Schwarze Angst, rote Wut

Ein Buch über häusliche Gewalt. Für Kinder.

Luftballons am Himmel

Text: Ralf Ruhl
Foto: Alexander Bentheim | time., photocase.de

Mit dem Bilderbuch »Vom Glücksballon in meinem Bauch« gelingt es den Autorinnen Sandra Fausch, Marion Mebes, Andrea Wechlin und Claudia Rothenfluh, häusliche Gewalt für Kinder für Kinder zu thematisieren. Ob das betroffene Kind ein Junge oder ein Mädchen ist, bleibt offen. Ganz bewusst. Und das ist gut so! Denn vor der Gewalt sind alle Kinder gleich.

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»Lebbe gehd weider«

Mein Neustart mit Parkinson

Ein Mann arbeitet an einer Werkbank

Text: Stefan Moes
Foto: bokehlicious, photocase.de

Wir sind sieben, alle Ende fünfzig. Eine Woche haben wir frei genommen, um einen Stuhl des amerikanischen Star-Tischlers Sam Malouf nachzubauen. Einer stellt sich als Bankdirektor vor, einer ist Therapeut, die anderen haben ein Handwerk gelernt; allen gemeinsam: das Faible für Holz. Ein Graukopf berichtet stolz von dem drei Meter langen Eichenschrank, den er für sein neues Eigenheim gebaut hat. Er ist ein Jahr jünger als ich, von Beruf Schlosser. Gestandene Menschen. Und ich? Ich versuche, wieder Boden unter die Füße zu bekommen …

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Männlich, 29 bis 40 Jahre alt, meist Alkohol im Spiel

Kühlpack drauf und fertig? Immer mal wieder wird von gewaltsamen Übergriffen gegen Rettungskräfte berichtet. Doch schnell ist das Thema verschwunden. Versuch einer Annäherung.

Feuerwehr im Einsatz

Text: Frank Keil
Foto: netwipe, photocase.de

Philipp Bachmann setzt sich so, dass er die Anzeigentafel über der Tür stets im Blick hat: bestehend aus drei Feldern, eines davon ist gerade hell erleuchtet. Was also anzeigt, dass einer der drei Rettungswagen im Einsatz ist, die auf der Wache in Hamburg-Altona stationiert sind, bei der eine Schicht mit 24 Rettern besetzt ist, samt Löschzug sowie dem Großraumrettungswagen für Großschadenslagen. Bachmann ist seit sieben Uhr früh im Dienst – es wird sieben Uhr früh anderentags werden, bis er sich wieder umziehen und dann nach Hause gehen kann; zweimal in der Woche ist das normalerweise der Fall. »Der Job macht immer noch Spaß, auch wenn er manchmal schwierig ist«, sagt er – zum Beispiel wenn er weiß, dass männlich, jung und alkoholisiert gewissermaßen die Grundkomponenten derer sind, die plötzlich auf die Idee kommen, Rettungskräfte wie ihn zu beschimpfen oder auch mit handgreiflicher Wucht auf sie loszugehen …

Zum Beitrag, der zuerst in der aktuellen zweiten Ausgabe der »Internationalen Männerzeitung« erschien, einem schweizerisch-deutsch-österreichischem Projekt von engagierten Journalisten, Autoren, Redakteuren, Fotografen. Mehr frische Seiten für wache Männer: www.internationale-maennerzeitung.com.

Kleiner Schnitt, GEWALTige Wirkung

Eine folgenreiche Entscheidung, ein Buch und ein Interview

Mann hält sich den Handrücken vor den Mund

Text: Alexander Bentheim
Foto: dommy.de, photocase.de

Ein Aufsehen erregendes Urteil des Kölner Landgerichts vom Mai 2012, das – Kindeswohl vor Elternrecht – die rituelle Beschneidung von Jungen zur Straftat erklärte, ein hastig schon im darauf folgenden Dezember verabschiedetes religionsfreundliches Gesetz zur Beschneidung des männlichen Kindes (§ 1631d BGB) und eine seitdem andauernde, teils heftige – in Teilen auch »unterdrückte« – gesellschaftliche Debatte darüber bilden den Hintergrund des Buches »Ent-hüllt!«, das im letzten Mai erschien. Und das unmittelbar sowie mittelbar Beschneidungsbetroffene zu Stimmen verhilft, die auch zukünftig gehört werden wollen – und müssen. Denn das Thema Beschneidung von Jungen hat sich nicht erledigt, nur weil es keine Schlagzeile mehr bekommt.

Der unter Pseudonym schreibende Autor Clemens Bergner berichtet von seiner eigenen Beschneidung in der Kindheit aus vorgeblich medizinischen Gründen, versammelt in seinem Buch aber auch viele Geschichten von anderen Männern, die über ihre meist ebenfalls im Kindesalter erfolgte Beschneidung der Vorhaut (Amputation, Zirkumzision, Verstümmelung) erzählen, und die – wie er – unter körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen ihr Leben lang leiden.

