zieverink sprengt die Konventionen des Musicals, er webt einen dichten Teppich aus musikalischen Anspielungen und Zitaten, bedient sich an der Westernmusik, am volkstümlichen Walzer, an der schwelgenden Tanzmusik der großen Ballsäle, wo man in den gesellschaftliche Aufstieg hinübertanzen möchte, so dass man es geschafft zu haben glaubt, wenn man morgens erwacht. Und immer wieder setzt die Musik Gegenakzente, stört sie selbst den allzu glatten Verlauf, macht sich zuweilen lustig über sich selbst und das jeweils mit großer, gekonnter Ernsthaftigkeit.

Das in Hamburg zu erleben, der selbsternannten Musical-Stadt, wo seit Jahrzehnten das ästhetische Imperium der Stage School nicht nur die Touristenströme lenkt, sondern mehr noch das Genre Muscial glatt bügelt und nivelliert und seines aufmüpfigen Charakters beraubt hat, war noch mal ein ganz besonderes Vergnügen.

 
Cast Rob Pitcher | Thomas Schreier | Johannes Beetz | Luciano Di Gregorio | Vini Gomes | Pedro Reichert | Sabine Meyer | Rosalie de Jong | Mark van Beelen | Dennis Henschel | Eszter Végvári | Stuart Pattenden | Sebastian Prange | Theresa Löhle
Orchester Thore Vogt | Jana Gugenheimer | Tom Richter | Dominic Harrison | Peter Harrison | Ken Dombrowski | Benjamin Stanko | Tamás Bárány | Vincent Dombrowski | Freya Obijion | Tobias Meisner

Wolken ziehen vorüber

Eine Radio-Nacht über das filmische Werk des finnischen Meisterregisseurs Aki Kaurismäki – von Josef Schnelle und Rita Höhne am 30. April im DLF

Zwei Sessel im Schnee

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: PLINK, photocase.de

Treffen sich zwei Finnen in einer Bar. »Prost« sagt der eine. Darauf der andere: »Ich bin nicht hergekommen, um zu quatschen.« So wortkarg und sarkastisch ist auch der finnische Filmemacher Aki Kaurismäki. Seit 1980 hat er rund 20 Filme gedreht und es sind die schönsten Autorenfilme der letzten Jahre darunter. In »Le Havre« überraschte er mit einem Bekenntnis zur Weltoffenheit der wohl hässlichsten Hafenstadt der Welt. Oder er porträtiert die chronischen Loser: Arbeitslose, Müllmänner, Verzweifelte, schlechte Musiker, Mörder – und schafft es, mit solchen Hauptfiguren grandiose Melodramen zu drehen, die an Stummfilmklassiker früherer Filmepochen anknüpfen. So weiß sich »Das Mädchen aus der Streichholzfabrik« nicht anders zu helfen als mit Rattengift. Im Künstlerelend von »Das Leben der Bohème« dagegen zählt nur der neueste Fisch, auch wenn er überraschenderweise zwei Köpfe hat.
Aki Kaurismäki ist Realist und Visionär zugleich. Mit finnischen Tangos und Punkmusik seiner Hausband »Leningrad Cowboys« mit ihren charakteristischen Haartollen hat Kaurismäki ein Kino zwischen Kult und poetischem Realismus erfunden, dem eine lange Radio-Nacht gewidmet ist.

Sendung: Samstag, 30.4.16, 23:05h, Deutschlandfunk, Reihe »Lange Nacht« (180 Min.)

Udo und Andreas, Andreas und Udo

Ein Jahr ist er jetzt tot, seit einem Jahr ist Udo Jürgens nicht mehr dabei. Ist das wirklich schon ein Jahr her?

Ein Jungen sitzt verzweifelt an einem Klavier

Text: Frank Keil
Foto: jana-milena, photocase.de

Männerbuch der Woche, 50ste KW. – Der Schriftsteller Andreas Maier nutzt seine Trauerarbeit für grundlegende kulturkritische Betrachtungen. Nach der Lektüre wird man den Begriff »Spießer« aus seinem Wortschatz gestrichen haben. Und hört Udo Jürgens noch mal mit ganz anderen, nämlich den eigenen Ohren.

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