»Keiner von euch Spacken wird an mir rumoperieren!«

Viviane Andereggen‘s Kinofilm »Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut« spielt mit dem Schauer des Akts der Beschneidung.

xl_140

Text: Frank Keil
Foto: element e filmproduktion gmbh

Es gibt Themen, die ploppen plötzlich auf und entfachen aus dem Stand eine wuchtige Debatte – und Jahre später reibt man sich verwundert die Augen, ob der Heftigkeit, an die man sich noch vage erinnert. So war das mit dem Thema »Beschneidung«, das im Jahr 2012 plötzlich die Zeitungsseiten füllte und für turbulente Talkshow-Einlagen sorgte.
Und so ist »Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut« denn auch zunächst ein durchaus humorvoller Beitrag auf der Folie der Beschneidungsdebatte (und ein Spielfilm ist kein Dokumentarfilm, sondern wird getragen von ausgedachten Charakteren und konstruierten Begegnungen, die aus verständlichen Gründen nicht unserer Alltagslogik folgen müssen), allerdings stellt sich auf die Dauer der Strecke eine gewisse Abnutzung ein und man schaut immer unbeteiligter den inszenierten Irrungen und Wirrungen zu, in denen sich die Protagonisten verheddern.

Zur Rezension
Zum Trailer

Der Film wurde am 19.11.15 im Sender N3 ausgestrahlt; er ist in der dortigen Mediathek noch bis zum 27.12.15 zu sehen, aus Jugendschutzgründen von 20 Uhr bis 6 Uhr. Der Kinostart folgt.

Mit Papa durch die Sommernacht

Erste Papa-Geschichten für die Kleinsten

AnnaWolpert188372

Text: Ralf Ruhl
Foto: AnnaWolpert, photocase.de

Geschichten von Tier- und Menschenpapas, die ihren Kindern etwas beibringen oder Konflikte lösen, manchmal verständnisvoll-tröstend – manchmal und leider aber auch nicht ohne den Griff in die fette Klischeekiste. Ein Kinderbuch von Anna Taube mit widersprüchlichen Vaterbildern, das zeigt, wie unsicher wir offenbar immer noch darüber sind, was ein Vater eigentlich ist. Oder wie er zu sein hat.

Zur Rezension

»Fokus Jungs«

Neue Fachstelle für Jungenarbeit in Hessen

der_wichtig1360869

Text: Marc Melcher
Foto: der_wichtig, photocase.de

Das Bild von Männlichkeiten, das Jungen gesellschaftlich und über die Medien vermittelt bekommen, beschreibt meist eine recht einseitige Rolle. Jungesein oder Mannsein wird dabei oft gleichgesetzt mit cool sein, körperlicher Fitness, Dominanz und Härte. Doch was brauchen Jungen wirklich, um ihre Potentiale entfalten und ein gutes, selbstbestimmtes Leben führen zu können?

»Fokus Jungs«, die neue Fachstelle für Jungenarbeit in Hessen (ein Projekt des Paritätischen Bildungswerkes Bundesverband e.V. mit Sitz in Frankfurt/M., unterstützt von »Aktion Mensch«), stellt die Förderung von Jungen in ihren Mittelpunkt. Denn förderlich für alle Jungen ist eine Perspektive auf die Vielfalt von Jungesein und (ihr) Jungenleben – mit Blick auf Spielräume, Alternativen, Unterschiedlichkeiten, jenseits von Stereotypen über »die« Jungen. Jungen brauchen einen guten und jungengerechten Zugang zu Bildung – formell wie informell, im Sinn von Selbstbildung und als »Geschlechterbildung«.
Das Vorhaben der Fachstelle richtet sich an Fachkräfte der pädagogischen Arbeit und im geplanten Praxis-Modellprojekt (Start 2017) an Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Durch Vernetzungen auf Landesebene werden Fachkräfte praxisnah und zielgruppenorientiert bei ihrer geschlechtsbezogenen Arbeit mit Jungen unterstützt. Dies beinhaltet die Arbeit mit Jungen vom KiTa-Alter bis in die junge Erwachsenen-Phase hinein. Die Fachstelle wird die zentrale landesweite Anlaufstelle zur Dokumentation, Information, Beratung, Vernetzung und Qualifizierung von geschlechterreflektierter Jungenarbeit in Hessen. Mit ihren Angeboten unterstützt die Fachstelle Kommunen, Städte und freie Träger in Hessen. Die Zusammenarbeit u.a. mit der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik in Hessen e.V. wird angestrebt.