Nun kann man ein Buch wissenschaftlich, auch empathisch rezensieren. Aber es gibt Ausnahmen, wo es sich anbietet, den Autor selbst zu hören, weil er am eindrücklichsten beschreiben kann, worum es ihm – auch über das Buch und in diesem Fall die Betroffenengeschichten hinaus – mit seiner Publikation geht. Ein Interview aus dem letzten Jahr, das der Religionskritiker und Blogger Stefan Schritt (»Abgeblogged«) mit dem Autor führte, durften für die MännerWege dankenswerterweise neuveröffentlicht werden.

Zum Interview.

Wenn Papa weg ist

Manche Väter sind abwesend. Wegen Arbeit oder Krankheit. Oder wegen Trennung.

Vater zieht Kind auf einem Schlitten durch den Schnee

Text: Ralf Ruhl
Foto: Fotoline, photocase.de

Jedenfalls sind diese Väter für die Kinder nicht oder kaum erreichbar. Was für Kinder äußerst schmerzhaft ist. Das Bilderbuch »Mondpapas« hilft, über die Lücke zu sprechen, die abwesende Väter hinterlassen.

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Ein Berg von einem Mann

Mit »Virgin Mountain« kommt ein wunderbarer Film aus Island in unsere Kinos, der einen Koloss von Mann ganz zart werden lässt.

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Text: Frank Keil
Fotos: Alamode/FilmAgentinnen

Dicke Männer haben keine Lobby. Man bemitleidet sie, man macht Scherze über sie, man hat wirklich ein Verständnis dafür, dass sie es im Leben nicht leicht haben. Und Fúsi ist dick, sehr dick. Er passt eigentlich kaum in den schmalen Transporter, mit dem er auf dem Flughafen von Reykjavik die Koffer und Taschen aus der Abflughalle zum Flugzeug oder vom Flugzeug zurück in die Ankunftshalle bugsiert.

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Was muss man noch über ihn wissen? Er ist vierzig Jahre alt, und er wohnt noch bei seiner Mutter. Er ist auf die eigene schüchterne Weise mit einem kleinen Mädchen in seinem Wohnblock befreundet – was die umherwohnenden Erwachsenen sehr seltsam berührt. Er geht jeden Freitag beim Thailänder essen (immer das selbe), noch dazu hat er ein besonderes Hobby: Er stellt Schlachten des Zweiten Weltkrieges mit Hilfe kleiner Figuren und Modellen von Panzern, Haubitzen und Militär-Lkws nach. Aktuell ist er sehr mit der Schlacht bei Al Alamein beschäftigt – als im Spätherbst 1942 die Panzerverbände Rommels auf die Panzerverbände der 8. Britischen Armee stießen und sich die Wende des Zweiten Weltkrieges abzeichnete.

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Und sonst? Sonst geht Fúsi stoisch seiner Arbeit nach, isst in den Pausen die Brote, die ihm seine Mutter morgens geschmiert hat so wie er auch geduldig die Hänseleien seiner Kollegen erträgt, die es einfach nicht fassen können, dass Fúsi noch nie Sex mit einer Frau gehabt haben könnte.

Doch alles ändert sich, als seine Mutter und deren seltsamer Liebhaber ihm zum Geburtstag einen Tanzkurs schenken. Einen Tanzkurs? Da will Fúsi nicht hin. Denn was soll er da? Etwa tanzen? Bis er um der lieben Ruhe Willen doch an einem Abend ins Auto steigt (und Fúsi fährt bei seiner Körpergröße keinen Kleinwagen!) und einmal zum Kurs fährt. Und dort die scheinbar lebenslustige Sjöfn kennenlernt (ja, Sjöfn, in der nordischen Mythologie die Göttin der Liebe). Und Fúsis Leben bekommt einen ganz eigenen Drive – und ein wunderbarer Film über Einsamkeit und Liebe, über Freundschaft und seelische Abgründe entspinnt sich.

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»Fusí« wird grandios gespielt von Gunnar Jónsson. Ihn entdeckte der isländische Regisseur Dagur Kári, als Jónsson vor Jahren einen kurzen Auftritt im isländischen Fernsehen hatte und dabei einen Komiker gab. Jahre später und nach der Realsierung verschiedener Filmprojekte setzte er sich eines Abends hin und schrieb ein Drehbuch – nur und allein für Gunnar Jónsson. Und er legte eines fest: Entweder spielt Jónsson die ihm zugedachte Rolle oder das Drehbuch und damit das Filmprojekt verschwinden für immer in irgendeiner Schublade.
Das Drehbuch erreichte Jónsson dann per eMail, als dieser als Koch auf einem Containerschiff unterwegs war. Er nahm sich einen Tag Zeit, über die ganze Sache nachzudenken. Und gab dann sein »Okay«. Dagur Kári erzählt noch folgendes: »Gunnar sagte kurz vor dem Dreharbeiten zu mir: `Ich weiß ja nicht, wie man schauspielert, als schreie mich an, wenn ich irgendwas falsch mache.´ Ich habe ihn nicht einmal anschreien müssen, und mittlerweile sind wir gute Freunde.«

»Virgin Mountain« – so der internationale Titel der isländischen Originalfassung »Fúsi« – erhielt bei den diesjährigen Nordischen Filmtagen in Lübeck den Publikumspreis. Dieser Tage ist er in unseren Kinos gestartet. Ein Tipp: Wenn möglich, sollte man sich die isländische Fassung mit deutschen Untertiteln schauen. Denn der Sound der isländischen Sprache lässt Fúsis wortkarge Rede noch eindrücklicher erklingen, und viel lesen muss man ohnehin nicht.