Weitere Infos gibt es auf der Website »Fokus Jungs«.

Väter_aller*lei Geschlechts

Tagung über das Spiel mit Ambivalenz zwischen Generationen in Fernsehserien am 11./12. Dezember 2015 im Deutschen Hygiene-Museum Dresden

Mrsnikon1409655

Text: Alexander Bentheim (Redaktion nach Quelle Stiftung DHMD)
Foto: Mrsnikon, photocase.de

In den letzten Jahren sind Fernsehserien zunehmend Gegenstand der Kultur- und Sozialwissenschaften geworden. Als »gesellschaftliche Agenturen« verhandeln serielle Fernsehformate politische, ethische, soziale und ökonomische Fragen. Die Tagung untersucht, wie das Medium Fernsehserie Familie als Instanz und Symbol von Gesellschaft verhandelt und dabei Vaterschaft (und durchaus auch Mutterschaft) inszeniert und reflektiert.

Beiträge gibt es u.a. von
_ Prof. Dr. Lars Koch (Institut für Germanistik, TU Dresden): »In Touch with Tomorrow. Konsolidierungen von Vaterschaft und symbolischer Ordnung nach 9/11«
_ Prof. Dr. Mark Arenhövel (Institut für Politikwissenschaft, TU Dresden): »Family Values in New Mexico. Patriarchale Eskalation in Serie«
_ Prof. Dr. Brigitte Georgi-Findlay (Institut für Anglistik und Amerikanistik, TU Dresden): »Ben Cartwright und andere Väter«
_ Prof. Dr. Christian Schwarke (Institut für Evangelische Theologie, TU Dresden): »Abraham, Agnew, McNulty und die anderen. Väter-Cops und ihre Opfer«
_ Prof. Dr. Katja Kanzler (Institut für Anglistik und Amerikanistik, TU Dresden): »Komische Väter? Das Lustige, das Lächerliche und Vorstellungen von der guten Familie in Sitcoms«
_ Prof. Dr. Anja Besand (Institut für Politikwissenschaft, TU Dresden): »Von einsamen Müttern und verzweifelten Vätern. Fernsehserien als Erziehungsratgeber«

Koordinaten zur Tagung | Ort Deutsches Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1, 01069 Dresden, Marta-Fraenkel-Saal | Zeit Fr 11.12., 10.30h bis Sa, 12.12., 17h | Veranstalter Arbeitsgruppe »weiter sehen. Interdisziplinäre Beiträge der Dresdner Serienforschung« in Zusammenarbeit u.a. mit »weiterdenken. Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen« und Evangelische Akademie Meißen | Kosten 15 EUR für Vollzahler, 10 EUR für Ermäßigungsberechtigte | Weitere Infos, vollständiges Programm und Anmeldung (per Mail bis 5.12.15) im Kalender des DHMD.

Vier Kinder und ein Vater

Am Ende schaut man auf sein Leben zurück. Es muss aber nicht unbedingt vorbei sein …

kaibieler213943

Text: Frank Keil
Foto: kaibieler, photocase.de

Männerbuch der Woche, 48ste KW. – Der Schwabe Karl-Heinz Ott lässt in »Die Auferstehung« vier Geschwister am Totenbett ihres Vaters die Bilanzen ihres Lebens ziehen.

Zur Rezension

Ein Mann lebt seinen Traum

Begegnung mit einem Handwerker

fl0wer219942

Text: Stefan Moes
Foto: fl0wer, photocase.de

Wenn Garrett Hack spricht, sprechen seine Hände mit. Große, gepflegte Hände, lebendig, immer in Bewegung. Er gestikuliert, reicht Holzproben herum, treibt das Stecheisen ins Holz: Mit seinen Händen erzeugt der asketisch wirkende Mann aus Vermont Präsenz. Er ist ein Star. In der Welt unterwegs, um seine Handwerksphilosophie zu verbreiten. Mitte Oktober war er für fünf Tage in München.