Und wer noch nicht überzeugt ist, hier geht es zum Trailer.

Die Kinder vom Spiegelgrund

Ein schwerer, aber sehr wichtiger Dokumentarroman aus Schweden

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Text: Frank Keil
Foto: Buntbarsch, photocase.de

Männerbuch der Woche, 46ste KW. – Der schwedische Romancier Steve Sem-Sandberg hat mit »Die Erwählten« den Kindern in der NS-Tötungsanstalt »Am Spiegelgrund« ein literarisches Denkmal gesetzt.

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Hauptsache gesund!

Wie tief Vorurteile und Ängste gegenüber Menschen sind, die eine Behinderung haben, offenbaren die aktuellen Debatten um die richtige, falsche oder überfordernde Inklusion

Text: Frank Keil
Foto: luxuz::., photocase.de

Männerbuch der Woche, 45ste KW. – Fabian Toulmé lässt mit seiner Graphic Novel »Dich hatte ich mir anders vorgestellt …« einem verschreckten Vater 250 Seiten und weit mehr Zeichnungen Zeit, sich an seine behinderte Tochter zu gewöhnen.

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Der vorgezeichnete Weg?

Fachtag zu Geschlechtskonstruktionen nach sexualisierter Gewalt gegen Jungen am 23. Oktober in Berlin-Kreuzberg

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Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Foto: momosu, photocase.de

20 Jahre »Tauwetter. Anlaufstelle für Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren« – Anlass für die Anlaufstelle, einen Fachtag zum Thema »Geschlechtskonstruktionen nach sexualisierter Gewalt« zu gestalten und sich in zwei Vorträgen (Jörg Schuh & Thomas Schlingmann, Dirk Bange) sowie einer »Workshoprallye» mit 12 Stationen diesen Fragen zu widmen: Wie können Jungen sexualisierte Gewalt bewältigen und bearbeiten? Müssen sie ihre Erlebnisse ewig mitschleppen und zu »Mackern«, Tätern oder »Loosern« werden? Welche Auswege gibt es?
Der Fachtag wird bereichert von erfahrenen Expert_innen im Thema: Sabine Fries (Gehörlosenverband Berlin, HU), Thomas Viola Rieske (Dissens Institut für Bildung und Forschung), Martina Hävernick (Selbsthilfe und Beratung Wildwasser Berlin), Peter Mosser (kibs München), Franz-Gerd Ottemeier-Glücks (Mannigfaltig Minden), Maren Kolshorn (Frauennotruf Göttingen), Volker Mörchen (Bremer jungenbüro), Lukas Weber (Hilfe-für-Jungs, Berlin), Ursula Enders (Zartbitter Köln), Torsten Kettritz (Ampel Dessau), Mari Günther (Queer leben Berlin), Barbara Kavemann (Sozialwissenschaftliches FrauenForschungsInstitut Freiburg, Kath. Hochschule Berlin).

Alle Koordinaten zum Fachtag: Freitag, 23. Oktober, 9-17 Uhr, Alte Feuerwache Kreuzberg, Axel-Springer-Str. 41/42, 10967 Berlin. Kosten 25 Euro inkl. Verpflegung. Weitere Informationen und > Anmeldung.

Alles wird gut

Dokumentarfilm am 14. September über die Entstehung eines außergewöhnlichen Theaterstückes

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Text: Alexander Bentheim (Redaktion nach Quelle WDR)
Foto: ZWEISAM, photocase.de

Ein besonderer Film über besondere Menschen: Der Filmemacher Niko von Glasow castete 14 Laien und Profis mit und ohne Behinderung, um mit ihnen ein Theaterstück von Null auf zu erarbeiten. Der Film dokumentiert diesen nervenaufreibenden, aber auch sehr lustigen Probenprozess bis hin zur Premiere. In dem Stück geht es um die Darsteller_innen selbst und ihre Träume: Einmal auf der Bühne stehen, einmal gesehen werden, einmal die große Liebe erleben – der Wunsch nach Anerkennung ist allen Menschen gemein. Und nur weil einige in der Truppe auf den ersten Blick keine Behinderung haben, heißt das noch lange nicht, dass sie normal sind …

Sendung: Montag, 14.9.15, 0:00h, ARD, Reihe »KinoFestival im Ersten« (93 Min.; Achtung: am Sonntagabend länger aufbleiben oder geeignetes Equipment zum Mitschnitt programmieren).