Zum Artikel

Ein Berg von einem Mann

Mit »Virgin Mountain« kommt ein wunderbarer Film aus Island in unsere Kinos, der einen Koloss von Mann ganz zart werden lässt.

VirginMountain2

Text: Frank Keil
Fotos: Alamode/FilmAgentinnen

Dicke Männer haben keine Lobby. Man bemitleidet sie, man macht Scherze über sie, man hat wirklich ein Verständnis dafür, dass sie es im Leben nicht leicht haben. Und Fúsi ist dick, sehr dick. Er passt eigentlich kaum in den schmalen Transporter, mit dem er auf dem Flughafen von Reykjavik die Koffer und Taschen aus der Abflughalle zum Flugzeug oder vom Flugzeug zurück in die Ankunftshalle bugsiert.

VirginMountain4

 
Was muss man noch über ihn wissen? Er ist vierzig Jahre alt, und er wohnt noch bei seiner Mutter. Er ist auf die eigene schüchterne Weise mit einem kleinen Mädchen in seinem Wohnblock befreundet – was die umherwohnenden Erwachsenen sehr seltsam berührt. Er geht jeden Freitag beim Thailänder essen (immer das selbe), noch dazu hat er ein besonderes Hobby: Er stellt Schlachten des Zweiten Weltkrieges mit Hilfe kleiner Figuren und Modellen von Panzern, Haubitzen und Militär-Lkws nach. Aktuell ist er sehr mit der Schlacht bei Al Alamein beschäftigt – als im Spätherbst 1942 die Panzerverbände Rommels auf die Panzerverbände der 8. Britischen Armee stießen und sich die Wende des Zweiten Weltkrieges abzeichnete.

VirginMountain1

 
Und sonst? Sonst geht Fúsi stoisch seiner Arbeit nach, isst in den Pausen die Brote, die ihm seine Mutter morgens geschmiert hat so wie er auch geduldig die Hänseleien seiner Kollegen erträgt, die es einfach nicht fassen können, dass Fúsi noch nie Sex mit einer Frau gehabt haben könnte.

Doch alles ändert sich, als seine Mutter und deren seltsamer Liebhaber ihm zum Geburtstag einen Tanzkurs schenken. Einen Tanzkurs? Da will Fúsi nicht hin. Denn was soll er da? Etwa tanzen? Bis er um der lieben Ruhe Willen doch an einem Abend ins Auto steigt (und Fúsi fährt bei seiner Körpergröße keinen Kleinwagen!) und einmal zum Kurs fährt. Und dort die scheinbar lebenslustige Sjöfn kennenlernt (ja, Sjöfn, in der nordischen Mythologie die Göttin der Liebe). Und Fúsis Leben bekommt einen ganz eigenen Drive – und ein wunderbarer Film über Einsamkeit und Liebe, über Freundschaft und seelische Abgründe entspinnt sich.

VirginMountain3

 
»Fusí« wird grandios gespielt von Gunnar Jónsson. Ihn entdeckte der isländische Regisseur Dagur Kári, als Jónsson vor Jahren einen kurzen Auftritt im isländischen Fernsehen hatte und dabei einen Komiker gab. Jahre später und nach der Realsierung verschiedener Filmprojekte setzte er sich eines Abends hin und schrieb ein Drehbuch – nur und allein für Gunnar Jónsson. Und er legte eines fest: Entweder spielt Jónsson die ihm zugedachte Rolle oder das Drehbuch und damit das Filmprojekt verschwinden für immer in irgendeiner Schublade.
Das Drehbuch erreichte Jónsson dann per eMail, als dieser als Koch auf einem Containerschiff unterwegs war. Er nahm sich einen Tag Zeit, über die ganze Sache nachzudenken. Und gab dann sein »Okay«. Dagur Kári erzählt noch folgendes: »Gunnar sagte kurz vor dem Dreharbeiten zu mir: `Ich weiß ja nicht, wie man schauspielert, als schreie mich an, wenn ich irgendwas falsch mache.´ Ich habe ihn nicht einmal anschreien müssen, und mittlerweile sind wir gute Freunde.«

»Virgin Mountain« – so der internationale Titel der isländischen Originalfassung »Fúsi« – erhielt bei den diesjährigen Nordischen Filmtagen in Lübeck den Publikumspreis. Dieser Tage ist er in unseren Kinos gestartet. Ein Tipp: Wenn möglich, sollte man sich die isländische Fassung mit deutschen Untertiteln schauen. Denn der Sound der isländischen Sprache lässt Fúsis wortkarge Rede noch eindrücklicher erklingen, und viel lesen muss man ohnehin nicht.

Und wer noch nicht überzeugt ist, hier geht es zum Trailer.

Die Kinder vom Spiegelgrund

Ein schwerer, aber sehr wichtiger Dokumentarroman aus Schweden

Buntbarsch250372

Text: Frank Keil
Foto: Buntbarsch, photocase.de

Männerbuch der Woche, 46ste KW. – Der schwedische Romancier Steve Sem-Sandberg hat mit »Die Erwählten« den Kindern in der NS-Tötungsanstalt »Am Spiegelgrund« ein literarisches Denkmal gesetzt.

Zur Rezension

Hauptsache gesund!

Wie tief Vorurteile und Ängste gegenüber Menschen sind, die eine Behinderung haben, offenbaren die aktuellen Debatten um die richtige, falsche oder überfordernde Inklusion

Text: Frank Keil
Foto: luxuz::., photocase.de

Männerbuch der Woche, 45ste KW. – Fabian Toulmé lässt mit seiner Graphic Novel »Dich hatte ich mir anders vorgestellt …« einem verschreckten Vater 250 Seiten und weit mehr Zeichnungen Zeit, sich an seine behinderte Tochter zu gewöhnen.

Zur Rezension

Von Hypermaskulinität bis Feminität

Mandeep Raikhy, Choreograf aus Indien, zeigt differenzierte Männlichkeiten im Tanz – auf dem Hamburger Kampnagel vom 5.-7. November

Text: Alexander Bentheim (Redaktion)
Fotos: Soumita Bhattacharya
Reihe »Bilder und ihre Geschichte« #5

Der renommierte Hamburger Veranstaltungsort für zeitgenössische darstellende Kunst »Kampnagel« präsentiert im Rahmen der »India Week 2015« zum ersten Mal eine Arbeit des indischen Choreografen Mandeep Raikhy, Absolvent des »Laban Dance Centre« in London, Leiter des »Gati Dance Forum« in Neu Delhi und einer der zurzeit interessantesten Protagonisten des zeitgenössischen Tanzes in Indien.
In seinem Stück »A MALE ANT HAS STRAIGHT ANTENNAE« seziert er gängige Vorstellungen von Männlichkeit, die sich im weiten Spektrum von Hypermaskulinität bis hin zu Feminität bewegen. Er widmet sich mit einem Ensemble aus sechs Tänzern und einer Tänzerin der Beschaffenheit des männlichen Körpers. Die Tänzer vergleichen Körperteile als Andeutung auf die klischeehafte männliche Sucht nach Wettbewerb, sie synchronisieren abstrakte Alltagsbewegungen und kreieren offene, humorvolle und zärtliche Situationen – ein Spiegel für das, was ist, und Ideen dafür, was sein könnte.

Koordinaten: Do 5.11. und Fr. 6.11. und Sa 7.11., Kampnagel Internationale Kulturfabrik GmbH, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg, Saal »K1«, jeweils 20 Uhr, Dauer ca. 55 Min., 18 Euro (erm. 10 Euro). Weitere Infos und Ticketreservierungen gibt es hier.
Special: Am Freitag, 6.11., gibt die Tanzkritikerin Gabriele Wittmann vor der Vorstellung um 19 Uhr einen Einblick in die zeitgenössische Tanzszene in Indien. Nach dem Stück findet ein Publikumsgespräch mit Mandeep Raikhy statt.